Download - Martina Steinkühler
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Bezeichnung Beispiel (2Sam 12,7-15)<br />
Botenformel<br />
Anklage<br />
Strafandrohung<br />
Abb. 10: Schema des Botenspruchs<br />
„So spricht der Herr.“<br />
„Uria hast du mit dem Schwert<br />
erschlagen und ihm die Frau<br />
weggenommen.“<br />
„Weil du den Herrn durch dies dein Tun<br />
verhöhnt hast, so muss der Sohn, der dir<br />
geboren ist, sterben!“<br />
Die Androhung der Strafe stellt ihren Vollzug für die Zukunft in Aussicht. Dieser Zukunftsbezug<br />
der Strafandrohung, die nichts weiter als die logische Konsequenz der Anklage darstellt, hat im<br />
heutigen Sprachgebrauch zu der Bedeutung von Prophet als Hellseher oder Wahrsager geführt.<br />
Nathan bezichtigt David nicht irgendeiner beliebigen Straftat, sondern des Verstoßes gegen das<br />
Gesetz Gottes und d. h. des Vertragsbruches. Der Bund mit Gott ist der Bezugspunkt, an dem die<br />
Propheten sich orientieren. Um vorherzusehen, dass ein Vertragsbruch von dem Vertragspartner<br />
nicht einfach hingenommen wird, sondern Sanktionen zur Folge hat, bedarf es nicht besonderer<br />
Hellsichtigkeit, wohl aber Mutes, wenn man dies einem König ins Gesicht sagt. Da jedoch Gott<br />
den Bund nicht nur mit den Königen, sondern mit dem gesamten Volk geschlossen hat, konnten<br />
nicht nur sie gegen die Bundesbestimmungen verstoßen, sondern auch das Volk als Ganzes. So<br />
lag es in der Logik ihres Auftrags, wenn sich die Propheten im Laufe der Zeit nicht allein für die<br />
Könige zuständig fühlten. Mehr und mehr beklagten sie gesellschaftliche Missstände, die auf die<br />
Missachtung von Gottes Gesetzen zurückzuführen waren.<br />
6 So spricht der Herr: Wegen der drei Freveltaten Israels, wegen der vier nehme ich es nicht zurück: weil sie den<br />
Unschuldigen um Geld verkaufen und den Armen wegen eines Paars Schuhe. 7 Sie treten in den Staub das Haupt<br />
der Geringen und drängen die Elenden beiseite. Sohn und Vater gehen zur Dirne, meinen heiligen Namen zu<br />
entweihen. 8 Sie strecken sich auf gepfändeten Kleidern neben jedem Altar und trinken den Wein der Gebüßten<br />
im Haus ihres Gottes. (Am 2, 6-8)<br />
Die Anklagen, die Amos hier erhebt, klingen erschreckend modern. Im Übrigen dürfte der<br />
wirtschaftlich erfolgreiche Vieh- und Maulbeerfeigenzüchter Amos aus Juda ebenso wenig wie<br />
Jeremia aus eigenem Antrieb das Prophetenamt übernommen haben und ins Nordreich Israel<br />
gegangen sein, um den Menschen dort das drohende Unheil zu verkünden. Über sein weiteres<br />
Schicksal ist nach seiner Ausweisung aus der Hauptstadt Samaria nichts mehr bekannt, was<br />
nichts Gutes ahnen lässt.<br />
Indem die Propheten den Bund zwischen Gott und dem Volk Israel mit den darin enthaltenen<br />
Bundesbestimmungen zum Maßstab ihrer Verkündigung machen, folgen sie dem Schema von<br />
Verheißung und Erfüllung. Das führt dazu, dass sie in Zeiten, in denen die Israeliten weit entfernt<br />
von der Erfüllung sind, auch gelegentlich in die Rolle von Mutmachern schlüpfen können.<br />
Während sie, so könnte man sagen, in guten Zeiten auf die Erfüllung (der Gesetze) drängen und<br />
vor den Folgen der Nichter- füllung warnen, erinnern sie die Israeliten in schlechten Zeiten an<br />
Gottes Verheißung gegenüber seinem Volk, an der er trotz dessen permanente Vertragsbrüche<br />
festhält. So spendet etwa Jeremia nach der Katastrophe von 586 v. Chr. Jerusalem Trost:<br />
18 So spricht der Herr: Siehe, ich werde das Geschick der Zelte Jakobs wenden und seiner Wohnstätten mich<br />
erbarmen. Die Stadt soll neu gebaut werden auf ihrem Schutthügel, und die Burg soll wieder auf ihrem Platze<br />
stehen, 19 und Loblieder und Freudengesänge werden von dort erschallen. (Jer 30, 18-19a)<br />
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