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Dokumentation zur Fachtagung – Ältere Menschen mit ...

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in der deutschen Bevölkerung, da Altenheime<br />

in den jeweiligen Herkunftsländern oft nicht den<br />

besten Ruf genießen.<br />

Okken et al. haben auf der Grundlage von Pflegebegutachtungen<br />

des MDK-WL im Zeitraum<br />

Januar 2001 bis August 2005 einige Daten <strong>zur</strong><br />

Inanspruchnahme von Hilfe <strong>zur</strong> Pflege unter türkischen<br />

Migrantinnen und Migranten veröffentlicht.<br />

Eine Auswahl nach Staatsangehörigkeit<br />

ließ sich nicht vornehmen. Ausgewertet wurden<br />

die Begutachtungen, die bei Antragstellern <strong>mit</strong><br />

einem türkischen Namen durchgeführt wurden.<br />

Bei nicht-türkischen Antragstellern lag der Anteil<br />

der <strong>Menschen</strong>, die vollstationäre Pflegeleistungen<br />

beantragt hatten, bei 25%. Das heißt, 75%<br />

der nicht-türkischen Antragsteller werden zu<br />

Hause, teilweise flankiert von Sachleistungen<br />

eines Pflegedienstes, betreut.<br />

Bei türkischen Antragstellern wiederum lag der<br />

Anteil derjenigen, die vollstationäre Pflege beantragt<br />

hatten, lediglich bei 3%. Auch der Anteil<br />

der Antragsteller, der ausschließlich Geldleistungen<br />

aus der Pflegeversicherung beantragt<br />

hatten, lag erheblich höher. 92% der türkischen<br />

Antragsteller im Vergleich zu 47% der nichttürkischen<br />

Antragsteller haben die reine Geldleistung<br />

beantragt. Das heißt, wir können davon<br />

ausgehen, dass pflegebedürftige <strong>Menschen</strong><br />

türkischer Herkunft zum allergrößten Teil,<br />

nämlich zu mehr als 90%, ausschließlich von<br />

Angehörigen gepflegt werden.<br />

Diese Zahlen belegen uns, dass in türkischen<br />

Familien die Pflege primär als familiäre Aufgabe<br />

wahrgenommen wird. Angehörige stellen sich<br />

die Frage, ob sie pflegen wollen oder sollen,<br />

häufig gar nicht. Sie übernehmen diese Aufgabe<br />

in der Regel ganz selbstverständlich, ohne<br />

private oder berufliche Konsequenzen, die sich<br />

aus der Langfristigkeit der Aufgabe ergeben<br />

können, zu überschauen. Für die nahe Zukunft<br />

werden sich jedoch die Angehörigen aus der<br />

zweiten oder dritten Generation der Migrantenfamilien<br />

genau wie die deutschen Familien <strong>mit</strong><br />

dem Problem auseinandersetzen müssen, dass<br />

Pflege innerhalb der Familie, so wünschenswert<br />

es für die Betroffenen auch wäre, nicht immer<br />

zu gewährleisten ist. Die berufliche Inanspruchnahme<br />

in der zweiten Migrantengeneration ist<br />

kaum anders als in deutschen Familien. Die<br />

Vereinbarkeit der verschiedenen Rollen im Beruf,<br />

in der Familie <strong>mit</strong> eigenen Kindern und der<br />

Herkunftsfamilie wird nicht einfacher.<br />

Insofern kann bei <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Migrationshintergrund<br />

die Pflege nicht als alleinige Aufgabe<br />

der Angehörigen gesehen werden. Auch wenn<br />

die wenigen verfügbaren Zahlen derzeit noch<br />

dafür sprechen, dass die Pflege in türkischen<br />

Familien vorwiegend durch die Familie gewährleistet<br />

ist, wird es für die Zukunft nicht so<br />

bleiben. Wir werden bald angesichts der demographischen<br />

Konstellation der Migranten einen<br />

hohen Anteil älterer und da<strong>mit</strong> potenziell pflegebedürftiger<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Migrationshintergrund<br />

haben. Wir alle haben keine Erfahrung <strong>mit</strong> einer<br />

Kultur des Älter werdens, in Deutschland genau<br />

so wenig wie in anderen europäischen Ländern.<br />

Wir müssen gemeinsam <strong>mit</strong> Migranten,<br />

<strong>mit</strong> ihren Organisationen Konzepte entwickeln,<br />

ältere, pflegebedürftige <strong>Menschen</strong> zu betreuen,<br />

innerhalb und ggf. auch außerhalb der Familie,<br />

die an die Lebenswelt der Betroffenen anknüpfen.<br />

Wir können nicht warten, dass Migranten<br />

auf das deutsche Altenhilfesystem zugehen und<br />

sich dort Beratung und Unterstützung abholen.<br />

Wir müssen auf die Migrantenorganisationen<br />

zugehen.<br />

Bei den <strong>Menschen</strong>, die ursprünglich aus anderen<br />

Ländern gekommen sind, steigt der Anteil<br />

der Älteren noch stärker an als bei der deutschen<br />

Bevölkerung. So ist von 1995 bis 2003<br />

die Zahl der Ausländer über 60 Jahre von ca.<br />

427.700 Personen auf ca. 757.900 Personen<br />

gestiegen, das bedeutet ein Wachstum dieser<br />

Altersgruppe in 8 Jahren um 77 Prozent.<br />

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