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Die Apokryphen - Verborgene Bücher der Bibel

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Volksfrömmigkeit, Literatur und bildende Kunst, ja sogar auf die Theologie des Abendlandes gewirkt. Obwohl die Kirche schon früh diese<br />

in <strong>der</strong> Mitte des 2. Jh. entstandene Schrift als nichtkanonisch einstufte, wurde sie viel zitiert und war äußerst beliebt.<br />

Im Mittelpunkt des Textes steht Maria, und fast alles, was wir über sie aussagen können, entstammt dieser Schrift o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Bearbeitung:<br />

dem sogenannten Pseudo-Matthäusevangelium. <strong>Die</strong>ses im 6. Jh. zusammengestellte Buch bringt über den Stoff des Protevangeliums hinaus,<br />

noch wun<strong>der</strong>same Geschichten von <strong>der</strong> Flucht nach Ägypten und Begebenheiten aus <strong>der</strong> frühen Kindheit Jesu.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung bei<strong>der</strong> Texte für das christliche Abendland, vor allem des PseudoMatthäusevangeliums, war so intensiv, daß sogar die Liturgie<br />

<strong>der</strong> Kirche davon beeinflußt wurde. Das noch heute am 21. November gefeierte Fest Maria Opfergang erinnert an den Tempelgang Mariens,<br />

eine Szene, die nur die <strong>Apokryphen</strong> berichten. Populär wurden die <strong>Apokryphen</strong> im Mittelalter durch die religiösen Volksbücher. Petrus<br />

Comestor nahm Teile in seine Historia scholastica auf, und Vincent von Beauvais überarbeitete sie für sein Speculum historiale.<br />

<strong>Die</strong> beste Propagandaschrift jedoch war die zwischen 1263 und 1273 entstandene Legenda aurea des Dominikaners Jacobus de Voragine.<br />

<strong>Die</strong> volkstümlich, aber in gutem Stil geschriebene Heiligenlegende bezieht sich sehr stark auf die <strong>Apokryphen</strong>. <strong>Die</strong> Legenda aurea war im<br />

abendländischen Mittelalter fast so verbreitet wie die <strong>Bibel</strong>.<br />

In <strong>der</strong> bildenden Kunst orientierte man sich zunächst an <strong>der</strong> byzantinischen Kunst und nahm damit auch Motive aus den <strong>Apokryphen</strong> auf. In<br />

<strong>der</strong> Kirche des Ostens waren diese Texte bereits weit verbreitet und wurden hockgeschätzt. Später entlehnte man die Motive o<strong>der</strong> Bildfolgen<br />

direkt aus den historischen Texten o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong>en Bearbeitungen in Epen, geistlichen Dichtungen und aus <strong>der</strong> Legenda aurea. Je weiter die<br />

Zeit fortschritt, desto mehr wurden die einst entlehnten Motive Allgemeingut, verselbständigten sich und wurden von Werk zu Werk<br />

weiterübernommen, ohne daß man genau wußte, woher sie kamen. <strong>Die</strong> Ausformung und Verwendung apokrypher Stoffe und Motive endet<br />

im wesentlichen im 16. Jh.<br />

<strong>Die</strong> Mutter des Herrn<br />

Über das Leben und die Herkunft <strong>der</strong> Mutter des Herrn berichten die Evangelien fast nichts, dafür um so mehr die apokryphen Texte. <strong>Die</strong><br />

christlichen Schriftsteller schmückten ihr Leben und das ihrer Eltern, Anna und Joachim, aus.<br />

<strong>Die</strong> frühchristliche Kunst hat uns keine Darstellung <strong>der</strong> Eltern überliefert. Um 1305 malte Giotto (1266-1337) auf den Fresken in <strong>der</strong><br />

Arenakapelle von Padua sie als Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Heiligen Sippe. In <strong>der</strong> mittelalterlichen Darstellung des Marienlebens haben sie ihren Platz auf<br />

Tafel- o<strong>der</strong> Schnitzaltären. Albrecht Dürer (1471-1528) hat in seiner 1511 erschienenen Holzschnittfolge >Marienleben< den Eltern, Anna<br />

und Joachim, einige Blätter gewidmet.<br />

Nach <strong>der</strong> Umarmung an <strong>der</strong> Goldenen Pforte wird Maria geboren. Darstellungen vom Wochenbett Annas sind seit Beginn des 11. Jh.<br />

bekannt. <strong>Die</strong> Buchmalerei illustrierte damit die Handschriften, und Dürer stellte sie innerhalb seines Marienlebens dar. Albrecht Altdorfer<br />

(1480-1538) verlegte die Geburt in einen Kirchenraum, das Bild malte er um 1520, und Domenico Ghirlandaio (1449-1494) läßt auf dem<br />

Fresko in Santa Maria Novella fünf vornehme Florentiner Damen bei <strong>der</strong> Wöchnerin Anna ihre Aufwartung machen.<br />

Häufiger dargestellt ist die Szene des Tempelgangs. Bezeichnen<strong>der</strong>weise zuerst im Orient (Kuppelfresken in El-Bagaut, 4. Jh. ), denn dort<br />

hatte sich <strong>der</strong> Marienkult schon früher entwickelt.<br />

Im Mailän<strong>der</strong> Domschatz wird eine fünfteilige Tafel (Diptychon) aufbewahrt, die vom Beginn des 5. Jh. stammt und den Tempelgang<br />

Mariens zeigt.<br />

In <strong>der</strong> deutschen Kunst findet man dieses Motiv hauptsächlich als Buchmalerei in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 11. Jhs., sodann in Dürers<br />

Marienleben und allgemein in Bildfolgen, die das Leben <strong>der</strong> Mutter Christi zeigen.<br />

Beeindruckend, schon durch seine Größe, hat Tizian (1476/77-1576) diese Szene gemalt. Das Bild ist 3,35 x 7,75 Meter groß und füllt in <strong>der</strong><br />

Accademia in Venedig die ganze Eingangswand. Ein kleines Kind in blauem Kleid, umgeben von göttlichem Licht, schreitet ganz alleine<br />

eine riesige Treppe, eingerahmt von kolossalen Säulen, empor. Früher wurden zu Ehren dieser Szene auch Kirchen benannt. Zwischen Dom<br />

und Rhein stand in Köln bis ins 18. Jh. das Gotteshaus Maria ad gradus (Maria an den Stufen).<br />

Das Protevangelium hat auch weitgehend unsere Vorstellung von Joseph, dem Ehemann Marias, geprägt. Der Text schil<strong>der</strong>t ihn als Witwer,<br />

und er bezeichnet sich darin selbst als > alter Mann

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