Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe
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weiterspielen, aber außer größeren<br />
Schrecken wird es nichts Neues zu sagen<br />
haben. Ein gutes Theater wird s<strong>ein</strong>er<br />
Generation <strong>ein</strong> kluger, vielleicht sogar<br />
weiser Ratgeber s<strong>ein</strong> können, aber es soll<br />
sich nicht <strong>ein</strong>bilden, deswegen gern<br />
gehört zu werden.<br />
Klotho<br />
Oh teurer Sohn des Helios! D<strong>ein</strong> Faden<br />
geht zu Ende!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Halt´ ihn – noch diese Nacht und diesen<br />
neuen Tag, bis ich das Letzte weiß, das<br />
mir m<strong>ein</strong> Vater zu sagen haben wird.<br />
Einmal möchte ich´s noch wissen, was<br />
ich versäumt habe, dann gib ihn Atropos,<br />
den schwachen Zipfel m<strong>ein</strong>es Lebens!<br />
Atropos<br />
Du rührst auch m<strong>ein</strong> Herz! Wie kommt<br />
das?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Du hast das erstemal zu d<strong>ein</strong>em Opfer<br />
aufgesehen, Atropos, und hast erkannt,<br />
was du tun musstest.<br />
Atropos<br />
(ihm die Wange streichelnd)<br />
Recht hast du, Söhnchen!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Dir, Lachesis, kann ich k<strong>ein</strong>e Träne<br />
abnötigen?<br />
Lachesis<br />
Du hast mich überlistet!<br />
(wegsehend)<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Du gute Seele hättest mich ja doch d´ran<br />
gehindert, nicht wahr?<br />
Lachesis<br />
(sich verstohlen das Auge wischend)<br />
Warum hast du das getan?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
M<strong>ein</strong> Lebensmut gipfelte in der Liebe zu<br />
<strong>ein</strong>er Unbekannten. Das Schweigen<br />
bringt mich um: ich suche sie vergebens!<br />
Selene<br />
Kann das noch lebenswert s<strong>ein</strong>, s<strong>ein</strong><br />
Leben an <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>ziges Wesen zu hängen?<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Du siehst ja: N<strong>ein</strong>!<br />
Selene<br />
<strong>Phaethon</strong>, lass´ das Spotten!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Bei Odä – n<strong>ein</strong>, ich spotte nicht!<br />
Selene<br />
Ich kann dir d<strong>ein</strong>en Edelmut nicht mehr<br />
belohnen, darum gehen wir weiter<br />
(abseits, zu Klotho und Lachesis)<br />
Knüpft doch das Ende s<strong>ein</strong>es Fadens an<br />
<strong>ein</strong> langes, reißt den Rest dann ab, so<br />
kann er leben!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Ob dir die List genügen mag? Ich fürchte<br />
nichts! Und darum,<br />
(er entreißt Lachesis s<strong>ein</strong>en Faden und<br />
reicht ihn, zusammengeknüllt, Selene)<br />
so sag´ ich, lass´ uns erst zum Vater<br />
Helios gehen!<br />
Selene<br />
(zornig)<br />
Gut denn, du störrischer Mensch! Ich<br />
gebe ihn d<strong>ein</strong>er unbekannten Geliebten!<br />
Mag sie zusehen, was sie damit anfängt!<br />
<strong>Phaethon</strong><br />
Du weißt, wo sie wohnt?<br />
(erstaunt)<br />
Selene<br />
Natürlich weiß ich´s! Komm, wir gehen!<br />
Erebos<br />
Du bist des Todes, <strong>Phaethon</strong>!