BAHN EXTRA ICE: Superzug mit Schattenseiten (Vorschau)

TGV und ICE im Vergleich
Im April 2013 eilt ein TGV Euroduplex auf der Neubaustrecke Stuttgart – Karlsruhe über die
Brücke bei Bauerbach. Auf DB-Gleisen ist der französische Zug zu DB-Konditionen benutzbar,
das heißt, ohne Reservierung
Heiko Focken
Am 13. März 2013 hatten sie sich in Frankfurt
(Main) Hbf mal wieder in Blickweite
zuein ander eingefunden. Links beginnt ein
ICE 3 MF seine Fahrt mit Destination Paris,
rechts ist kurz zuvor ein TGV Euroduplex aus
der Stadt an der Seine eingetroffen. Auf der
Relation Frankfurt – Paris kann man zwischen
beiden Superzügen wählen Sven Klein
In Paris Est ist das Nebeneinander von TGV und 406 (ICE 3 MF) inzwischen alltäglich. Und
wer hat im Vergleich der Paradefahrzeuge die Nase vorn?
Helmut Scheiba
niger direkten Vergleich, man könnte auch sagen,
Wettbewerb. Fragt sich also: Welcher der
beiden Schienenstars hat in dieser freundschaftlichen
Konkurrenz die Nase vorn? Wer
die Fahrzeuge betritt, lernt rasch die unterschiedlichen
„Reisekulturen“ kennen. Der
ICE 3 empfängt den Fahrgast mit vergleichsweise
nüchtern-kühler, uniformer „deutscher“
Sachlichkeit und einem recht straff gepolsterten
Gestühl. Der TGV zeigt die Liebe der
Franzosen zu plüschigem Interieur und mitpflicht
gibt es im DB-Netz nicht. Umgekehrt
muss man dagegen in Frankreich auch im ICE
reservieren, was sonst in Deutschland – mit
Ausnahme der Sprinter-Züge – entfällt.
Weiterhin können die Züge auf beiden Ästen
der POS-Relation rennen: In Deutschland
gelten auf den Neubaustrecken 200 km/h (für
den ICE) oder 250 km/h (für den TGV), in
Frankreich gar 320 km/h! Beiden Fahrzeugen
gemeinsam ist dabei eine überaus hohe Laufkultur.
Ohne den Blick aus dem Fenster fällt
die gefahrene Geschwindigkeit gar nicht auf!
Eine Ironie der deutschen Eisenbahngeschichte
ist dabei, dass der ICE seine höchste
planmäßig gefahrene Geschwindigkeit im
Ausland erreicht. Ungewöhnlich ist das stets
aus deutschen und französischen Mitarbeitern
bestehende Zugteam. Wie selbstverständlich
hat sich der Zugführer des TGV die rote DB-
Armbinde über seine graue Uniform geschoben,
während der deutsche Zugchef den TGV
in Paris so abfertigt, wie es bei der SNCF nun
einmal üblich ist.
Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es auch
wesentliche Unterschiede. Diese beginnen be-
reits bei der Grundkonstruktion der Triebzüge.
Augenfälligste Abweichung ist die Doppelstockbauart
des TGV aus dem Hause Alstom
gegenüber dem einstöckigen Siemens-ICE.
Und während der „TGV Euroduplex“ der
klassischen Philosophie aus Triebköpfen und
antriebslosen Mittelwagen folgt, hat der ICE-
3MF („Mehrsystem-Frankreich“) der DB-Baureihe
406 seine Antriebe über den ganzen Zug
auf acht seiner 16 Drehgestelle verteilt. Bei
ebendiesen Drehgestellen gibt es einen weiteren
elementaren Unterschied: Beim TGV stützen
sich jeweils zwei Mittelwagen auf ein gemeinsames
„Jakobsdrehgestell“, so wie man es
zum Beispiel von Straßenbahnen kennt. Beim
ICE hat dagegen jeder Einzelwagen vorne und
hinten je ein eigenes Drehgestell. Die Einzelwagen
sind beim TGV auch kürzer als die des
ICE: Eine 200 Meter lange ICE-Einheit besteht
aus acht, eine etwa gleichlange TGV-Einheit
aus zehn Segmenten einschließlich der
Triebköpfe.
Beide Fahrzeuge überzeugen durch Laufkultur:
Ohne Blick nach draußen fällt das Tempo nicht auf
Welcher Zug kann was?
Doch genug der Gegenüberstellung. Denn
bei aller Kooperation von DB und SNCF stehen
hier ICE 3 und TGV im mehr oder we-
BAHN EXTRA 4/2013
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