Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
www.grabbe-contacts.conne.net 60<br />
Helios<br />
So sinnestrunken – oder war´s der W<strong>ein</strong>?<br />
Selene<br />
Die Zeit zu spotten, liebster Bruder, ist<br />
verjährt! Denn was sich anzubahnen sch<strong>ein</strong>t,<br />
wird auch d<strong>ein</strong> weites Herz beklemmen müssen.<br />
Helios<br />
Wie das – verjährt? – Was ich noch gestern<br />
scherzte,<br />
treibt Missklang auch schon in die r<strong>ein</strong>en Worte?<br />
Was Schlimmes mag es s<strong>ein</strong>?<br />
Selene<br />
Wie, Helios –<br />
du magst hier fragen?<br />
Helios<br />
Ja!<br />
Selene<br />
Du ahnst nicht –<br />
Helios<br />
Was?<br />
Selene<br />
Du zeugtest ihn, und sie, Klymene, schwieg<br />
zu ihrem hohen Mutterglück die Jahre,<br />
verheimlichte dem Jüngling noch s<strong>ein</strong> Erbe,<br />
bis Pan sich diesen kühnen Scherz erlaubte<br />
und <strong>ein</strong>em Bettler anvertraute, was<br />
er lüstern <strong>ein</strong>st erlauscht abseits dem Brautbett.<br />
Helios<br />
Ich dacht´, der Schelm spielt sonst die Flöte<br />
besser?!<br />
Selene<br />
Was selbst die Schwestern <strong>Phaethon</strong><br />
vorenthielten,<br />
verriet ihm jetzt boshaft die Kreatur,<br />
um durch die Mutter Wohlstand zu erpressen.<br />
Doch dieser Greuel und der Frevel s<strong>ein</strong>er<br />
voll Dreistigkeit hinzugesetzten Lügen,<br />
sehr schnell entlarvt durch <strong>Phaethon</strong>s treue<br />
Schwestern,<br />
vereitelten das schändliche Beginnen.<br />
Doch blieb der Stachel, <strong>ein</strong>es Gottes Sohn<br />
zu s<strong>ein</strong>, und dieser und <strong>ein</strong> schlimm´rer Umstand<br />
bewirkten jäh <strong>ein</strong> forschend-jammernd´ Klagen;<br />
Verzweiflung setzte schließlich <strong>ein</strong>en Plan,<br />
von Echo ihm zudem ins Herz geraten,<br />
und darum steht er hier vor dir zu bitten.<br />
Helios<br />
S<strong>ein</strong> Maß ist ihm gesetzt, ganz gleich, durch wen<br />
-<br />
s<strong>ein</strong> kindlich r<strong>ein</strong>es Herz soll nicht noch länger<br />
um m<strong>ein</strong>etwillen leiden. Lasst ihn kommen!<br />
Hemera<br />
Bedenke, Helios: Er ist nur sterblich!<br />
Helios<br />
(legt den Strahlenkranz ab)<br />
Des Wahnsinns Los erspar´ ich ihm bei Zeiten,<br />
d´rum lasst ihn vor mich treten, wes Verstand´s<br />
er immer sei – ich will ihn m<strong>ein</strong>er würdig<br />
erhalten, denn er ist ja m<strong>ein</strong> geblieben!<br />
(zu Hemera, der gehen will)<br />
Noch Halt! Es bleibe nichts verhüllt, versäumt:<br />
Posaunen lasst für ihn Willkommen blasen,<br />
denn <strong>Phaethon</strong> ist ja auch Klymenes Sohn.<br />
Dreizehnter Auftritt<br />
(Posaunen wie im Vorspiel;<br />
<strong>Phaethon</strong> tritt <strong>ein</strong>, von Hemera geleitet)<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Obgleich die Sterblichen das Heiligste der Götter<br />
zunächst verehren und hernach verachten,<br />
steh´ ich, Klymenes Sohn, voll Ehrfurcht hier<br />
und beuge demutsvoll das Knie vor dir,<br />
m<strong>ein</strong> Vater!<br />
(Er schweigt, sieht aber offenen Auges zu s<strong>ein</strong>em<br />
Vater auf.<br />
Dieser hält zunächst das Schweigen)<br />
Helios<br />
Was Griechenland nicht haben mag,<br />
soll nun gar ich als Opfergabe <strong>ein</strong>er<br />
womöglich stolzen Mutter wiederhaben?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Ich fragte weder Griechen noch die Mutter.<br />
Zu dir empfahl mich Echo, m<strong>ein</strong>e Schwester.<br />
Helios<br />
Weiß sie soviel von mir, dass sie dies durfte?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
M<strong>ein</strong> Herz befahl mir, ihrem Rat zu folgen,<br />
um nicht zu endigen, was noch zu retten!<br />
Und? Hoffst du?<br />
Helios<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Ja! Auf Erden ist <strong>ein</strong> Tag<br />
mir nur noch zugemessen, doch die Götter<br />
vermögen, wenn sie wollen, den Verlust<br />
durch <strong>ein</strong>e List mit eig´nen Mitteln zu<br />
ersetzen.<br />
Helios<br />
Kühn bist du, des Rates würdig!<br />
Was hast du aufzuweisen, dass du so<br />
absonderliche Wünsche mir, statt erst den<br />
Parzen,