Download - Martina Steinkühler
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Weisheitsgeschichten<br />
Und dann ist da noch die Weisheitsliteratur. Sie ist erzähltes Nachdenken über Gott und die Welt,<br />
Gut und Böse, Gerechtigkeit und Gnade. Von König Salomo wird erzählt, dass Gott ihm einen<br />
Wunsch gewährte und Salomo sich Weisheit erbat. Von Salomo dem Weisen erzählt man sich u.a.<br />
die Geschichte von zwei Frauen, die sich um ein Kind stritten (1 Kön 3,16–28). Der<br />
Weisheitsliteratur gehören das Buch Hiob und das kleine Prophetenbuch Jona zu. Das Buch Hiob<br />
entfaltet erzählerisch die Frage, ob es Guten immer gut geht bzw. ob Leiden eine Strafe Gottes sei,<br />
und das Jona-Buch ist ein erzählender Hymnus auf Gottes kreative Geduld.<br />
Für den, der heute von Hiob oder Jona erzählt, heißt es: Er erzählt von fantasievoll konstruierten<br />
Wechselfällen und sorgsam gestalteten Figuren, an denen Grundsätzliches deutlich wird. Ebenso<br />
wenig wie im Mythos erzählt er tatsächliche Begebenheiten.<br />
Die Evangelien<br />
Um von Jesus zu erzählen, erfanden die frühen Christen eigens eine neue Gattung: die<br />
Evangelien. Erzählt wie eine Biografie, sind sie zugleich und vor allem Bekenntnis und Predigt.<br />
Von dem Menschen Jesus, der in Israel gelebt, gepredigt und geheilt hat, der verurteilt und<br />
gekreuzigt wurde, können sie nicht erzählen, ohne ihn zugleich als Messias und Gottessohn zu<br />
deuten und verkündigen (vgl. Teil B).<br />
Für den, der heute von Jesus erzählt, bedeutet das: Er erzählt „von rückwärts“. Er kennt den<br />
Ausgang der Geschichte und seinen eigenen Standpunkt – für ihn ist Jesus lebendig – und so<br />
erzählt er zwar vom Menschen Jesus, aber immer auch das Besondere an ihm. Wie die<br />
Menschen damals über Jesus staunten und Anstoß nahmen, so staunen auch die Leser heute:<br />
Was sollen wir nun glauben, wer er ist?<br />
Vier Evangelien<br />
Für den, der heute von Jesus erzählt, ist es wichtig zu wissen, dass er aus vier Versionen wählen<br />
kann, die in unterschiedlicher Absicht und Haltung verfasst worden sind. Ganz grob kann man<br />
unterscheiden:<br />
Das Markus-Evangelium ist das älteste und kürzeste; es setzt mit Jesu Taufe ein und endet<br />
(ursprünglich) mit der Flucht der Frauen vom leeren Grab. Markus erzählt vom Menschen Jesus,<br />
der immer deutlicher seine Aufgabe erkennt. Aus seiner Messianität macht er ein Geheimnis, das<br />
erst nach seinem Tod aufgedeckt wird.<br />
Das Matthäus-Evangelium ist etwas jünger. Es ist in der Absicht verfasst, Jesus als den in den<br />
alten Schriften vorausgesagten Messias kenntlich zu machen, ja: zu beweisen. Es setzt mit einem<br />
Stammbaum ein, der von Abraham über David bis zu Josef, dem Vater Jesu reicht. Die<br />
Weihnachtsgeschichte des Matthäus stellt Josef in den Vordergrund. Weder Bethlehem noch Stall<br />
noch Hirten kommen vor – jedoch die Weisen aus dem Morgenland, Herodes und die Flucht der<br />
jungen Familie nach Ägypten.<br />
Das Lukas-Evangelium wendet sich an die griechisch-römische Welt und zeigt ihr Jesus als ihren<br />
Heiland und Erlöser. In seinem Auftreten ist Jesus sicher und sanft; Frauen, Kinder, Sünder,<br />
Aussätzige – sie alle finden bei ihm Nähe und Gehör. Das Lukas-Evangelium beginnt mit einer<br />
doppelten Engel-Botschaft: Gabriel verkündigt dem Priester Zacharias die Geburt Johannes des<br />
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