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Die Apokryphen - Verborgene Bücher der Bibel

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einer Berggrotte liegen, wo es nichts gab als nackte, kalte Steinwände. Aber <strong>der</strong> Hirt dachte, daß das arme unschuldige Kindlein vielleicht<br />

dort in <strong>der</strong> Grotte erfrieren würde, und obgleich er ein harter Mann war, wurde er davon doch ergriffen und beschloß, dem Kind zu helfen.<br />

Und er löste sein Ränzel von <strong>der</strong> Schulter und nahm daraus ein weiches, weißes Schaffell hervor. Das gab er dem fremden Manne und sagte,<br />

er möge das Kind darauf betten. «(Selma Lagerlöf. Christuslegenden. München 1949. S. 10)<br />

Wenn auch die Hebammenszene <strong>der</strong> <strong>Apokryphen</strong> in <strong>der</strong> deutschen Kunst nur selten dargestellt wird, muß sie trotzdem erwähnt werden, weil<br />

sie auf altchristlichen und byzantinischen Denkmälern sehr häufig vorkommt.<br />

Da gibt es die Hebamme Salome, die nicht an die Jungfrauengeburt glaubt und deshalb Maria untersucht. Auf <strong>der</strong> Stelle verdorrt ihre Hand<br />

zur Strafe für ihren Unglauben. Da sie aber ihre Verfehlung einsieht, wird die Hand wie<strong>der</strong> gesund.<br />

<strong>Die</strong>ser Verteidigungstext <strong>der</strong> Jungfrauengeburt Marias ist ins Bild umgesetzt auch auf dem Bischofsstuhl des Maximian in Ravenna<br />

dargestellt und auf verschiedenen Elfenbeinwerken aus dem 5.-8. Jh. Auch <strong>der</strong> erste Bronzeguß jenseits <strong>der</strong> Alpen, die Bernwardstür in<br />

Hildesheim, um 1015 hergestellt, zeigt diesen Vorgang.<br />

Nachwirkungen des apokryphen Textes lassen sich auch im Weihnachtsbild des Meister von Flemalle (um 1375-1444) aus dem frühen 15.<br />

Jh. aufzeigen, wo Engel und zwei Ammen mit Spruchbän<strong>der</strong>n die Jungfräulichkeit Marias bezeugen.<br />

Zwei Frauen, die das Kind baden, sind auf dem Aachener Marienschrein, 1237 vollendet, zu sehen. Im Tympanon des Nordwestportals am<br />

Ulmer Münster (1356) ist diese Badeszene dargestellt, und Albrecht Altdorfer hat sie auf einem Gemälde verwendet.<br />

<strong>Die</strong> Palme am Wege<br />

Interessantes wissen die <strong>Apokryphen</strong> auch über die Flucht nach Ägypten zu erzählen. Das Pseudo-Matthäusevangelium berichtet von<br />

Drachen, die auf dem Weg nach Ägypten plötzlich aus ihren Höhlen krochen. Beim Anblick des Kindes aber wurden die Tiere lammfromm<br />

und beteten es an. Als Relief ist dieses Erlebnis noch heute an <strong>der</strong> Domfassade von Orvieto zu bewun<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Palme, die sich neigt und den Flüchtenden Schatten und Nahrung spendet, war ein äußerst beliebtes Motiv. Das Mosaik am<br />

Triumphbogen von Santa Maria Maggiore zeigt es, Martin Schongauer (1450-1491) hat die Szene in Kupfer gestochen, und auf dem<br />

Kalkarer Siebenschmerzenaltar von Douvermann (um 1520) ist sie zu sehen.<br />

Zur Fluchtepisode gehört noch ein an<strong>der</strong>es Ereignis, nämlich die stürzenden Götter beim Eintritt des göttlichen Kindes in den Tempel von<br />

Sotinen. <strong>Die</strong>se Darstellung findet sich in so unterschiedlichen Werken wie den Armenbibeln aus dem 14. -15. Jh. und dem Stundenbuch <strong>der</strong><br />

Maria von Burgund (um 1477).<br />

In <strong>der</strong> Literatur lassen sich apokryphe Quellen auch noch für die Dichtungen <strong>der</strong> Nonne Hrotsvitha von Gan<strong>der</strong>sheim (um 935-1000), für die<br />

Marienlyrik des Priesters Wernher, verfaßt um 1170, und für Konrad von Fußesbrunn >Kindheit Jesu< (um 1210) nachweisen. Das am<br />

Ausgang des 13. Jhs. von einem unbekannten Dichter verfaßte Passional, auch ein christliches Erbauungsbuch, bezieht ebenfalls apokryphes<br />

Gedankengut ein.<br />

Der zweite Erzählkreis, den die <strong>Apokryphen</strong> aufgreifen, handelt von <strong>der</strong> Passion, <strong>der</strong> Auferstehung und <strong>der</strong> Himmelfahrt Jesu Christi und<br />

von Marias Tod.<br />

Für die Darstellung des Passionszyklus' sind hauptsächlich die vier Evangelien maßgeblich geblieben, aber wo <strong>der</strong>en Aussagen Lücken läßt,<br />

zeitlich o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Anschaulichkeit, schieben sich apokryphe Schriften dazwischen.<br />

<strong>Die</strong>smal ist es das Nikodemusevangelium, auch Pilatusakten genannt, das als wichtigste Quelle für Kunst und Literatur angesehen werden<br />

muß.<br />

Bereits die ersten uns bekannten Passions- bzw Kreuzigungsdarstellungen aus dem 5. Jh. enthalten apokryphes Gedankengut und zeigen die<br />

Verbreitung <strong>der</strong> Texte unter den Gläubigen.<br />

In <strong>der</strong> fünften Zone <strong>der</strong> rechten oberen Säule des Ziboriums in San Marco, Venedig, ist zum Beispiel die ehrfürchtige Einführung des<br />

gefangenen Jesus bei Pilatus dargestellt - ein Vorgang aus dem Nikodemusevangelium. <strong>Die</strong>se Schrift entlastet im Inhalt Pontius Pilatus von<br />

<strong>der</strong> Mitschuld am Tode Christi.<br />

Sub Pontio Pilato<br />

Auch das lediglich in Bruchstücken auf uns gekommene Petrusevangelium, das noch im 2. Jh. in Syrien zu den heiligen Schriften zählte,<br />

bürdet alle Schuld am Tod des Herrn den Juden und Herodes auf.<br />

In <strong>der</strong> Ostkirche existieren noch weitere apokryphe Pilatusakten, die seine Rehabilitierung betreiben, und in <strong>der</strong> koptischen Kirche wird er als<br />

Heiliger verehrt.<br />

Aus diesen und weiteren apokryphen Pilatusakten hat <strong>der</strong> russische Schriftsteller Michail Bulgakow in seinem erst nach dem Tod, er starb<br />

1940, erschienenen Buch >Der Meister und Margarita< seine Version <strong>der</strong> Passion zusammengestellt. Pilatus steht im Mittelpunkt dieses auf<br />

drei Kapitel verteilten Romans im Roman.<br />

Er wird nicht direkt als Gottsucher gezeichnet, son<strong>der</strong>n als ein Mensch, <strong>der</strong> sich träumend <strong>der</strong> Wahrheit nähert. Im Traum geht er<br />

diskutierend mit Jeschua han- Nasri auf einer durchsichtigen Straße zum Mond. »Sie disputierten über etwas sehr Kompliziertes und<br />

Wichtiges, und keiner vermochte den an<strong>der</strong>en zu überzeugen. Ihre Ansichten deckten sich nirgends, und daher war ihr Disput beson<strong>der</strong>s<br />

interessant und fand kein Ende. <strong>Die</strong> heutige Hinrichtung war natürlich ein reines Mißverständnis, denn <strong>der</strong> Philosoph, <strong>der</strong> auf die<br />

unwahrscheinlich absurde Idee gekommen war, daß alle Menschen gut seien, ging ja hier neben ihm, folglich lebte er. Und außerdem konnte<br />

man einen solchen Menschen ja gar nicht hinrichten, <strong>der</strong> bloße Gedanke daran wäre entsetzlich! Nein, die Hinrichtung hatte nicht<br />

stattgefunden! Darum war es herrlich, diese Treppe zum Mond<br />

hinaufzugehen./ >Doch, doch ...< stöhnte und schluchzte Pilatus im Schlaf. Selbstverständlich würde er seine<br />

Karriere aufs Spiel setzen. Am Morgen hätte er es noch nicht getan, doch jetzt, in <strong>der</strong> Nacht, nachdem er alles<br />

erwogen hatte, war er dazu bereit. Er würde alles aufs Spiel setzen, um diesen gänzlich unschuldigen, verrückten<br />

Träumer und Arzt vor <strong>der</strong> Hinrichtung zu retten!<br />

>Wir werden jetzt immer beisammen seinwo <strong>der</strong><br />

eine ist, sei auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e! Gedenkt man meiner, so wird man auch deiner gedenken!

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