Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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Chor I und II<br />
Oh Mensch, der du das Licht so liebst:<br />
Verehr´s, doch spalt´ es nie zum Grauen!<br />
Es bleibt dir fremd, was du besiegst –<br />
vernichtest nur, statt zu erbauen! –<br />
Wer diesem Heiligtum sich naht,<br />
den warnen wir, sterblich zu s<strong>ein</strong>:<br />
Geblendet von des Höchsten Sch<strong>ein</strong>,<br />
bereut er, was er frevelnd sah!<br />
Elfter Auftritt<br />
(Paukenwirbel, dann Posaunen:<br />
es ersch<strong>ein</strong>t Helios, auf dem Gewand<br />
<strong>ein</strong>e Sonne <strong>ein</strong>gestickt,<br />
noch ohne Strahlenkranz)<br />
Helios<br />
Sonst altvertrautes morgendliches<br />
Plaudern<br />
in lock´rer Gruppen Vielerlei -: Nun<br />
heut´ so ernst,<br />
so feierlich in wohlgemess´nem Gang?<br />
Betrübt ´was? War zu dieser Jahreszeit<br />
weitschweifig eure Nacht? – Und die<br />
Jahrtausende,<br />
die letzten, steht ihr da mit<br />
trauerkündend-,<br />
ja finster wallenden Gewändern? – Wie,<br />
gar Tränen?<br />
(zu Hemera)<br />
Ist es uns´res Gastes wegen,<br />
den Selene uns just aus tiefer nacht<br />
heraufzubringen sich mit leichtem Fuß<br />
und heit´ren Redensarten froh bemüht?<br />
Ihr Götter! Ist das alles, was euch<br />
drückt?<br />
Was können Götter fürchten wollen? Hat<br />
der Mensch sich selbst uns zwar erdacht<br />
mit Namen,<br />
kommt auch die Zeit, in der er sich<br />
„erlöst“<br />
vom unschuldsvollen Kinderglauben!<br />
Dann<br />
erlischt der Name dieses Volkes rasch.<br />
Wir aber wissen uns wie je zu wandeln,<br />
und neue Schöpfung geht aus uns hervor.<br />
Wohl ist es recht: Man muss sich trennen<br />
können,<br />
doch fällt, was wir den Menschen<br />
überließen,<br />
nach Maß der Schöpfung endlich uns,<br />
den Göttern,<br />
am Ende wohlverdientermaßen zu.<br />
Was ihr beklagen würdet, ist <strong>ein</strong><br />
Schrecken<br />
für heute nur. Viel schlimmer trifft es<br />
mich:<br />
Da ist m<strong>ein</strong> Sohn, der, lebensmatt, die<br />
Dinge<br />
zu bessern sucht, statt schlecht´re zu<br />
erfinden!<br />
Ich kann euch trösten: Seht, er wandelt<br />
nur,<br />
nichts löst er durch verzweiflungsvolles<br />
Ringen.<br />
(Vor dem Throne angekommen,<br />
setzt er sich,<br />
legt den Strahlenkranz jetzt an,<br />
auch die übrigen lassen sich auf ihren<br />
Plätzen nieder)<br />
Zwölfter Auftritt<br />
Selene<br />
M<strong>ein</strong> Bruder Helios!<br />
(Selene ersch<strong>ein</strong>t)<br />
Helios<br />
Nun, Schwester, schon<br />
zurück? Und bringst du mir m<strong>ein</strong> teures Kind?<br />
Selene<br />
Bis hierher unversehrt! Er wartet draußen.<br />
Helios<br />
(zu Hemera)<br />
Ist´s Zeit?<br />
Dieser nickt)<br />
Und doch:<br />
(zu Selene)<br />
Berichte du zuerst von ihm!<br />
Selene<br />
Er ging von Echo tränenschwer von hinnen<br />
und irrte bald, des Weg´s unkundig, hin,<br />
als ich ihm leuchtete mit ziemlich voller<br />
und klar begrenzter Scheibe. Doch ich kann<br />
wohl sicher sagen: Er erkannt´ mich nicht!