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Phaethon - ein dramatisches Gedicht - Gerhard Grabbe

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www.grabbe-contacts.conne.net 37<br />

Odä<br />

Du raubst mir m<strong>ein</strong>e Liebe und <strong>ein</strong> neues Leben!<br />

Klymene<br />

Wenn du ihn liebst, so gib ihn auf – noch jetzt –<br />

noch hier!<br />

Odä<br />

Auch wenn ich müsste: Ich kann nicht!<br />

Klymene<br />

Schenk´ mir den Sohn – schenk´ mir auch die<br />

Tränen <strong>ein</strong>er Freundin!<br />

Odä<br />

Du ahnst nicht, was du willst! Du forderst<br />

Treuebruch und unnennbaren Jammer! Mit<br />

welchen Werten wiegst du´s auf?<br />

Klymene<br />

Mit <strong>ein</strong>em menschlich langen Leben m<strong>ein</strong>es<br />

Sohnes, im Arme <strong>ein</strong>er Sterblichen, nichts mehr<br />

– nichts weniger!<br />

Odä<br />

Klymene, weißt du denn immer noch nicht, dass<br />

es unausschöpfliche Dinge gibt, für die <strong>ein</strong><br />

langes Leben zu kurz ist?<br />

Klymene<br />

(jammernd)<br />

Du kennst die Neigungen der Lichtgeborenen zu<br />

gut! Du hast es schon zu weit getrieben, fürchte<br />

ich, so dass er dir nicht mehr entgegen kann!<br />

(Odä senkt schweigend das Haupt)<br />

So ist es schon geschehen? Er war heut´ nacht<br />

bei dir?<br />

(Odä nickt)<br />

So muss er fort von hier. Und du, versprich mir<br />

abzuwarten, bis s<strong>ein</strong>e Glut sich abgekühlt hat! –<br />

Du wirst ihm nicht mehr dorthin folgen?<br />

Odä<br />

(mit den Tränen kämpfend)<br />

Und wenn´s m<strong>ein</strong> Unglück ist: Ich folg´ ihm<br />

dorthin nicht!<br />

Klymene<br />

Hoffst du nicht, er werde, entflammt für dich wie<br />

diese Nacht, auf d<strong>ein</strong>e Umarmung warten, sobald<br />

er zurück ist?<br />

(Odä sieht zur Seite)<br />

Dacht´ ich´s doch! Wie leicht du doch zu erraten<br />

bist! Du könntest in mir sogar Mitleid erregen.<br />

Odä<br />

(ihr Gesicht verbergend)<br />

Ich bin bestimmt, durch <strong>Phaethon</strong> gut zu s<strong>ein</strong>. Du<br />

nimmst mir m<strong>ein</strong>e Seligkeit, du harte Törin –<br />

nichts weniger als dies!<br />

Klymene<br />

- Durch <strong>Phaethon</strong> gut? Das allerdings wusste ich<br />

nicht. Was heißt das? Bist du dadurch anders?<br />

Odä<br />

Du ringst um d<strong>ein</strong>en Sohn und weißt nicht, wer<br />

er ist?<br />

Klymene<br />

Du redest sonderbar. Was m<strong>ein</strong>st du – sag´ es<br />

mir!<br />

(Odä schüttelt das Haupt)<br />

Bin ich´s nicht wert? Ich bin doch s<strong>ein</strong>e Mutter!<br />

Odä<br />

Du wirst die frisch gegrab´ne Quelle frevelnd zu,<br />

Klymene – warum begreifst du das denn nicht?!<br />

Klymene<br />

Weil ich die Welt, die <strong>Phaethon</strong>s Jugend steuert,<br />

mit s<strong>ein</strong>en Augen sehe, nicht mit d<strong>ein</strong>en! Was<br />

dich gleichgültig lassen könnte, dürfte ihn bereits<br />

zerstören, denkst du nicht?<br />

Odä<br />

D<strong>ein</strong> Blick ist menschlich wohl geschärft, aber<br />

d<strong>ein</strong> Herz ist <strong>ein</strong>e Falle.<br />

Klymene<br />

Lass´ uns doch Einigung darin erstreben, dass ich<br />

uns <strong>Phaethon</strong> für geraume Zeit fortschicke.<br />

Kommt er wieder, wie er gegangen, nun, bei<br />

Helios, gehört er s<strong>ein</strong>em Unglück. Sonst aber –<br />

und ich prüfe s<strong>ein</strong> Herz genau! – betrittst du<br />

niemals wieder s<strong>ein</strong>e Lebensnähe!<br />

Odä<br />

Nur so darf ich noch hoffen?<br />

Klymene<br />

Es geht all<strong>ein</strong> zu d<strong>ein</strong>en Lasten, wenn hier etwas<br />

geschieht, was ihn unglücklich machen sollte!<br />

Odä<br />

Dann rede ich noch jetzt mit ihm!<br />

Klymene<br />

Nicht <strong>ein</strong> Wort mehr! Willst du das ganze<br />

verschlimmern? – N<strong>ein</strong>, fürchte nichts: S<strong>ein</strong>e<br />

Schwestern, s<strong>ein</strong> Freund und ich werden uns um<br />

ihn kümmern.<br />

Odä<br />

(im Widerstreit ihrer Gefühle, endlich zu<br />

Klymene)<br />

Die Grenzen sind im Fluss: Alles ist im Wandel<br />

begriffen. Wo nicht, war s<strong>ein</strong> Leben umsonst! –<br />

Du hältst das Lichtgewohnte nicht im Schatten:<br />

Du musst es erst auslöschen!<br />

(Sie wendet sich und geht; auch Klymene geht,<br />

sinnend, zum Hause zurück)

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