02.11.2012 Aufrufe

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2. Kategorienbildung am Beispiel des<br />

‚Bildungsprogramms’ der Techno-Party-Szene<br />

2.1 Szeneportrait 25<br />

Seit dem Aufkommen von Techno als musikalische<br />

Stilrichtung und Jugendkultur in den frühen 1990er<br />

Jahren ist Vieles und viel Kontroverses geschrieben<br />

worden. Kaum ein anderes popmusikalisches Phänomen<br />

scheint die populäre Kultur des ausgehenden 20.<br />

Jahrhundert stärker geprägt und treffender repräsentiert<br />

zu haben als Techno: Traditionelle Gegensätze<br />

wie Spaß und Widerstand, Kommerz und Individualität,<br />

Konsum und Ideologie sowie Technik und Körper<br />

scheinen sich hier neu miteinander verbunden zu haben.<br />

Zweifelsohne hat diese ‚Bewegung‘ – wie die erweiterte<br />

Techno-Szene unter Einschluss ihrer Mitläufer ebenso<br />

häufig wie ungenau bezeichnet worden ist – mittlerweile<br />

ihren Zenit überschritten: Techno ist längst im<br />

etablierten Pop-Kanon angekommen und hat die poptypischen<br />

Entwicklungen (etwa interne Diversifizierung<br />

und Hierarchisierung, Subszenenbildung, Kommerzialisierung,<br />

Standardisierung etc.) durchlaufen.<br />

Die Grundidee von Techno als einer auf elektronischer<br />

Musik basierenden Partykultur hat sich veralltäglicht,<br />

der Nimbus des Frischen, Aufbruchsartigen ist verschlissen.<br />

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass es sie nicht<br />

mehr gibt, die guten alten Techno-Partys – mit ihrer<br />

stark repetitiven, elektronisch produzierten (Tanz-)<br />

Musik, bei der vom DJ einzelne Versatzstücke<br />

(‚tracks‘) so ‚kunstvoll’ ineinander gemischt werden,<br />

dass ein durchgängiger Sound-Teppich entsteht, der<br />

aus riesigen Lautsprechern ‚von allen Seiten‘ wummert;<br />

mit ihren mitunter gigantischen Laseranlagen<br />

und Light-Shows, die diesen Raum in einer ‚Orgie’ aus<br />

Lichtern und Farben gleißend hell erstrahlen lassen<br />

und dann wieder in ein geheimnisvoll nebelumwobenes<br />

Dunkel hüllen; mit dem Schreien und Jubeln der<br />

schweißglänzenden Tänzer, die den Takt der Musik in<br />

den Boden stampfen und ihre Arme mit den Ausschlägen<br />

der Musik in die Luft reißen; mit dem Feiern<br />

‚bis zum Umfallen’ und dem ‚relaxten Chillen’ im<br />

25 Siehe auch die Beiträge in Hitzler/Pfadenhauer 2001 sowie www.jugendszenen.com.<br />

Kreise der Freunde, die gemeinsam ihre Freude am<br />

Spaß und ihren Spaß an der Freude zelebrieren.<br />

2.1.1 Die Idee ‚Techno’<br />

‚Spaß‘ ist die oberste Maxime dieser musikzentrierten<br />

Jugendkultur, die seit über einem Jahrzehnt unter dem<br />

Etikett ‚Techno‘ firmiert. Bei dieser Spaßerwartung<br />

geht es offensichtlich zunächst einmal ganz wesentlich<br />

darum, zugleich unter Gleichgesinnten und mit und<br />

unter diesen Gleichgesinnten etwas 'Besonderes' zu<br />

sein. Es geht in einem um 'unity' und um 'difference'.<br />

Es geht um das Gefühl der Zusammengehörigkeit, und<br />

es geht um den Auftritt, um Selbst-Stilisierung und<br />

Selbst-Inszenierung. Sich unterscheiden, auffallen,<br />

seine je eigene 'Party in der Party' abfeiern, seine persönliche<br />

Show durchziehen, damit aber – wissentlich –<br />

gerade das tun bzw. tun wollen, was – mehr oder weniger<br />

– 'alle anderen' auch tun bzw. intendieren, also:<br />

sein wie niemand, um so zu sein, wie alle, oder sein<br />

wie alle, um gerade dadurch etwas Besonderes zu sein:<br />

In eben diesem scheinbar paradoxen Verhalten liegt<br />

wohl der Schlüssel für jenes kollektive Körper-Spiel<br />

auf den für die Techno-Szene so symptomatischen<br />

Massen-Tanz-Vergnügen.<br />

Offenkundig löst Techno-Musik symptomatischerweise<br />

starke körperliche Empfindungen aus und ruft<br />

(zumindest bei ihren Anhängern) physisch-psychisches<br />

Wohlbefinden hervor. Ganz wesentlich hierfür<br />

scheinen Dauer, Lautstärke und Klangqualität der<br />

akkustischen Emanationen zu sein: Man tanzt nicht<br />

zur, man tanzt vielmehr sozusagen in der Techno-<br />

Musik, die den Körper zu überfluten und zu durchströmen<br />

und die Welt ringsumher vergessen zu machen<br />

scheint. Um diesen Effekt hervorzurufen, muss ein<br />

technisch hochgradig voraussetzungsvoller Klang-<br />

Raum erzeugt werden, in dem und durch den man sich<br />

überall gleich gut bewegen kann.<br />

Wesentlich unterstützt bzw. verstärkt wird die zugleich<br />

betäubende und aufputschende Wirkung der Musikbeschallung<br />

durch (mitunter gigantische) Light-Shows,<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!