Download - Martina Steinkühler
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Landeskenntnis konnte er nicht beurteilen, ob seine Verknüpfung der Perikopen geographisch<br />
stimmig war oder nicht. Ob ihm die Perikopen bereits schriftlich vorgelegen haben oder aus<br />
mündlicher Überlieferung stammen, ist heute in den meisten Fällen kaum noch zu entscheiden<br />
und in Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Überlieferung, wie wir gesehen haben, auch<br />
unerheblich. Man wird wahrscheinlich mit einer Mischung aus beiden Überlieferungsformen zu<br />
rechnen haben. Jedenfalls kann ein aus geographisch ungeordneten Überlieferungsstücken<br />
zusammengesetztes Evangelium chronologisch nicht zuverlässig sein. Dies<br />
Kompositionsverfahren verbietet es endgültig, sein Evangelium und damit natürlich auch die der<br />
anderen Evangelisten als Biografie Jesu zu lesen. Vielmehr stellen sie eine literarische Gattung<br />
ganz eigener Art dar, für die es keine Vorbilder gibt und die keine Nachahmer gefunden hat.<br />
Man wird den Verfassern der Evangelien jedoch nicht gerecht, wenn man sie lediglich als<br />
Sammler und Arrangeure von Einzelüberlieferungen begreift und ihren eigenen Anteil an den<br />
Evangelien allein in ihrer redaktionellen Tätigkeit sieht. Auf die theologischen Besonderheiten<br />
der einzelnen Evangelisten ist bereits hingewiesen worden. Aber auch ihr erzählerisches Talent<br />
sollte nicht unterschätzt werden. Ein Beispiel für seine Erzählkunst liefert Markus im 6. Kapitel.<br />
In den Versen sieben bis dreizehn wird berichtet, wie Jesus seine Jünger paarweise aussendet,<br />
damit sie Bußpredigten halten und Dämonen austreiben. In Vers 30 wird ihre Rückkehr<br />
mitgeteilt. Zwischen Aussendung und Rückkehr fügt Markus die Erzählung von der Enthauptung<br />
Johannes des Täufers ein, dessen Schicksal auf das von Jesus vorausweist. Da Markus über die<br />
Tätigkeit der Jünger nichts zu berichten weiß oder nichts berichten will, dient der Einschub<br />
erzähltechnisch dazu, dem Leser den Eindruck zu vermitteln, dass zwischen Aussendung und<br />
Rückkehr eine gewisse Zeit vergangen ist.<br />
Typische Textformen der synoptischen Evangelien<br />
Außer in den Kapiteln, in denen Streitgespräche, Gleichnisse und Wundergeschichten zu<br />
Einheiten zusammengestellt sind, finden sich diese drei Textformen auch noch an vielen anderen<br />
Stellen des Markusevangeliums. Sie vor allem bestimmen dessen literarische Gestalt und noch<br />
mehr die der anderen Evangelien, da bei ihnen aus der Reden-Quelle noch weitere Gleichnisse<br />
und Streitgespräche hinzukommen. Anhand einzelner Beispiele sollen diese drei Textformen<br />
näher betrachtet werden.<br />
7.1 Streitgespräche<br />
Das Ährenausreißen der Jünger am Sabbat (Mk 2, 23 - 27)<br />
23 Und es begab sich, dass er [Jesus] am Sabbat durch die Saaten dahinwanderte; und seine Jünger fingen an, auf<br />
dem Weg Ähren abzureißen. 24 Und die Pharisäer sagten zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht<br />
erlaubt ist? 25 Da sprach er zu ihnen: Habt ihr niemals gelesen, was David tat, als er Not litt und ihn und seine<br />
Begleiter hungerte? 26 Wie er in das Haus Gottes hineinging zur Zeit des Hohenpriesters Abjathar und die<br />
Schaubrote aß, die niemand essen darf als nur die Priester, und [wie er] auch seinen Begleitern gab? 27 Und er<br />
sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des<br />
Sabbat willen.<br />
Die hier dargestellte Szene weist einige Merkwürdigkeiten auf. Sie spielt am Sabbat in einem<br />
Kornfeld, also außerhalb einer Stadt oder Ortschaft. Sich am Sabbat dorthin zu begeben, stellt in<br />
jedem Fall eine Verletzung der jüdischen Sabbatvorschriften dar. Denn die Anzahl der Schritte,<br />
die man am Sabbat gehen durfte, war genau festgelegt und sehr begrenzt. Deshalb ist es<br />
unvorstellbar, dass ausgerechnet Pharisäer*, die wegen ihrer peinlich genauen Einhaltung aller<br />
religiösen Gesetzesvorschriften bekannt und geachtet waren, dort am Sabbat auftauchen, um mit<br />
Jesus einen Streit über einen Verstoß seiner Jünger gegen ein andere Sabbatvorschrift<br />
anzufangen. Sie werfen ihnen nicht etwa vor, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen, sondern<br />
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