Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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(Ein greller Blitz und <strong>ein</strong> schwerer Donnerschlag<br />
durchzucken die Szene)<br />
m<strong>ein</strong> <strong>Phaethon</strong> fällt!<br />
(nach <strong>ein</strong>igem Besinnen)<br />
Den Wagen rett´ ich in die Bahn zurück!<br />
Hemera<br />
Er kommt! Die Rosse eilen rückwärts, Gott!<br />
Helios<br />
Damit genug! Der Brand erhellt all<strong>ein</strong><br />
Für diesen Tag die Welt mit Flammenbrausen!<br />
Führ´, Tag, sie in die altgewohnten Boxen<br />
und straf´ sie nicht, denn sie sind ja nicht schuld.<br />
(Eos wankt, von Selene gestützt, mit<br />
verst<strong>ein</strong>ertem Gesicht heran, nach ihnen die<br />
übrigen)<br />
Selene<br />
So bin ich heute auch <strong>ein</strong>mal entbunden<br />
Und will mit m<strong>ein</strong>er Schwester suchen geh´n.<br />
Eos<br />
(nach <strong>ein</strong>er Pause)<br />
Wen willst du suchen? Finden wirst du <strong>ein</strong><br />
zerfetztes, <strong>ein</strong> verkohltes finst´res Wesen,<br />
wovor mich schaudert, wenn ich nur d´ran<br />
denke!<br />
Lass´ mich darum all<strong>ein</strong> den Leichnam suchen,<br />
dann mag hernach mit mir gescheh´n, was will:<br />
Ich weiß, unsterblich s<strong>ein</strong> ist auch k<strong>ein</strong> Glück,<br />
weil auch das Glück von kurzer Dauer ist.<br />
K<strong>ein</strong> Ruhm, den Bräutigam zu überleben:<br />
S<strong>ein</strong> Tagwerk w a r ja längst vollbracht – Lebt<br />
wohl!<br />
Helios<br />
Zu ihm gehst du: Vergiss den Faden nicht!<br />
Eos<br />
(Helios umarmend)<br />
Du teurer Bruder, n<strong>ein</strong>, er muss erstehen –<br />
Durch d<strong>ein</strong>en Segen wird er mir unsterblich<br />
mit alle den Hoffnungen und Tränen -:Ja!<br />
Selene<br />
Ich darf dich nicht so <strong>ein</strong>sam gehen lassen<br />
und eile dir zur Nacht besorgt voraus.<br />
(Eos und Selene verlassen trauernd die Halle,<br />
ehrfürchtig durchgelassen)<br />
Fünfzehnter Auftritt<br />
Helios<br />
(an die Zuschauer des Theaters)<br />
Dies ist das Ende nicht und auch k<strong>ein</strong> Anfang.<br />
Was nun geschieht, sei weihevolles Staunen,<br />
den frommen Menschen in das Herz gesenkt<br />
zu stiller Botschaft, welche weiterwirke.<br />
Aus manchem großen Auge wird sie leuchten,<br />
die Botschaft m<strong>ein</strong>er lichtgebor´nen Kinder,<br />
(an die jungen Zuschauer)<br />
<strong>ein</strong> stummer Kreis, der schon sich selbst genügt.<br />
Und doch: Ihr seid verfolgt und müsst es leiden!<br />
Ihr Engel m<strong>ein</strong>es Lichts, mir zugeboren:<br />
Nehmt <strong>Phaethon</strong>, m<strong>ein</strong>en Sohn, zu eurer Mitte,<br />
seid Zeugen, überlasst euch nicht Vergessen,<br />
ruft eure Sehnsucht Tag für Tag herauf!<br />
Ein Gott wird s<strong>ein</strong>, der Menschen ungeachtet,<br />
der euch das Licht zu teurem Schatze hält!<br />
Und wir indessen? Ach, wir alten Götter<br />
sind mit der Griechen Untergang vergessen.<br />
Was hält es denn? Was kann es uns je schaden?<br />
Wir überwinden jede neue Zeit,<br />
indem wir uns zu neuem Geist verschmelzen<br />
und in der Schöpfung Atem lebend sind.<br />
Gleich, wer uns auch erfand: Wir lösen´s auf<br />
und geh´n zurück zum Ursprung. – Ja, der<br />
Mensch<br />
verfällt und stirbt, bis er zu Neuem werde -:<br />
Der Gott, den man auf Erden frech verlästert,<br />
verwandelt sich – denn er entbehrt ja nichts –<br />
zu ungeahnt beglückender Erfüllung.<br />
Er ist sich selbst, und was er schafft, er selbst -:<br />
S<strong>ein</strong> Spiel, im Kreise s<strong>ein</strong>er Werke ihn<br />
<strong>ein</strong> wenig freundlich grüßend zu verwundern.<br />
S<strong>ein</strong> Kosmos schwebt in unerhörten Bahnen,<br />
worin das Schicksal lächelnder Gedanke<br />
gewesen sei – nicht mehr -, <strong>ein</strong> b<strong>ein</strong>ah´ Nichts.<br />
So woll´n wir schlafen, bis uns neuer Glaube<br />
in hoher Phantasie zu spät´ren Tagen<br />
zu neuem and´ren Leben gaukelnd schaffe<br />
und wir ihn halten, bis auch er sich dann<br />
von uns´rer Hand hinweg, sich zu befreien,<br />
losreißt. Vielleicht nennt es der Mensch<br />
„Befreiung“ ... :<br />
s´íst Sklaverei des herrenlosen Geistes,<br />
und wütend, mit den freigesetzten Mitteln,<br />
zerfleischt der Knecht das herrschende Gehirn. -<br />
-<br />
(zu den umstehenden Göttern)<br />
Es stieß am Fuß uns bloß die <strong>ein</strong>e Schwelle;<br />
Wir merkten auf – nun lasst uns heimwärts<br />
gehen.<br />
(Er geht ab; die übrigen folgen ihm, nach beiden<br />
Seiten den Ausgang nehmend – Fanfaren,<br />
Paukenschläge)<br />
Chor I und II<br />
Im Zauber, den wir lächelnd Leben nenne,<br />
eratmest Licht vom Äther tief dir <strong>ein</strong>!<br />
Halt´ ehrfurchtsvoll vor dem, was wir nicht<br />
kennen,<br />
denn nichts vor Erd´ und Himmel bleibet d<strong>ein</strong>.<br />
Doch, Menschen wie auch Göttern, naht das<br />
Ende.<br />
Was irdisch war, zerfällt alsdann zu Staub,<br />
dem Himmlischen hingegen gilt´s als Wende,<br />
es wandelt sich, was künftig ungeglaubt.