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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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doch denk´ ich mir: Du weißt nicht, was ich<br />

plante!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Solange ich – nur Mensch – aus m<strong>ein</strong>er Seele<br />

den Himmel atme und d<strong>ein</strong> göttlich´ Licht,<br />

durch das mich´s drängend höher zieht zu leben,<br />

solange mag die Sehnsucht die Gemüter<br />

der glückverschmähten Menschen hoffend<br />

stärken.<br />

Doch ahnte je die gleichgeschaff´ne Seele<br />

bei mir Betrug – dass jemals sie erführe:<br />

Es war ja nicht die selbstgeschöpfte Kraft,<br />

die bloße Menschlichkeit! – so folgt der<br />

Vorwurf:<br />

Man sagt, die Götter spielten unbekümmert<br />

durch ihre Söhne mit dem schwersten Jammer!<br />

Und and´re: Der war Gottes Sohn<br />

Und brachte mehr des Glückes nicht zu Wege?<br />

Oh, pfui dem Bastard Helios´, der Sonne,<br />

er gliche eher doch dem Lampenschimmer!<br />

Helios<br />

Wer Segen hält, bezieht die gröbsten Flüche!<br />

D´rum sperre ja d<strong>ein</strong> Inn´res zu und schweig´!<br />

Lass´ du die Kreatur dich ferne hassen,<br />

zieh´ bald getrost in ferne Lande fort<br />

und bleibe dennoch immer, der du warst.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Verhöhnt, verhasst, und endlich heimatlos?<br />

Darf denn d<strong>ein</strong> Sohn nicht mehr als dies<br />

ertragen?<br />

Gib mir den Wink, um dessentwillen man<br />

verstößt den Sohn: Der Menschen Not zu enden!<br />

Helios<br />

Ich bin nicht Zeus, dir Fähigkeit zu geben,<br />

das <strong>ein</strong>z´lne Los aus allgem<strong>ein</strong>er Schuld,<br />

je nach Bedarf, von Mensch zu Mensch, zu<br />

lösen.<br />

Der Gott, der das erlaubt, muss <strong>ein</strong>zig leben,<br />

und s<strong>ein</strong>em Sohne Wehe, dem´s gegeben!<br />

N<strong>ein</strong>, liebstes Kind, dies Größte geb´ ich nicht!<br />

- Dennoch <strong>ein</strong> and´rer Vorschlag, dich zu ehren:<br />

Gesetzt, es ist bekannt jetzt, wer du seist,<br />

schick´ ich dich morgen, tief gesegnet, neu<br />

hinab, der größte Dichter Griechenlands,<br />

vielleicht Europas gar, - berühmt zu werden.<br />

Weit sichtbar sei das Maß bestimmt, bekannt,<br />

was Helios bereit, dem Sohn zu geben.<br />

Dass dies geschieht, das schwör´ ich, trag´ ich<br />

Sorge!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ein Künstler, der im Geist der Zeit voraus,<br />

gleicht wohl dem Seher, aber ohne jenem<br />

vergleichbar in der Unantastbarkeit!<br />

Hier liegt es ärger: Um Erfolg zu haben,<br />

empfiehlt er sich den Mächtigen zum Bündnis,<br />

und, statt das Schändliche zu schmähen,<br />

schweigt<br />

er weislich, wo der Seher sich empört!<br />

Und lässt man trotzdem ihn den Narren spielen,<br />

legt teuflisch man der falschen Spuren viele,<br />

so dass der Weg, die Wahrheit zu entdecken,<br />

zum labyrinthischen Verderben führt.<br />

So werde Seher!<br />

Helios<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Das zu s<strong>ein</strong>, gebietet<br />

Ihr Götter mir die <strong>ein</strong>e, allumfassend<br />

begründende Erkenntnis eures Willens,<br />

dann will ich geh´n und mich zerreißen lassen.<br />

Helios<br />

Der ew´gen Gottheit Vielerlei auf <strong>ein</strong>s<br />

wie durch geschliff´nes Glas zu konzentrieren,<br />

durchleuchtet nicht -: es sengt mit <strong>ein</strong>s hinweg!<br />

Verkünd´ es - - doch entstammst du selbst der<br />

Schöpfung?!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Dies alles nahm ich wohl in acht, eh´ ich<br />

mit m<strong>ein</strong>er Tante zu den Parzen ging,<br />

den Strick zu reißen, eh´ er abgeschnitten.<br />

Helios<br />

Was tatest du? Ich bitt´ dich: Scherze nicht!<br />

Selene<br />

Von Lachesis erhaschte er den Faden,<br />

er riss ihn – auf Jahrtausend´ Länge – weiter<br />

und sah, was nie <strong>ein</strong> Mensch vorausgeseh´n!<br />

Um ihn dem Augenblick zurückzugeben,<br />

zerriss man´s auch am and´ren Fadenende,<br />

was Leben heißt, bis auf dies Heute ab!<br />

(Sie reicht Helios den Fadenrest)<br />

Helios<br />

Nun weiß ich wirklich: <strong>Phaethon</strong> ist m<strong>ein</strong> Sohn!<br />

Mit eig´ner Hand ergriff er s<strong>ein</strong> Geschick<br />

obzwar mit Todesfurcht, und kam zum Vater!<br />

Du betteltest mir nicht von Rettung, <strong>Phaethon</strong>,<br />

vielmehr, du sorgtest um das Los der Welt.<br />

Verdienst du doch, mit mir das Licht zu zünden,<br />

das dir im Busen brannte, als du Mensch!<br />

Und hier gerade ist des Vaters Macht<br />

in eurem Götterstaat zu eng gemessen!<br />

Mir bleibt ja nichts, das Große zu vollenden,<br />

dem wandelnd´ Maß Erfüllung zu gewähren!<br />

Du magst dir wünschen, was du willst: Es ist<br />

mit Menschenglück auf Erden nachzumessen!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Doch denkst du nicht, <strong>ein</strong> Zeichen d<strong>ein</strong>er Macht<br />

symbolisch durch die <strong>ein</strong>zigartig kühne<br />

Erlaubnis jetzt zu setzen?<br />

Helios<br />

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