Download - Martina Steinkühler
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Wem welche Geschichte erzählt wird<br />
Ein Gespräch zwischen der alten Bessie, die Patchworkdecken näht, einem alten Priester (Padre)<br />
und der zwölfjährigen Zoe, die gerade erst zugezogen ist und erste Bekanntschaften schließt (Clay<br />
Carmichael, Zoe © Carl Hanser Verlag München 2011):<br />
Bessie sah mich an. „Der Padre kommt mit seiner Predigt nicht voran.“ „Sind Sie Prediger?“,<br />
fragte ich ihn. „Offenbar nicht“, antwortete er. „Jedenfalls kein guter.“ „Die Gemeinde beschwert<br />
sich, er würde jeden Sonntag dasselbe predigen“, erklärte Bessie. „Und im Grunde haben sie ja<br />
recht“, sagte der alte Mann heiter.<br />
„Sie sagen jede Woche dasselbe?“, fragte ich. „So ziemlich.“ Bessie stach ihre Nadel wieder in die<br />
Decke. „Ich sage ihm immer, er soll nicht damit aufhören, bis sie auf ihn hören.“<br />
( … ) „Und was ist es, was Sie jeden Sonntag sagen?“, wollte ich wissen. „Dass wir Gott lieben<br />
sollen und einander“, antwortete der Padre ganz sachlich. „Darum dreht sich alles.“ Ich fand,<br />
dass seine Botschaft viel für sich hatte. ( … ) „Vielleicht“, schlug ich vor, „liegt es daran, wie Sie<br />
es sagen.“<br />
Immer dasselbe – ja, diese Botschaft hat tatsächlich viel für sich: Gott lieben und den Nächsten<br />
wie sich selbst. Jesus hat nichts anderes gesagt. Und auch wenn es bei mir ein wenig anders<br />
klingt: Gott sucht, Gott stört, Gott bleibt ein Geheimnis – so läuft das auf Ähnliches hinaus.<br />
Immer dasselbe – und doch immer anders. Jesus hat bald vom Samaritaner, bald vom verlorenen<br />
Sohn, bald von den vergrabenen Funden erzählt – immer wieder dasselbe und doch immer<br />
wieder anders. Und du und Sie – einmal wird von Abraham erzählt, ein anderes Mal von Mose,<br />
von Jesu Bergpredigt oder wie er ein Kind in die Mitte stellte. Liebt Gott und liebt einander.<br />
Dabei geht es freilich nicht nur darum, die Leute durch Abwechslung geschickt zu unterhalten. Es<br />
geht auch darum, dass die einfache Wahrheit viele Facetten hat. Und dass jeder Hörer anders<br />
hört – ein reicher Mann anders als ein armer, ein junger anders als ein alter, eine Frau anders als<br />
ein Mann.<br />
Heute sprechen wir von Zielgruppen und von Milieus. Ich erzähle eine Geschichte nicht um der<br />
Geschichte willen (und wenn sie mir noch so gut gefällt), sondern um der Hörer willen. „Was dem<br />
Leben dient“ heißt ganz konkret: „Was denen, die es hören, leben hilft“.<br />
Bevor ich eine Bibelgeschichte aussuche und bevor ich mich dann entscheide, wie ich sie erzähle,<br />
mache ich mir klar, wem ich sie erzähle. Und ich frage mich: Was müssen meine Hörer hören?<br />
Wenn ich die Gruppe gut kenne, ist es leicht. Wenn ich nur die Altersangabe habe – nun, dann<br />
halte ich mich an sie. Ich habe mir ein einfaches Schema zurechtgemacht, das sich aus<br />
verschiedenen empirischen Studien und Setzungen der Entwicklungspsychologie speist.<br />
Zielgruppen<br />
Kinder suchen Geborgenheit und haben zugleich Sehnsucht. Sie können staunen – sie suchen<br />
einen großen Freund. Beziehungsgeschichten sind wichtig, Geschichten von Verlässlichkeit und<br />
Vertrauen. Und wie sich Gegebenheiten verwandeln wandeln können: schwach in stark, stark in<br />
schwach, klein in groß, ängstlich in mutig.<br />
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