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Download - Martina Steinkühler

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Es ist ein Jammer zu hören oder zu lesen, wie langweilig bisweilen die Bibel mit ihren<br />

Geschichten in Schule und Gemeinde ausgelegt wird.<br />

Entweder sie wird nach dem Motto „ und die Bibel hat doch Recht“ glatt gebürstet zu einem<br />

historischen Verstehen. Dann sollen die Schüler und Schülerinnen alles Mögliche glauben, was sie<br />

später – auch nur ein wenig älter geworden – einfach beiseite schieben. Oder man verwendet<br />

biblische Texte als reine Informationsquellen, um die Hörenden und Lernenden in Sachen<br />

Religion kompetenter und auskunftsfreudiger zu machen. Nicht selten auch führt eine Auslegung<br />

– bewusst, zuweilen unbewusst – hin zu einer platten Moral mit freundlich-verbindlichen<br />

Anweisungen, künftig dieses zu tun und jenes zu unterlassen.<br />

Meine Erfahrung, gesammelt über Jahre hinweg in Grund- und Hauptschulen, Realschulen und<br />

Gymnasien, ist, dass die allermeisten Schüler und Schülerinnen so gut wie kein Interesse haben<br />

z.B. an historisch-kritischen Erkenntnissen aus dem Bereich der theologischen Wissenschaft.<br />

Wohl versuchen sie, sich etwa bei einem Test im Fach Religion daran zu erinnern,<br />

• in welchem Jahr das Volk Israel in die babylonische Gefangenschaft geführt<br />

worden ist,<br />

• wodurch sich eine Parabel von einem Gleichnis unterscheidet,<br />

• ob der Apostel Paulus auf der ersten, zweiten oder dritten Missionsreise in<br />

Korinth war,<br />

• oder ob die Geschichte von der Hochzeit zu Kana in den Synoptikern zu finden ist<br />

oder im Johannesevangelium usw.<br />

Sie tun dies aber in der Regel nur, weil sie in Reli eine gute Note bekommen wollen. Wirklich<br />

interessiert sind sie nicht. Wir Religionslehrenden haben die Bibel leer geredet, indem wir Wissen<br />

vermittelten und freundlich verbrämte Verhaltensanweisungen. Ich selbst spreche mich davon<br />

nicht frei. Jahrelang habe ich es ebenso gemacht – und erst in den letzten drei, vier Jahren<br />

begonnen, über die Bibel so zu sprechen, dass Schülerinnen und Schüler spüren, dass sie mit<br />

ihrem Leben zu tun hat. Dabei versuchte ich, möglichst dicht an ihren Erfahrungen zu bleiben.<br />

Zu diesem Zweck habe für den Religionsunterricht Geschichten wie die von Jossi erfunden, von<br />

denen ich annahm, dass ich damit den Ängsten, Problemen, Nöten, alltäglichen Wirklichkeiten<br />

und Fragen der Schüler und Schülerinnen, ihren heimlichen Gedanken, Sehnsüchten und<br />

Hoffnungen näher kommen könnte als mit theoretischen Erklärungen.<br />

Jossis Tagebuch für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe I habe ich frei erfunden, um<br />

eine neue Perspektive zu gewinnen: Jesus aus der Sicht des Zweiflers. Jossi ist ein Spießer. Einer,<br />

der sich zwar begeistern kann, dann aber nicht dulden will, dass seine heile Welt in der<br />

Begegnung mit Jesus und im Kreise seiner Jünger tatsächlich auf den Kopf gestellt wird. Diesen<br />

Jossi gab es nicht nur vor 2000 Jahren in Galiläa, – es gibt ihn auch heute, in jedem Dorf und in<br />

jeder Stadt auf der Welt. Jossi hat heutzutage nur einen anderen Namen: Benjamin oder<br />

Christina, Youri oder Madeleine, Herr Müller oder Mrs Miller. Jossi könnte zum Beispiel auch<br />

Franziskas Freund sein oder Alexanders Freundin, der Vater von Jens aus der 9b oder Mehmets<br />

Schwester.<br />

Die Frage ist nicht, ob es die biblischen Gestalten wie beispielsweise Lea und Hiob, Levi – oder<br />

eben auch Jossi – gegeben hat, sondern wo es heute Lea und Hiob, Petrus, Levi und Jossi in uns<br />

und neben uns gibt. Diese Gestalten leben immer. Sie sind als Personen zu sehen und<br />

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