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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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Er ward befreit – nun gut: Er stahl das Feuer!<br />

...Nun hat der Mensch, es nutzend, in Gebrauch.<br />

Nur in Gebrauch? - In jedem Krieg, dem<br />

Morden,<br />

erhellt der Brand das schaurige Frohlocken.<br />

Doch nicht genug, erweist der Mensch sich<br />

findig,<br />

gelingt´s ihm <strong>ein</strong>st, des Feuers Kraft zu ballen,<br />

vom Himmel selbst, wie Götter, auszustreuen!<br />

Entsetzlich wütet er in s<strong>ein</strong>em Wahn,<br />

wobei der Gegner sich der gleichen Waffe<br />

bedient, das Leben d´runten zu vernichten.<br />

Bald grenzenlos, enthebt er der Gesetze,<br />

der gottgewollten Ordnung sich – und fällt!<br />

Helios<br />

M<strong>ein</strong> Sohn, du hast genug gesehen. Komm!<br />

Was wollt ihr tun?<br />

Eos<br />

Helios<br />

Er soll den Sonnenwagen<br />

beseh´n und prüfen, ob er ihn als Mensch,<br />

wohl nicht als Gottes Sohn, zu lenken weiß.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Als Mensch nur? Soll ich als Betrüger sterben?<br />

Helios<br />

K<strong>ein</strong> Sohn der Götter triebe grenzenlos<br />

mit diesem heil´gen Feuer die Vernichtung<br />

wie eben jene Wütende, die du<br />

beschrieben hast!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

So darf ich also nicht?<br />

Helios<br />

Wenn du als Mensch die Reise wagtest – ja!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Nun gut: Ich bin ja sterblich!<br />

Helios<br />

Ja – und m e i n !<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(wegsehend)<br />

Ich kann die Welt nicht hassen, nicht bestrafen!<br />

So gib sie auf!<br />

Helios<br />

Eos<br />

Oh, komm zu mir – die Stunden!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ich ahne <strong>ein</strong> Versäumnis! – Liebster Vater,<br />

hilf du mir auf, dass mich m<strong>ein</strong> Tod nicht reute!<br />

Helios<br />

Auf diesen Augenblick, m<strong>ein</strong> Sohn, hab´ ich<br />

gewartet! Ja, m<strong>ein</strong> <strong>Phaethon</strong>, was du sahest,<br />

ist alles wahr! Was wir bisher erörtert,<br />

war nur gespielt, das Letzte dir zu fordern.<br />

Ja, frei bist du von dieser Stunde an!<br />

Du bist zwar Mensch, doch bist du Helios´ Sohn<br />

–<br />

ich sag´s leichhin jetzt, doch bedeutet´s viel!<br />

Im Leben d´runten stattete ich dich<br />

mit lichter Seele aus, der Schwestern Liebe<br />

umschützte diese höchste Himmelsgabe!<br />

Nun bist du zwar, doch nur noch diesen Tag,<br />

doch was vergeht, soll wieder neu erstehen.<br />

D´rum sieh: Den Lebensfaden knüpf´ ich jetzt<br />

zu <strong>ein</strong>em Kreis, der Leben dir verheiße.<br />

Wo klärend d<strong>ein</strong> Geschick sich jäh verdichtet –<br />

vorgestern fing es an – da soll´s beginnen,<br />

und mit dem Morgen mag es endend leben.<br />

Komm, Schwester, nimm des Liebsten<br />

Schicksalsfaden<br />

in treue Obhut! Küsst euch dann, nehmt<br />

Abschied!<br />

Was hier jetzt endet, steige morgen glücklich<br />

zum Leben froh empor!<br />

Eos<br />

(Helios´ Hände fassend)<br />

Oh, liebster Bruder!<br />

Soll nie das Bangen, Hoffen, das Verzweifeln<br />

<strong>ein</strong> sanftes Glück im Arm der Liebe finden?<br />

Soll <strong>Phaethon</strong>s Jammer als <strong>ein</strong> endlos´ Spiel<br />

beliebig oft den schaudernden Geschlechtern<br />

als Warnung dienen müssen vor den Göttern?<br />

Helios<br />

Sei unbesorgt: Die Toren stört k<strong>ein</strong> Jammer,<br />

solang´ er hier auf dem Theater spielt.<br />

Selbst vor dem Höchsten kann ich sie nicht<br />

warnen.<br />

Dafür sollt ihr die Tore offen sehen,<br />

wo zwischenhin der Schöpfer sichtbar waltet,<br />

dass euer Selbst der Schmerzen sich entkleide<br />

und unverhüllter Freude leben darf!<br />

Es ist d<strong>ein</strong> Bräutigam, der darum fehlte,<br />

als letzte Tat <strong>ein</strong> Mahnmal aufzusetzen.<br />

Ich tu´ es gern! Und da er liebend leidet,<br />

soll s<strong>ein</strong>er Liebe, flammend, licht und r<strong>ein</strong>,<br />

dies wiederkehrende <strong>Gedicht</strong> auch gelten!<br />

Dass er dazu, aus eigenem Erkennen,<br />

den Göttern gar das Feuer wiederbrächte,<br />

erhebt ihn ganz zu m<strong>ein</strong>em Sohne. - Nun,<br />

verlangt dich noch, die Sonne stolz zu führen?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(schüttelt das Haupt)<br />

N<strong>ein</strong>, Vater – n<strong>ein</strong>!<br />

Helios<br />

So, wie die Flamme r<strong>ein</strong><br />

Und furchtbar doch zugleich sich still verzehrt,<br />

verringert sich nun d<strong>ein</strong>e Lebensspanne.

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