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Download - Martina Steinkühler

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erweisen. Deswegen lässt er die Pharisäer*, eine zur Zeit Jesu hoch angesehene Volksgruppe in<br />

Israel, als Gegner Jesu noch schlechter aussehen als die anderen Evangelisten und schiebt die<br />

Hauptschuld an Jesu Verurteilung Vertretern der jüdischen Ober- schicht und des Klerus zu, während<br />

der römische Statthalter Pontius Pilatus weitgehend entlastet wird, was kaum den tatsächlichen<br />

Entscheidungsbefugnissen entsprochen haben dürfte. Doch Matthäus lässt Pilatus vor dem Volk<br />

seine Hände mit den Worten waschen „Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten“ (Mt 27, 24).<br />

Aus dem Munde eines römischen Statthalters ist solch ein Bekenntnis schwer vorstellbar.<br />

Auch die drei anderen Evangelisten geben der Darstellung der Geschichte Jesu ihre persönliche<br />

Prägung. Während Lukas Jesu Engagement für die Armen und Benachteiligten in der religiösen<br />

Leistungsgesellschaft des Judentums jener Zeit in den Vordergrund stellt (vgl. S. 24), geht es<br />

Markus vor allem um den vergeblichen Versuch, Jesus zu dessen Lebzeiten als Messias für alle<br />

nicht Eingeweihten geheim zu halten. Das Johannesevangelium wiederum zeigt sich von der<br />

Gnosis* beeinflusst.<br />

Abgesehen von ihren theologischen Eigenheiten weisen die drei ersten Evangelien große<br />

Übereinstimmungen in ihrem Aufbau und ihrer Anlage auf. Eine davon erheblich abweichende<br />

Darstellung bietet das Johannesevangelium. Es überliefert von Jesus nicht nur wie die drei<br />

anderen kurze Aussprüche und Gleichnisse, sondern lässt Jesus lange Reden in einer völlig<br />

andersartigen Diktion halten und die bekannten „Ich bin“-Worte sprechen. Außerdem kommt<br />

Jesus hier nicht nur einmal nach Jerusalem, sondern wechselt wiederholt zwischen Galiläa und<br />

Jerusalem hin und her. Dadurch dehnt sich die Zeit seines Wirkens von einigen Monaten in den<br />

ersten drei Evangelien auf drei Jahre aus. Neben vereinzelten Übereinstimmungen weist das<br />

Johannesevangelium nur in der Passionsgeschichte eine größere Gemeinsamkeit mit den drei<br />

anderen auf. Das reicht nicht aus, um die Unvereinbarkeit des Johannesevangeliums mit den<br />

anderen ignorieren zu können. Diese Erkenntnis führt zwangsläufig zu der Frage nach der<br />

historischen Zuverlässigkeit der evangelischen Überlieferung. Denn entweder ist die Geschichte<br />

Jesu so abgelaufen und hat Jesus so geredet wie bei Johannes oder wie bei den anderen drei<br />

Evangelisten. Beides zugleich ist nicht möglich. Ohne das hier näher begründen zu können, darf<br />

man davon ausgehen, dass die drei ersten Evangelien der Historie weitaus näher stehen als das<br />

später entstandene Johannesevangelium. Dass ihr Verfasser weniger Interesse an den<br />

historischen Abläufen und Verhältnissen zeigt, offenbar aber auch weniger Kenntnisse darüber<br />

besitzt, spricht zudem gegen den Jünger Johannes als Verfasser dieses Evangeliums, besagt<br />

allerdings nichts über dessen theologischen Wert, der unter anderen Gesichtspunkten zu<br />

beurteilen ist als dem der historischen Faktizität.<br />

Zur Zeit der Kanonbildung genossen alle vier Evangelien ein zu großes, allerdings jeweils regional<br />

begrenztes Ansehen, als dass man sich auf ein einziges als kanonisch hätte einigen können.<br />

Immerhin konnte man die Anzahl auf vier begrenzen, obwohl es noch weitere, wenn auch<br />

deutlich später verfasste Evangelien gegeben hat, z. B. neben dem bereits erwähnten<br />

Petrusevangelium* das Thomasevangelium*. Bei allen späteren Evangelien ist eine starke<br />

Tendenz zur Ausschmückung der Geschichte Jesu erkennbar. Ausgestaltet werden zum einen die<br />

in den kanonischen Evangelien fehlenden oder nur spärlich vertretenen Kindheits- und<br />

Jugendgeschichten Jesu, zum anderen der Auferstehungsvorgang.<br />

Die drei synoptischen Evangelien<br />

Da ( … ) die Evangelien nicht nur im Inhalt und Aufbau, sondern über weite Strecken auch im<br />

Wortlaut weitgehende Übereinstimmungen aufweisen, stellt sich unabweisbar die Frage nach<br />

ihrer entstehungsgeschichtlichen Beziehung. Die Übersicht über das Ausmaß an<br />

Übereinstimmungen wird erheblich erleichtert, wenn man die entsprechenden Passagen der drei

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