Download - Martina Steinkühler
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T12 „Religiös“ als Fremdsprache<br />
Von Religion als Fremdsprache sprechen wir neuerdings oft. Davon, dass die<br />
Menschen im Alltag die Sprache der Kirche kaum noch verstehen, geschweige<br />
denn, dass ihre Kinder das können. Axel Wiemer spricht in einer Einführung in<br />
die Theologie für Lehramtsanwärter von religiösem Vokabular und religiöser<br />
Grammatik; jeder angehende Theologe lege sich im Diskurs mit der Bibel und der<br />
Tradition einen eigenen religiösen Dialekt zu. 12<br />
Eine Sprache besteht zum einen aus Wörtern, also dem Vokabular, zum anderen aus Regeln, nach<br />
denen diese Wörter zu Sätzen zusammengesetzt werden können, also der Grammatik. Beides ist<br />
in der Theologie nicht einfach so wie in anderen Sprachen. Einige Wörter, die in der Sprache<br />
Theologie sehr wichtig, ja zentral sind, gibt es z.B in der Sprache Biologie überhaupt nicht.<br />
Nehmen wir das Wort „Gott“: Das ist exklusives Sondervokabular der Theologie gegenüber der<br />
Biologie. Oder nehmen wir das Wort „Sünde“; es ist als offenbar wertender Begriff nicht<br />
naturwissenschaftlich zu fassen. Aber natürlich gibt es auch Wörter, die in beide „Sprachen“<br />
gehören. Dabei müssen wir beachten, dass sie oft nur scheinbar gleich sind ( … ): Das Wort<br />
„Mensch“ ist ein Wort, das in beiden Sprachen, in der Biologie und in der Theologie, eine zentrale<br />
Stellung haben kann. Aber es ist doch etwas völlig anderes, was die Biologie über den Menschen<br />
sagt und was die Theologie über ihn weiß. Das liegt einfach daran, dass das gleiche Wort hier in<br />
ganz verschiedene Sprachen eingepasst ist.<br />
So viel zu den Worten. Nun zur Grammatik: Schauen wir uns die drei Wörter einmal an und<br />
fragen wir uns, wie sie sich in der Theologie miteinander kombinieren lassen. Grob gesagt<br />
kommen die Bibel und die theologische Tradition in der Regel zu diesem Schluss: Das Wort<br />
„Gott“ und das Wort „Sünde“ können nicht miteinander verbunden werden, jedenfalls nicht ohne<br />
Einbeziehung einer Negation. Das Wort „Mensch“ aber kann gut mit dem Wort „Gott“ verbunden<br />
werden. Andererseits lasst es sich auch mit dem Wort „Sünde“ verbinden. Wie kann aber das<br />
Wort „Mensch“ und das Wort „Gott“ miteinander verbunden werden, wenn doch der „Mensch“<br />
eine gewisse Affinität zur „Sünde“ hat, „Gott“ aber gegen sie steht? Mit dieser einfachen (?) Frage<br />
zur Grammatik der Sprache Theologie sind wir schon auf dem Weg in ihr innerstes Geheimnis,<br />
das wiederum mit anderen Worten zusammenhängt: „Liebe“, „Gnade“, „Verheißung“, „Sohn<br />
Gottes“, „Menschwerdung“, „Kreuz“ und Auferstehung“, „Taufe“, „Glaube“, „Rechtfertigung“,<br />
„Versöhnung“, „Heiligung“ usw.<br />
12 Axel Wiemer, Gott ist kein Pinguin, Göttingen 2011,7f.<br />
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