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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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liegt, wird mancher Dieb bei der Nacht kommen<br />

und versuchen, dir d<strong>ein</strong>e r<strong>ein</strong>sten Gedanken,<br />

d<strong>ein</strong>e ungetrübte Gesinnung zu entwenden!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Wo fänden sie jemals Einlass?<br />

Odä<br />

In eben diesem Geheimnis, das ich zunächst vor<br />

dir noch verborgen halten muss! Dort werden sie<br />

das Misstrauen zuerst ansäen, und hat es erst<br />

Wurzeln gefasst, wird es den Spalt von selbst<br />

vergrößern. Jahr um Jahr stärker, wird endlich<br />

d<strong>ein</strong> gequältes Herz nach m<strong>ein</strong>em ganzen Wesen<br />

fragen wollen. Solange es mir nicht gestattet ist,<br />

darf ich dir darauf k<strong>ein</strong>e Antwort geben.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ich werde dich nicht mehr danach fragen.<br />

Odä<br />

Ach, <strong>Phaethon</strong>! – Ach, du bist ja auch <strong>ein</strong><br />

Sterblicher, der um Minuten bangt, weil er<br />

fürchtet, Jahre zu verlieren!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Bist du etwa nicht sterblich, Odä?<br />

Odä<br />

Was tut das hier? M<strong>ein</strong> Bild in dir wird nie<br />

verlöschen, und m<strong>ein</strong> Herz wird dich nie mehr<br />

loslassen!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ist das <strong>ein</strong> Schwur?<br />

Odä<br />

Bei m<strong>ein</strong>em Bruder schwöre ich´s!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

So schwöre ich dir: K<strong>ein</strong> and´res Mädchen soll<br />

mich je verführen können, an d<strong>ein</strong>er Treue zu<br />

zweifeln oder sie dir zu brechen!<br />

Odä<br />

Diesen Schwur will ich dir erleichtern: Du wirst<br />

auch nie mehr anders können!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Hast du so gewaltige Kraft? Du bist doch nicht<br />

gar Aphrodite?<br />

Odä<br />

(lächelnd)<br />

Das nun zwar nicht! Doch bevor ich dir<br />

begegnete, war ich <strong>ein</strong> unersättliches Weib, voll<br />

Gier nach männlicher Kraft. Da hörte ich endlich<br />

von d<strong>ein</strong>er aufblühenden Jugend. Täglich<br />

lauschte ich auf d<strong>ein</strong>e Stimme. Dann betrat ich<br />

das Haus d<strong>ein</strong>er Mutter, traf dich, weil ich dir<br />

endlich begegnen wollte. Als ich dir aber<br />

gegenüberstand, begann m<strong>ein</strong> Körper sich<br />

plötzlich auf wundervolle Weise in<br />

jungfräuliches Empfinden zurückzuentwickeln.<br />

Da spürte ich, dass du mir <strong>ein</strong> neues Leben zu<br />

schenken geschaffen warst. Ich beschloss, dir<br />

dieses Geschenk – nur dir all<strong>ein</strong> –<br />

zurückzugeben!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Was mögen die Götter gewollt haben?<br />

Odä<br />

Ja, <strong>Phaethon</strong>: Nicht um m<strong>ein</strong>etwillen, sondern dir<br />

zu Ehren schuf <strong>ein</strong> Gott mich neu, obgleich ich<br />

lebte! Er wollte nicht d<strong>ein</strong> Unglück, d<strong>ein</strong> Leben<br />

lang <strong>ein</strong>e Frau suchen zu müssen, die es gar nicht<br />

geben könnte.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Womit sollte ich das verdient haben?<br />

Odä<br />

Das weiß ich nicht und will´s auch nicht<br />

ergründen. Bist du der Götter Freund, so dankst<br />

du es ihnen ohnehin täglich durch d<strong>ein</strong><br />

untadeliges Wesen. Grüble nicht: Lass´ es genug<br />

s<strong>ein</strong>!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(sich ebenfalls ankleidend)<br />

Odä – Liebste! M<strong>ein</strong> Kopf ist voll von soviel<br />

Neuem, dass mich schwindeln möchte. Nun ist<br />

mit unserer Liebe auch der Mutter Sorge dahin.<br />

Odä<br />

Soll ich´s ihr sagen? So überrascht, möchte sie<br />

erstaunen. Du weißt, wir sind befreundet.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Wir sagen es ihr beide, ja?<br />

Odä<br />

Hörst du die Vögel? Sieh, der Morgen graut. Ich<br />

muss nun fort zu m<strong>ein</strong>em Bruder. Heut´ abend<br />

komm ich wieder. Wirst du warten, Liebster?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Der Tag kriecht so fort wie die Schnecke, und<br />

jeder Blick saugt dich aus der Ferne herbei. Ach,<br />

wärest du doch immer noch näher als das<br />

schönste Jetzt!<br />

Odä<br />

Besänftige d<strong>ein</strong> stürmisches Drängen! Warte auf<br />

mich! Oder noch besser: Über Tag schon will ich<br />

zurück s<strong>ein</strong>, da können wir es Klymene auch<br />

zusammen berichten.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Du göttliche Braut! Sehnsucht und Ungeduld<br />

sind m<strong>ein</strong>e neuen Geschwister!<br />

(Er umschlingt sie. Odä löst sich)

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