Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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<strong>Phaethon</strong><br />
N<strong>ein</strong> – des Lichtes! Denn von dorther<br />
kam ich, dorthin kehr´ ich zurück! –<br />
Auch euer Amt ist bald zu Ende! Lebt<br />
wohl, ihr alten Götter Griechenlands!<br />
Lachesis<br />
Bei Zeus: Der Faden ist verworren!<br />
Klotho<br />
Ich kann nichts fassen – außer diesem<br />
kurzen Stück!<br />
Atropos<br />
(die Schere fortlegend)<br />
So sind auch wir erlöst. Kommt, geh´n<br />
wir schlafen.<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
(schon weiter weg)<br />
Mir ist der Fuß so leicht, der Weg so<br />
unbeschwert ..., m<strong>ein</strong> Leben gleicht dem<br />
Schweben! Oh, Götter, seid ihr nahe! So<br />
menschlich nahe – so erhaben – so<br />
vergänglich nahe, dass ich ohne Tränen<br />
weiterwandere! Nicht Wandel schreckt<br />
das Maß der Dinge, n<strong>ein</strong>, Erfüllung! Nie<br />
peitschte ich das Meer mit Ruten,<br />
sondern war nur Werkzeug all die Jahre,<br />
so fühl´ ich´s!<br />
Nur diesen Tag noch: Er bringe uns des<br />
Rätsels Lösung!<br />
(Die Szene wird langsam verlassen)<br />
Zehnter Auftritt<br />
(Halle im Palast des Helios, mit zwei<br />
sich gegenüberliegenden Ausgängen,<br />
kuppelförmig nach oben;<br />
im Halbrund der hinteren Wand Gestühl,<br />
darin in der Mitte Helios´ Thron,<br />
erhöht; Kostbarkeiten symbolisieren das<br />
Leben der Götter, ausschmückend)<br />
(Fanfaren: Einzug der dem Helios<br />
zugeordneten Gottheiten wie die Horen,<br />
die Jahrtausenden, usw., als CHOR<br />
gemessen den Raum erfüllend, sich<br />
teilend,<br />
<strong>ein</strong> jeder s<strong>ein</strong>em Platze sich nähernd,<br />
von Paukenschlägen begleitet)<br />
Chor I<br />
Wer aus der Nacht den Tag begrüßt,<br />
mag, wie der Tod, vom Schlaf erwachen:<br />
Er tritt aus Dunkelheit an´s Licht,<br />
streckt aus der Kühle sich zur ew´gen<br />
Wärme<br />
Chor II<br />
Zur Sonne drängt das Leben gerne,<br />
und Helios genügt der Pflicht,<br />
das Eis, es schmilzt, die Fluren lachen,<br />
wo s<strong>ein</strong> Gestirn die Erde küsst.<br />
Chor I<br />
Doch wehe, wem Erleuchtung f<strong>ein</strong>d<br />
Und ihn verschleierte Gelüste freuen!<br />
In´s Dämmerlicht der Seele dringen<br />
Ihm Helios´ Strahlen nicht hinab!<br />
Chor II<br />
Er muss sie meiden mit flüchtigem Stab.<br />
Sie können ihm nicht Heilung bringen.<br />
Was and´re segnet, muss er scheuen,<br />
muss untergeh´n wo Rettung sch<strong>ein</strong>t.