Download - Martina Steinkühler
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Bilden die Evangelien den Kern des Neuen Testaments, so die fünf Bücher Mose, die Thora, den<br />
des Alten. Die Thora stellt die Grundlage für die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk dar.<br />
Ihre herausgehobene Stellung im Kanon der jüdischen Bibel wird bis auf den heutigen Tag<br />
dadurch unterstrichen, dass sich am Sabbat die männlichen Mitglieder einer jüdischen Gemeinde<br />
in der Synagoge versammeln, um gemeinsam Abschnitte daraus zu lesen.<br />
Überlieferungsgeschichtlich erweist sich die Thora als ein recht komplizierter Text, der aus drei<br />
zu verschiedenen Zeiten entstandenen und ursprünglich getrennt überlieferten Quellenschriften<br />
in späterer Zeit zusammengefasst worden ist. ( … )<br />
Der Bund Gottes mit seinem Volk<br />
Im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. errichteten die Hethiter ein mächtiges Reich in Kleinasien. Bei<br />
Ausgrabungen in ihrer ehemaligen Hauptstadt Hattuša fand man zahlreiche beschriftete<br />
Tontafeln, u. a. auch solche, die sogenannte Vasallenverträge enthielten, die der hethitische<br />
Großkönig mit kleineren umliegenden Königreichen schloss. Darin verpflichtete er sich, den<br />
Vasallen (= Gefolgsleuten) Schutz gegen mögliche Angriffe zu gewähren. Dafür mussten die<br />
Vasallen dem Großkönig Gehorsam geloben und bestimmte Leistungen erbringen, z. B. Abgaben<br />
entrichten oder Soldaten stellen. Somit nutzte der Vertrag beiden Seiten. Die Hethiter ersparten<br />
sich eine verlustreiche Eroberung und kostspielige Besatzung, während die Kleinstaaten Schutz<br />
genossen und eine relative Selbständigkeit behielten.<br />
Das Vertragsformular umfasst folgende vier Teile:<br />
I. Formelhafte Vorstellung des Stifters des Bundes in der Er-Form: „So spricht [Name des jeweiligen<br />
hethitischen Königs], der Großkönig, der König der Hethiter.“<br />
II. Aufzählung in der Ich-Form aller bisherigen Wohltaten des Großkönigs gegenüber dem Vasallenvolk;<br />
III. Auflistung der einzelnen Bundesbestimmungen;<br />
IV. Fluchandrohungen für den Fall des Vertragsbruches und Segensverheißungen bei Einhaltung des Vertrags.<br />
Der Bund wurde von beiden Parteien beeidigt und je ein Exemplar der Tontafeln mit der<br />
Bundesurkunde im Hauptheiligtum des Bundespartners niedergelegt. Einmal im Jahr mussten<br />
die Priester die Bundesurkunde dem am Heiligtum versammelten Vasallenvolk vorlesen und ihm<br />
das Einhalten der Bestimmungen einschärfen.<br />
Wenn man Anlage und Inhalt dieses Vertragsformulars mit den entsprechenden Stellen im Alten<br />
Testament vergleicht, drängt sich der Verdacht auf, dass der Bundesschluss am Sinai zwischen<br />
Gott und dem Volk Israel bzw. einem seiner Stämme nach dem Muster der hethitischen<br />
Vasallenverträge gestaltet worden ist, wobei selbstverständlich Gott die Rolle des Großkönigs<br />
einnimmt und Israel die des Vasallen. Zwar folgen hier die vier Teile des Vertrages nicht<br />
unmittelbar auf einander, lassen sich aber aus den Büchern 2. Mose bis Josua leicht<br />
zusammenstellen:<br />
Josua versammelte alle Stämme Israels zu Sichem und berief die Ältesten Israels, seine Häupter, Richter und<br />
Amtleute. Und als sie vor Gott getreten waren, sprach Josua zu dem ganzen Volk: So spricht der Herr, der Gott<br />
Israels: (Jos 24,1-2a)<br />
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten, aus dem Sklavenhause, herausgeführt hat;<br />
du sollst keine anderen Götter neben mir haben.<br />
Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild, weder dessen, was oben im Himmel, noch dessen, was in<br />
den Wassern unter der Erde ist; du sollst sie nicht anbeten und ihnen nicht dienen; [...]<br />
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft<br />
lassen, der seinen Namen missbraucht.<br />
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