Download - Martina Steinkühler
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Bogen, einen Bogen aus allen Farben der Sonne. Wie er schillerte. Ein Versprechen. „Und er wird<br />
uns weiter beschützen“, sagte er. „Komm, Sem, bauen wir einen Altar.“<br />
Wie zum Beispiel …<br />
Manche Geschichten sind schon so oft missverständlich erzählt worden, dass es kaum noch<br />
anders zu gehen scheint. Paradebeispiele hierfür sind die Sintflut, die Weihnachtsgeschichte,<br />
Jona und die Paradiesgeschichte, aber auch in weniger auffälliger Weise führt das gewohnte<br />
Erzählen häufig auf Abwege.<br />
Die Sintflutgeschichte (Gen 5 bis 9)<br />
Was haben wir? Der Bibeltext erzählt, dass Gott enttäuscht war von seiner Schöpfung,<br />
insbesondere von seinen Lieblingsgeschöpfen, den Menschen. Was genau ihn so sehr enttäuschte,<br />
steht da nicht – wird aber gern interpretiert: Die Menschen „stritten sich“ immer, erzählt man<br />
den Kindern. Die Menschen „beuteten die Natur aus“, erzählt man den Älteren. Im Kontext der<br />
biblischen Urgeschichte ist bereits Folgendes geschehen: Die Menschen haben sich von Gott<br />
entfernt, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen (Paradiesgeschichte, s.u.), sie haben sich<br />
gegeneinander gewandt (Kain und Abel) und einander aus Missgunst Gewalt angetan. Es gibt<br />
Opfer.<br />
Der Bibeltext erzählt von einer Flutkatastrophe – das ist ein mythisches Motiv: Götter schicken<br />
Wassermassen, um die „lästigen“ Menschen loszuwerden. Damit erzählten Menschen von einer<br />
bestürzenden Grunderfahrung: Katastrophen bedrohen das Überleben; der Mensch ist machtlos,<br />
der Fortbestand des Lebens nicht gesichert. Da ist es ein Trost: Diese Unsicherheit bedeutet nicht<br />
das absolute Nichts. Sondern hier ist der Wille höherer Mächte am Werk.<br />
Der Bibeltext erzählt weiter von Noah, einem Menschen, der Gott „recht“ war. Noah hat sich die<br />
Nähe zu Gott bewahrt. Er kann ihn „hören“. Und er hört, wie er sich retten kann. Er baut eine<br />
Arche und überlebt die Katastrophe zusammen mit seiner Familie und mit den Tieren.<br />
Der Bibeltext erzählt weiter, dass Gott der Katastrophe Einhalt gebot, weil es ihm leid tat, seine<br />
Schöpfung zerstört zu sehen. Dass Gott an Noah dachte und ihm den Weg aus der Arche in ein<br />
neues Leben eröffnete. Und nun: dass er die Enttäuschung über seine Geschöpfe überwand und<br />
erklärte, sie so, wie sie nun einmal seien, lieben und annehmen zu können.<br />
Wie Eltern sich damit abfinden, dass ihre Kinder sich selbstständig machen und anders leben, als<br />
sich die Eltern das je ausgemalt haben, so wird es hier von Gott erzählt: Ja, er sagt „ja“ zu uns.<br />
Zeichen dafür: der Regenbogen!<br />
Es ist wichtig, sich diese Elemente der Geschichte zunächst einzeln anzuschauen. Denn das<br />
Missverständnis entsteht aus der Zusammenschau. Die theologische Setzung – Gott ist einer und<br />
Gott ist allmächtig – führt zu der paradoxen Annahme, dass Gott sowohl die Flut schickt als auch<br />
vor ihr rettet. Und weil Menschen gern kausal denken, wird daraus ein einfaches Schuld-Strafe-<br />
Schema: Die Flut ist eine Strafe für die Bosheit der Menschen. Die Rettung ist Lohn für den einen<br />
Guten. Am Ende sind – die Bösen tot und die Guten leben weiter?? – Nein, ausdrücklich: Das ist<br />
falsch! Dagegen spricht, was am Ende von Gott erzählt wird: Er findet sich ab mit der<br />
Selbstständigkeit des Menschen und dem Risiko, dass der Mensch seine Freiheit missbraucht.<br />
Und der eine Gute – Noah – ist am Ende doch ein Mensch wie alle Menschen auch, ein wenig gut,<br />
ein wenig böse, eigenverantwortlich im Guten wie im Bösen.<br />
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