Die Apokryphen - Verborgene Bücher der Bibel
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Zwischen den beiden Äonen liegt ein krasser Gegensatz vor. Da <strong>der</strong> jenseitige Äon unendlich gut und vollkommen ist, kann <strong>der</strong> diesseitige<br />
nur unendlich schlecht sein.<br />
<strong>Die</strong>se Welt wird deswegen pessimistisch gesehen, man erwartet das Ende, man hofft auf das Jenseits. Sie wird dargestellt durch die<br />
Herrschaft Satans, durch zunehmenden physischen und moralischen Verfall. Das Heraufkommen des neuen Äons wird durch eine schlechte<br />
und verbrecherische Zeit angezeigt.<br />
Bei diesen Vorstellungen geht es nicht um einzelne Völker, son<strong>der</strong>n um die ganze Welt. <strong>Die</strong> Apokalyptiker haben nicht etwa ein Volk (z. B.<br />
die Juden) im Blick, son<strong>der</strong>n den ganzen Kosmos: Erde, Himmel und Unterwelt. Am Ende steht <strong>der</strong> Mensch nicht als Mitglied eines Volkes,<br />
son<strong>der</strong>n als einzelner vor dem Gericht.<br />
Das Ende des ersten Äons muß kommen, es ist unabwendbar. Gott hat nämlich von Anfang an beide Äonen geschaffen. Es kann also nicht<br />
sein, daß <strong>der</strong> schlechte Äon noch zum guten gewandelt wird, denn <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Äon ist schon da, allerdings schläft er jetzt noch. Auch <strong>der</strong><br />
Zeitpunkt des Endes ist schon vorherbestimmt. Deswegen kann er genau berechnet werden, entwe<strong>der</strong> dadurch, daß man von <strong>der</strong><br />
Weltschöpfung aus rechnet o<strong>der</strong> von einem weltgeschichtlichen Zeitpunkt an o<strong>der</strong> ganz einfach auch, indem man die Zeichen <strong>der</strong> Zeit deutet.<br />
Immer aber steht das Ende nahe bevor. Das hat seinen Grund darin, daß Apokalypsen in schwierigen Zeiten entstanden sind, in Zeiten, die<br />
durch ihre Not eine Endzeitstimmung hervorriefen (z. B. Makkabäerzeit, Zerstörung des Tempels usw.).<br />
Der neue Äon wird zu einem bestimmten Zeitpunkt von einem Heilbringer heraufgeführt. Unterschiedlich sind allerdings die Vorstellungen<br />
von diesem. Während in den jüdischen Eschatologien <strong>der</strong> davidische Messias auftritt, ist es in manchen Apokalypsen Gott selbst o<strong>der</strong> aber<br />
ein Engel Gottes. Der Heilbringer wird verschiedentlich auch als Menschensohn bezeichnet. Es gibt auch die Möglichkeit, daß mit <strong>der</strong><br />
Retter- und Richtergestalt <strong>der</strong> neue Äon noch nicht anbricht, son<strong>der</strong>n daß ein messianisches Zwischenreich eingeschaltet wird.<br />
Es soll schließlich noch die Frage <strong>der</strong> Herkunft <strong>der</strong> Apokalyptik behandelt werden. In gewisser Weise bauen die Apokalyptiker auf den<br />
Propheten auf. Sie fühlen sich als die Nachfolger <strong>der</strong> Propheten, aber nicht so, daß sie sich nun selber als Propheten fühlen, son<strong>der</strong>n so, daß<br />
sie die Deuter <strong>der</strong> Prophetie sind. Aber mit dieser Deutung haben sie sich gleichzeitig eine völlige Umgestaltung vorgenommen. Der<br />
entscheidende Unterschied hängt mit <strong>der</strong> Zwei-Äonen-Lehre zusammen. <strong>Die</strong> Prophetie verheißt eine Vollendung <strong>der</strong> Schöpfung. Voraussetzung<br />
ist allerdings die Umkehr. Der Inhalt <strong>der</strong> Weissagungen erstreckt sich folglich eher auf das, was geschehen wird, wenn diese Umkehr<br />
stattfindet. Für die Apokalyptiker ist die Schöpfung eine zweifache. <strong>Die</strong>se Welt wird als hoffnungslos böse angesehen ihre Heiligung und<br />
Rettung ist folglich nicht möglich. In <strong>der</strong> Eschatologie <strong>der</strong> Apokalyptiker hat sich somit ein fundamentaler Unterschied zum traditionellen<br />
Judentum herausgebildet.<br />
Man nimmt an, daß in nachexilischer Zeit Kreise entstanden sind, die durch eschatologische Naherwartung aufgrund <strong>der</strong> Bedrängnisse <strong>der</strong><br />
Zeit geprägt waren. Da sie etwas ins Abseits gedrängt wurden, haben sie eine eigene Entwicklung durchgemacht. Sie haben sich<br />
dualistischen Vorstellungen (Zwei-ÄonenLehre) geöffnet. <strong>Die</strong> Abgeschlossenheit hat dann dazu geführt, daß ihr Wissen zu einem<br />
Geheimwissen wurde, das die eigene Gemeinschaft in <strong>der</strong> Erwartung <strong>der</strong> > letzten Dinge< stärken und trösten sollte.<br />
Weiterwirken im Christentum<br />
Das junge Christentum unterschied sich in seiner Vorstellungswelt nicht sehr von <strong>der</strong> jüdischen Apokalyptik. Es war deswegen naheliegend,<br />
<strong>der</strong>en Texte aufzugreifen und zu christianisieren. <strong>Die</strong>se literarische Gattung regte aber auch zu Neuschöpfungen an. Es entstanden viele<br />
christliche apokalyptische Werke. Das bekannteste darunter ist sicherlich die Johannes-Apokalypse. Von den an<strong>der</strong>en Werken ist, ebenso wie<br />
bei den jüdischen Apokalypsen, <strong>der</strong> Autor nicht bekannt. Sie werden deswegen als pseudepigraph bezeichnet. Große Namen sollen<br />
Vertrauen in die Schriften erwecken. So werden hier Jesus und Maria genannt, verschiedene Apostel (Petrus, Paulos, Thomas, Johannes,<br />
Bartholomäus, Philippus u. a.) und sogar Persönlichkeiten aus dem alten Testament (Abraham, Esra, Zephania, Elia). Jesus kann natürlich<br />
von sich aus berichten, die an<strong>der</strong>en aber schöpfen ihr Wissen aus Visionen und Entrückungen. Bei den Christen gibt es nur noch einen<br />
Heilsbringer, das ist Christus. Solange die Naherwartung <strong>der</strong> Parusie Christi vorherrschte, war sie im Mittelpunkt des Interesses. Als man<br />
aber feststellte, daß mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft nicht so bald zu rechnen sei, richtete man das Augenmerk zunehmend auf Motive, die im Neuen<br />
Testament eine untergeordnete Rolle spielen. <strong>Die</strong> Apokalyptik beschäftigt sich nun ausgiebig mit dem Antichristen, mit Himmel und Hölle,<br />
mit <strong>der</strong> Belohnung <strong>der</strong> Guten und <strong>der</strong> Bestrafung <strong>der</strong> Bösen.<br />
Apokalyptik des Christentums<br />
Es soll nun erläutert werden, welche Grundlagen des Christentums die Entstehung von christlichen Apokalypsen ermöglicht haben. Wenn<br />
man von <strong>der</strong> Begrifflichkeit Jesu ausgeht, so stößt man zunächst auf die Worte > Reich Gottes< und »Menschensohn«. Der Begriff »Reich<br />
Gottes« verweist auf gewisse Ähnlichkeiten mit <strong>der</strong> Zwei-Äonen-Lehre. Nach <strong>der</strong> Predigt Jesu bricht mit <strong>der</strong> Herrschaft Gottes eine neue<br />
Zeit an. Es ist kein innerweltlicher, son<strong>der</strong>n ein überirdischer Vorgang, <strong>der</strong> dieser Welt ein radikales Ende setzt.<br />
Markus läßt Jesus sagen: »<strong>Die</strong> Zeit ist erfüllt, und genaht hat sich das Reich Gottes ... (Mk 1,14). Reich Gottes ist nun etwa kein typischer<br />
Ausdruck in <strong>der</strong> Apokalyptik, doch sagt er inhaltlich ungefähr das gleiche aus wie <strong>der</strong> > kommende Äon <strong>der</strong> neue Himmel und die neue<br />
Erde letzten Dinge Es werden falsche<br />
Messiasse aufstehen und falsche Propheten, und sie werden Zeichen und Wun<strong>der</strong> tun< (Mk 13,22). <strong>Die</strong>s alles bleibt aber in irdischen