Download - Martina Steinkühler
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Die Bibelwissenschaft muss nicht jedes Mal miterzählt werden, wenn eine Bibelgeschichte erzählt<br />
wird. Sie gehört aber in den Hinterkopf. Damit wir ballastfrei erzählen.<br />
Die Urgeschichte (Genesis 1 bis 11)<br />
Von der Erschaffung der Welt und des Menschen, vom Paradies und seinem Verlust, von den<br />
ersten Menschen, dem ersten Mord, der großen Flut, der ersten großen Stadt wird in den ersten<br />
Kapiteln der Bibel erzählt. Es wird mythisch erzählt.<br />
Mythen bewahren zeitlose Weisheit und verwandeln sie in Geschichten. Mythen sind niemals so<br />
geschehen und doch immer wahr. Um das zu verstehen, muss man auf ihren Kern schauen.<br />
Mythen erzählen, wie die Welt ist und wie der Mensch ist, und warum die Welt und der Mensch<br />
so sind, wie sie sind. Mythen begründen dies mit dem Wirken und Willen übermenschlicher,<br />
göttlicher Macht.<br />
Mythen fanden die Vorfahren Israels vor, als sie begannen, eigene Erfahrungen mit dem<br />
Übermenschlichen zu machen. Und sie stellten fest, dass ihre Gotteserfahrungen sich von den<br />
Erfahrungen, die in Göttermythen aufbewahrt waren, auf eine spezifische Weise unterschieden.<br />
Die Themen mochten die gleichen sein: Wo kommen wir her? Warum sind wir auf der Erde? Was<br />
ist gut und böse? Wie lange wird die Erde bestehen? Was wird aus uns? Aber die Behandlung<br />
unterschied sich.<br />
Israel erzählte ebenso wie seine Umwelt, dass die Welt durch göttliche Schöpfung entstanden sei<br />
– aber nicht aus Kampf, sondern aus dem göttlichen Wunsch heraus, etwas Schönes und Gutes zu<br />
schaffen.<br />
Israel erzählte ebenso wie seine Umwelt, dass die Menschen in einem besonderen Verhältnis zur<br />
göttlichen Macht standen – aber nicht als Diener, sondern als Partner.<br />
Israel erzählte ebenso wie seine Umwelt, dass ein großer Regen beinahe alles Leben auf der Erde<br />
vernichtet hätte, dass aber einer den Tipp bekam, ein Boot zu bauen. In den Mythen waren hier<br />
verschiedene Götter am Werk – für Israel gab es nur einen. Und so erzählte Israel mit den Worten<br />
und Motiven des Mythos und erzählte doch anders.<br />
Für den, der diese Geschichten heute weitererzählt, heißt das: Er muss von einem besonderen Gott und<br />
seinem besonderen Verhältnis zu den Menschen erzählen, von Fürsorge und Zuneigung. Er kann die<br />
mythischen Züge – Fremdheit, Zorn und Strafe – zurückdrängen. Die sind nicht der Kern. Und wichtig ist:<br />
Mythos ist etwas ganz anderes als Geschichtsschreibung. Er ist erzählte Weisheit.<br />
Die Erzelterngeschichten (Gen 12 bis 50)<br />
Die Geschichten von Abraham und Sara, von Isaak, von Jakob und seinen zwölf Söhnen sind<br />
Sagen und Sagenkränze. Aus ursprünglich einzelnen Erzähltraditionen wurde eine<br />
Generationenfolge zusammengestellt. So wurde erzählt, wie aus dem „umherirrenden Aramäer“<br />
(Dtn 26,5) Abraham Schritt für Schritt unter Gottes Segen ein großes Volk wurde. Diese<br />
Konstruktion erzählt den Juden bis heute ihre Heilsgeschichte. Für Christen sind die elementaren<br />
Gotteserfahrungen, die in den Einzelgeschichten erzählt werden, beinahe bedeutsamer: die<br />
Erfahrung, dass Abrahams Aufbruch von Gott gewollt und begleitet war, dass er einen Sinn und<br />
ein gutes Ziel hatte; die Erfahrung, dass Kinder um Gottes Willen nicht geopfert werden dürfen;<br />
die Erfahrung, dass Gott selbst auf krummen Wegen mitkommt und Acht gibt – dass Gottes<br />
Segen kein Schild gegen Schlimmes ist, aber ein steter Quell von Zuspruch, Trost und Kraft.<br />
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