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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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Vorspiel<br />

(Der Garten der Klymene im Morgengrauen:<br />

Eos tritt vom Leichnam des <strong>Phaethon</strong> zurück.<br />

Der Autor betritt die Szene, als ob er etwas<br />

suche. Er findet <strong>ein</strong>en zusammengeknoteten<br />

Faden, betrachtet ihn rätselnd, geht zunächst<br />

wieder. Eos tritt erneut hervor und berührt die<br />

Schulter des Toten).<br />

Eos<br />

<strong>Phaethon</strong>!<br />

(Mehrstimmige Musik durch Posaunen, aus der<br />

Ferne hörbar)<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(wie erwachend):<br />

Wer grüßt? – und von woher?<br />

Dort draußen, wo du mich rufst, ist es so<br />

entsetzlich kalt!<br />

(Er versucht, sich mit s<strong>ein</strong>em Gewande<br />

zuzudecken)<br />

Ach, komm doch wieder zurück zur Sonne!<br />

Sende mir doch ihre ersten Strahlen! Eos, die<br />

Morgenröte, berührte mir <strong>ein</strong>st die Stirn, das<br />

Haar – sie tröstete mich in der Kühle des<br />

anbrechenden Tages. Da befiel mich<br />

unauslöschliche Sehnsucht nach dem Licht. Aber<br />

wo bin ich jetzt?<br />

(Der Autor betritt wieder die Szene und nähert<br />

sich dem Daliegenden).<br />

Autor<br />

Verzeihen Sie, <strong>Phaethon</strong>, dass ich Sie in der<br />

Blüte Ihrer Jugend aufschrecke, aber ich komme<br />

aus <strong>ein</strong>em bestimmten Grunde zu Ihnen.<br />

Weswegen, bitte?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Autor<br />

Erinnern Sie sich nicht mehr?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ja, doch! Es war so heiß – Helios – der<br />

Sonnenwagen – der Absturz -: Warum eigentlich<br />

noch?<br />

Autor<br />

Ihr Mythos nennt nur den <strong>ein</strong>en Grund: Sie<br />

wollten sich angeblich profilieren und zeigen,<br />

dass Sie Helios´ Sohn seien.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Deswegen riskiert man doch nicht gleich den<br />

Hals!<br />

Autor<br />

Erzählen Sie das mal den Leuten hinter mir!<br />

Oder war es vielleicht <strong>ein</strong>e Frauengeschichte? So<br />

etwas soll <strong>ein</strong>en ja auch um den Verstand<br />

bringen, hört man.<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Da müsste ich nachdenken. – N<strong>ein</strong>, dazu fällt mir<br />

nichts Passendes <strong>ein</strong>. Denken Sie, m<strong>ein</strong> Vater<br />

hätte mich deswegen losfahren lassen?<br />

Autor<br />

Eifersucht war also nicht im Spiel?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Ich hatte nie Grund, eifersüchtig zu s<strong>ein</strong>.<br />

Autor<br />

Und doch waren Sie verzweifelt.<br />

War ich das?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(abweisend)<br />

Autor<br />

Man stürzt sich doch nicht ins Feuer, wenn man,<br />

als Sohn des Helios, beliebige Auswege<br />

geschenkt bekommen hätte! N<strong>ein</strong>, es muss für<br />

Sie <strong>ein</strong>e Sackgasse gewesen s<strong>ein</strong> – finden Sie<br />

nicht auch?<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Sind Sie Geschichtsschreiber – oder Journalist –<br />

oder Kritiker?<br />

Autor<br />

Bewahre! Ich vertrete nicht die Macht der<br />

öffentlichen M<strong>ein</strong>ung, sondern ich suche die<br />

verbindende Wahrheit<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Sie wagen es also zu denken? - - N<strong>ein</strong>, auch den<br />

Philosophen sollte man nicht trauen!<br />

Autor<br />

Fürchten Sie denn nicht, <strong>ein</strong> falsches Bild in der<br />

Öffentlichkeit zu hinterlassen? Jeder entschuldigt<br />

Sie mit dem bloßen Hinweis auf Ihre Jugend.<br />

Dafür ist mir aber Ihre Entscheidung –<br />

- zu groß?<br />

- zu endgültig!<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

Autor<br />

<strong>Phaethon</strong><br />

(ihn aufmerksam ansehend)<br />

Worin wollen Sie das Endgültige entdeckt<br />

haben?<br />

Autor<br />

Die Unausweichlichkeit Ihrer Lösung machte<br />

mich stutzig:

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