Download - Martina Steinkühler
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1300 und 1200 v. Ch. anzusetzen ist, auch wenn dies neuerdings von archäologischer Seite<br />
bestritten wird. 7 Einen möglichen Hinweis auf die Historizität liefert die Bezeichnung Hebräer für<br />
den ausgewanderten Volksstamm. Die etymologische Herkunft dieses Wortes, nach dem heute<br />
noch die Sprache Israels benannt wird, ist zwar nicht eindeutig geklärt, aber viel deutet darauf<br />
hin, dass es ägyptischen Ursprungs ist.<br />
Die sogenannte Vätergeschichte dagegen, die in dem Geschichtssummarium knapp<br />
zusammengefasst dem Auszug aus Ägypten vorangestellt wird, ist hinsichtlich ihrer Historizität<br />
anders zu beurteilen. Sie ist durch und durch fiktiv und zu einer Familienlegende über vier<br />
Generationen stilisiert. Die Vätergestalten sind Abraham, Isaak, Jakob und Joseph, wobei Jakob<br />
mit seinen zwölf Söhnen zum eigentlichen Stammvater der zwölf Stämme wird, aus denen das<br />
Volk Israel zusammenwächst. Mit der Familienlegende wird der Beginn der Beziehung Gottes zu<br />
seinem Volk vor dessen historische Anfänge in eine vorgeschichtliche, mythische Zeit verlegt.<br />
Aber auch hinter die Vätergeschichte ließ sich noch weiter zurückfragen – bis an den Anfang der<br />
Welt, der Thema der biblischen Urgeschichte ist.<br />
Im fünften Buch Mose findet sich ein weiteres Geschichtssummarium, das allerdings in einem<br />
anderen Kontext steht, einen anderen „Sitz im Leben“ hat, wie die Theologen sagen, als das oben<br />
zitierte.<br />
20 Wenn dich dann künftig dein Sohn fragt: «Was sollen denn die Verordnungen, die Satzungen und<br />
Rechte, die euch der Herr, unser Gott, geboten hat?» 21 so sollst du zu deinem Sohne sagen: «Wir<br />
waren Sklaven des Pharao in Ägypten. Da führte uns der Herr mit starker Hand heraus aus Ägypten,<br />
22 und der Herr tat vor unsern Augen große und unheilvolle Zeichen und Wunder an den Ägyptern, am<br />
Pharao und an seinem ganzen Hause; 23 uns aber führte er von dannen heraus, um uns [hierher] zu<br />
bringen und uns das Land zu geben, das er unsern Vätern zugeschworen hatte. 24 Und der Herr gebot<br />
uns, nach allen diesen Satzungen zu tun und den Herrn, unsern Gott, zu fürchten, auf dass es uns wohl<br />
ergehe allezeit und er uns am Leben erhalte, wie es jetzt geschieht. 25 Und als Gerechte werden wir<br />
dastehen, wenn wir dieses ganze Gesetz getreulich erfüllen vor dem Herrn, unserm Gott, wie er uns<br />
geboten hat.» (5Mos 6)<br />
Hier dient das Geschichtssummarium dem Vater dazu, seinem Sohn den Grund für die<br />
Einhaltung von Gottes Gesetzen zu erklären. Die Einhaltung dieser Gesetze garantiert dem Volk<br />
Israel sein Wohlergehen in dem ihm von Gott gegebenen Land. Wenn von Gottes Gesetzen die<br />
Rede ist, denkt man zunächst und zu Recht an die berühmten Zehn Gebote, die Mose im Rahmen<br />
des Bundesschlusses am Berg Sinai von Gott erhalten hat. Dieser Bundesschluss (s. S. 38 f) ist<br />
neben dem Schilfmeerwunder das zweite religiöse Urerlebnis Israels, das noch grundlegender ist<br />
als das erste, das zwar die Bindung des Volkes Israel an seinen Gott konstituiert, aber ein<br />
singuläres Ereignis darstellt. Der Bundesschluss hingegen begleitet dauerhaft die Beziehung<br />
zwischen beiden. Umso erstaunlicher, dass davon in keinem der beiden Geschichtssummarien die<br />
7<br />
z.B. von Israel Finkelstein und Neil Silbermann in ihrem Bestseller „Keine Posaunen vor Jericho. Die<br />
archäologische Wahrheit der Bibel“, dtv 34152, München 2004, S. 76: „Die Schlußfolgerung, daß der<br />
Auszug sich weder zu der in der Bibel beschriebenen Zeit noch in der darin geschilderten Weise<br />
ereignet hat, ist unwiderlegbar, wenn wir die Befunde an den spezifischen Stätten überprüfen, an<br />
denen die Israeliten während ihrer Wanderung durch die Wüste längere Zeit gelagert haben sollen<br />
(Numeri 33) und an denen irgendwelche archäologischen Spuren, – falls vorhanden – mit größter<br />
Sicherheit gefunden werden müßten.“ Das forsche Urteil erscheint keineswegs so zwingend, wie es hier<br />
vorgetragen wird. Von fehlenden archäologischen aus Spuren der Wüstenwanderungszeit darauf zu<br />
schließen, dass der Auszug aus Ägypten nicht stattgefunden habe, erscheint methodisch fragwürdig.<br />
Zudem wird die „archäologische Wahrheit“ nicht durch die Funde selbst geschaffen, sondern durch<br />
deren Interpretation mit ihren jeder Interpretation eigenen Anteilen an subjektiver Einschätzung. Die<br />
„archäologische Wahrheit“ ist eben nicht die ganze Wahrheit, sondern nur ein Teil davon.<br />
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