Die Apokryphen - Verborgene Bücher der Bibel
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mein Bru<strong>der</strong>, damit ich ihm begegne?< Und als er mir dieses gesagt hatte, war ich in Verlegenheit und dachte, es wäre ein Gespenst, um<br />
mich zu versuchen. Ich nahm ihn aber und band ihn an den Fuß des Bettes, das in meinem Hause, bis daß ich zu euch, zu Dir und Joseph, auf<br />
das Feld hinausginge und euch im Weinberge fände, indem Joseph den Weinberg bepfählte. Es geschah nun, als Du mich das Wort zu Joseph<br />
sprechen hörtest, begriffst Du das Wort, freutest Dich und sprachst: >Wo ist er, auf daß ich ihn sehe, sonst erwarte ich ihn an diesem Orte. <<br />
Es geschah aber, als Joseph Dich diese Worte hatte sagen hören, wurde er bestürzt, und wir gingen zugleich hinauf, traten in das Haus und<br />
fanden den Geist an das Bett gebunden. Und wir schauten Dich und ihn an und fanden Dich ihm gleichend; und es wurde <strong>der</strong> an das Bett<br />
Gebundene befreit, er umarmte Dich und küßte Dich, und auch Du küßtest ihn, und ihr wurdet eins. <<br />
Kindheitsevangelien<br />
Das Interesse an Jesus Christus beschränkte sich in den Anfängen des Christentums auf Tod und Auferstehung und auf die Lehr- und<br />
Wun<strong>der</strong>tätigkeit. So kennt auch das älteste Evangelium, das Markusevangelium, keine Kindheitsgeschichte Jesu. Der Bericht setzt mit dem<br />
Auftreten Johannes des Täufers ein. Auch im Johannesevangelium, dem letzten <strong>der</strong> kanonischen Evangelien (entstanden gegen Ende des 1.<br />
Jh. ), wird mit keinem Wort die Kindheit Jesu erwähnt, obwohl er über den Anfang mit Johannes dem Täufer hinaus bis zum<br />
Schöpfungsanfang zurückgeht (Joh 1,1: Im Anfang war <strong>der</strong> Logos, und <strong>der</strong> Logos war bei Gott und Gott war <strong>der</strong> Logos).<br />
Wie kam es aber dann zu den, wenn auch sehr knappen Kindheitsevangelien bei Matthäus und Lukas? Aus einer natürlichen Wißbegierde<br />
heraus sind ohne Zweifel in den Gemeinden schon früh manche Erzählungen des ersten Abschnittes des Lebens Jesu in Umlauf gewesen,<br />
wobei wohl bereits einige nie<strong>der</strong>geschrieben waren.<br />
<strong>Die</strong> Ursache aber für die Aufnahme ins Evangelium liegt vor allem an dem theologischen Interesse, das Matthäus und Lukas hatten. Durch<br />
das Einfügen ausgewählter Kindheitsgeschichten, suchten sie Erklärungen für brennende Probleme zu liefern.<br />
Für das Christentum stand die Willens- und Wesenseinheit zwischen Gott und Christus fest. Wie aber konnte dann Joseph <strong>der</strong> Vater Jesu<br />
sein? Eine Lösung bot sich an mit <strong>der</strong> Jungfrauengeburt aus dem heiligen Geist.<br />
Es mußte dann auch eine Verbindung mit dem Alten Testament hergestellt werden. Dort heißt es nämlich, <strong>der</strong> Messias komme aus dem<br />
Stamme Davids. Deswegen finden sich bei Matthäus und Lukas die voneinan<strong>der</strong> abweichenden Stammbäume, die die Herkunft Jesu aus dem<br />
Hause Davids beweisen wollen. Außerdem haben die Propheten geweissagt, <strong>der</strong> Messias komme aus Bethlehem. Von Jesus weiß man aber,<br />
daß er aus Nazareth kommt. Matthäus und Lukas bieten verschiedene Lösungsmöglichkeiten an.<br />
Bei Lukas kommt Jesus von Nazareth nur wegen <strong>der</strong> Schätzung durch den Kaiser Augustus (Lk 2,1) in Bethlehem zur Welt. Daß sich die<br />
Geburt in einem ärmlichen Rahmen abspielt, und umgeben von Hirten, Angehörigen <strong>der</strong> untersten Schicht, entspricht <strong>der</strong> theologischen<br />
Betonung des Armutsideals im Lukasevangelium. Für Matthäus ist die Armut nicht wichtig. Bei ihm heißt es nur, Jesus sei in Bethlehem<br />
geboren worden, und zwar ganz normal in einem Hause. Denn die Magier folgten dem Stern, und > sie gingen in das Haus, fanden das Kind<br />
mit Maria, seiner Mutter ... Sie taten auch ihre Schätze auf ... < (Mt 2,11). Statt von Armut ist hier sogar von >Schätzen< die Rede.<br />
Ebenso sind die Darstellung des Jesuskindes im Tempel und das Auftreten des Zwölfjährigen im Tempel theologisch zu deuten. <strong>Die</strong>se<br />
Ereignisse verweisen auf die Erfüllung des Priestertums in Christus. <strong>Die</strong> Huldigung durch die Magier aus dem Morgenlande zeigen den<br />
theologischen Gedanken des universalen Königtums Christi. In die gleiche Richtung geht die Geschichte <strong>der</strong> Flucht nach Ägypten.<br />
<strong>Die</strong>se Kindheitsgeschichten, die -wie wir gesehen haben- Absichten verfolgen, die für die Gesamtdeutung des jeweiligen Evangeliums<br />
tragend sind, werden nun in <strong>der</strong> apokryphen Literatur aus ihrer ursprünglichen Funktion herausgenommen und zu eigenständigen<br />
Geschichten weitergesponnen.<br />
Weiterbildung <strong>der</strong> Kindheitsgeschichte in den <strong>Apokryphen</strong><br />
Bei den apokryphen Geburts- und Kindheitsgeschichten stehen nicht mehr theologische Interessen im Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n vielfach die<br />
Lust am Erzählen. <strong>Die</strong> Vorlage aus dem NT bildet nur den Rahmen, <strong>der</strong> mit Legenden phantasiereich ausgeschmückt wird. Was es an<br />
Erzählungen über Götterknaben und Wun<strong>der</strong>kin<strong>der</strong> gab, wurde ohne die geringsten Skrupel auf Jesus übertragen. Auch Maria und Joseph,<br />
die im Neuen Testament untergeordnete Bedeutung haben, rücken in den <strong>Apokryphen</strong> in den Blickpunkt des Interesses. Von Marias Eltern<br />
wird erzählt, ihre eigene Geburt wird dargestellt und ihre dauernde Jungfrauenschaft wird bewiesen. Von Joseph, dem Zimmermann, wird<br />
berichtet, er sei ein alter Witwer, <strong>der</strong> aus erster Ehe Söhne mitgebracht habe. Dadurch ist das Problem <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> Jesu gelöst, die im Neuen<br />
Testament erwähnt werden, obwohl Maria doch Jungfrau geblieben ist.<br />
<strong>Die</strong>s ist nun eine etwas umständliche Lösung, die nach neuerer Forschung gar nicht nötig gewesen wäre. Denn im jüdischen Sprachgebrauch<br />
werden unter Brü<strong>der</strong>n auch entferntere Verwandte, ja sogar <strong>der</strong> Nächste verstanden.<br />
<strong>Die</strong> Abstammung Jesu von David über den Stammbaum des Joseph wurde nicht für gegeben angesehen, denn Maria hat ja vom hl. Geist<br />
empfangen. <strong>Die</strong> Adoptio-Vaterschaft hielt man offenkundig nicht für eine ausreichende Erklärung, so ließ man ganz einfach auch Maria von<br />
David abstammen. <strong>Die</strong>se Berichte über Nebenpersonen und über phantastische Wun<strong>der</strong>tätigkeiten des Jesusknaben haben sehr großes<br />
Interesse gefunden. Man kann sogar sagen, daß sie im Altertum, im Mittelalter und in <strong>der</strong> Renaissance größeren Einfluß auf Literatur und<br />
Kunst gewonnen haben als die kanonischen Schriften.<br />
Das Protevangelium des Jakobus<br />
Das Original des Protevangelium des Jakobus ist in griechischer Sprache geschrieben. Der Verfasser gibt sich<br />
selbst als Jakobus aus, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> Jesu, ein Sohn aus Josephs erster Ehe. Das Werk setzt aber die kanonischen Kindheitsgeschichten voraus,<br />
so daß es nicht vor 150 entstanden ist. Dennoch scheint aber die Kanonbildung noch nicht abgeschlossen gewesen zu sein, denn <strong>der</strong> Autor<br />
gibt die Geschichten aus dem Neuen Testament nur ungenau wie<strong>der</strong>. Es ist also wahrscheinlich, daß er sich auf eine mündliche Tradition<br />
stützt. Verschiedene Teile des Protevangeliums lassen darauf schließen, daß <strong>der</strong> Text keine Einheit bildet, son<strong>der</strong>n daß vielmehr ein<br />
Kernstück vorgelegen hat, zu dem an<strong>der</strong>es hinzugefügt wurde. Zum Beispiel spricht Joseph bei <strong>der</strong> Geburt plötzlich in <strong>der</strong> ersten Person. Das<br />
könnte also ein an<strong>der</strong>weitig überliefertes Stück sein, das dann eingefügt wurde. <strong>Die</strong> in den Kap 22-24 berichtete Ermordung des Zacharias<br />
scheint Origines noch nicht bekannt gewesen zu sein. Sie dürfte also später hinzugefügt worden sein.<br />
Das Werk ist als eine Verherrlichung Marias gedacht. <strong>Die</strong> Geschichten sind großteils mit viel Takt (abgesehen von <strong>der</strong><br />
Hebammengeschichte) und Diskretion dargestellt. <strong>Die</strong> meisten mariologischen Themen kommen schon zur Sprache. Bei <strong>der</strong><br />
Jungfrauengeburt Jesu wird Wert auf die Unverletztheit Marias gelegt. <strong>Die</strong> >unbefleckte Empfängnis< <strong>der</strong> Gottesmutter kennt man zwar<br />
noch nicht, doch es wird schon von einer wun<strong>der</strong>baren Geburt gesprochen.<br />
Das Protevangelium des Jakobus genoß im Osten schon immer hohes Ansehen; im Westen wurde es zwar verurteilt und nie als kanonisch<br />
angesehen, trotzdem hatte es große Bedeutung für die dogmengeschichtliche Entwicklung im Katholizismus.<br />
<strong>Die</strong> Erzählung des Jakobus. <strong>Die</strong> wun<strong>der</strong>bare Geburt Mariens<br />
In den kanonischen Evangelien findet sich nichts über die Jugendzeit Mariens. Auch von ihren Eltern ist nirgends die Rede. <strong>Die</strong>se Lücke<br />
schließt nun das Protevangelium des Jakobus. Wir erfahren, daß die Eltern Joachim und Anna hießen und daß sie reich und fromm waren.<br />
Nur Kin<strong>der</strong> hatten sie nicht. Nun muß man wissen, daß nach Auffassung <strong>der</strong> Juden Gott den Gerechten mit einer großen Nachkommenschaft<br />
auszeichnet. Joachim wird deswegen auch beim Opfern angesprochen und zurückgewiesen. <strong>Die</strong> Mitmenschen scheinen wegen ihrer<br />
Kin<strong>der</strong>losigkeit an seiner Tugendhaftigkeit gezweifelt zu haben. Schließlich aber empfängt Anna doch und gebiert eine Tochter. <strong>Die</strong>se lange<br />
Kin<strong>der</strong>losigkeit, die aber durch das Eingreifen Gottes beseitigt wird, kommt uns sicherlich bekannt vor. Genauso ist es Abraham und Sara