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Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

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utionsbetriebe erst über die Unterstützung durch<br />

Freunde in Gang gebracht, die (zumindest) in der<br />

Anfangszeit unentgeltlich mithelfen. Bei den Verantwortlichen<br />

werden Kompetenzen auf allen Ebenen<br />

notwendig; nicht zwingend gilt dies für ihre Helfer und<br />

Mitarbeiter. Shops und Mailorders beginnen sozusagen<br />

als ‚Startup-Unternehmen‘ – obligatorische Kompetenzen<br />

in Geschäftsführung und Buchhaltung können<br />

über ‚Learning-by-Doing‘ erfolgen, aber auch bei<br />

ähnlichen HC-Firmen erfragt oder aus einer vorhergehenden<br />

(formalen) Berufsausbildung mitgebracht werden.<br />

Die Frage des Nachweises der erworbenen Kompetenzen<br />

bzw. der Durchsetzung in einem ähnlichen<br />

Arbeitsmarkt außerhalb der Szene stellt sich hier<br />

zumeist nicht, da die Entscheidung, einen Mailorderversand<br />

oder Shop zu betreiben, fast immer aus<br />

dem Wunsch nach Eigenständigkeit resultiert und<br />

(zumindest in den ersten Jahren der Tätigkeit) deutlich<br />

an die Szene gebunden ist. Sofern der Betrieb funktioniert,<br />

werden Veröffentlichungen weiterer musikalischer<br />

Genres in das Angebot aufgenommen. Misslingt<br />

eine dauerhaft ausreichend rentable Unternehmensgründung,<br />

so folgt darauf kaum jemals der Versuch,<br />

sich als Geschäftsführer oder Schallplattenverkäufer<br />

bei einer szeneexternen Firma oder Firmenkette zu<br />

bewerben, da eben nicht die Tätigkeit des Verkaufens<br />

den eigentlichen Reiz ausmacht. 109<br />

4.2.5 Quasi-zertifizierte berufspraktisch<br />

relevante Kompetenzen<br />

Die Gründung eines Plattenlabels oder die Mitarbeit<br />

und Mithilfe in einem solchen führt zum Erwerb eines<br />

umfassenden fachlichen und methodischen Wissens<br />

über die Produktion und den Vertrieb von Tonträgern.<br />

Labelgründungen erfolgen oft (relativ) spontan aus<br />

dem Umfeld von solchen Bands heraus, die kein Label<br />

zur Veröffentlichung ihrer Musik finden können 110 ;<br />

Kompetenzen zur Labelarbeit werden in der HC-Szene<br />

(bislang) nicht in Ausbildungsgängen vermittelt oder<br />

erlernt. Auch hier tragen mit dem DIY-Anspruch einhergehende<br />

Werthaltungen, wie die szeneintern als<br />

verpflichtend zu betrachtende Gewährung solidarischer<br />

Unterstützung, dazu bei, dass notwendige Kenntnisse<br />

bei erfahreneren Labelbetreibern erfragt werden<br />

können. Über derartige Kontakte erlernbar sind zunächst<br />

vor allem Wissensbestände, die sich auf rechtliche<br />

Fragen und ‚Best-Practise-Beispiele‘ zur Finanzierung<br />

beziehen. Wer im Labelmanagement tätig ist, eignet<br />

sich im Verlauf seiner Tätigkeit Erfahrungen und<br />

Kenntnisse zu Urheberrechten und Steuerrecht, zu<br />

musikbusiness-üblichen Verträgen, sowie zu Produktionsverfahren<br />

(und -kosten) an.<br />

Auch die Erstellung von Katalogen, Bestelllisten,<br />

Homepages und sonstigen Werbematerialien muss<br />

eigenständig erlernt werden. 111 <strong>Zur</strong> Orientierung hinsichtlich<br />

der ästhetischen Gestaltung oder auch der<br />

übersichtlichen Strukturierung derartiger ‚Vertriebsinstrumente‘<br />

können wiederum Materialien bereits<br />

erfolgreicher HC-Labels dienen. Der Aufbau eines<br />

Kontaktnetzwerks und die Erhaltung von Vertriebsstrukturen<br />

gehören zu den Leistungen, die ein Labelbetreiber<br />

oder -team mit Rückgriff auf kommunikative<br />

und selbstdarstellerische 112 Kompetenzen bewerkstelligen<br />

muss. Kooperiert wird in der Regel mit einer<br />

Vielzahl anderer Labels und mit labelunabhängigen<br />

Shops und Mailorderservices innerhalb der Szene und<br />

im szeneaffinen Umfeld. 113 Verantwortliche in der<br />

Labelarbeit müssen ferner einschätzen können, ob sich<br />

der Support einer Band lohnen wird. Das musikalische<br />

Gespür eines Labelteams sollte so weit reichen, dass<br />

die Bandauswahl stimmig 114 ist, also einen gewissen<br />

Wiedererkennungseffekt erzeugt, denn dieser Aspekt<br />

stellt eine nicht unerhebliche Werbemaßnahme dar.<br />

Labelarbeit ist insgesamt, abhängig vom jeweils eingenommenen<br />

Aufgabenbereich, an einer Schnittstelle<br />

109 Etwas anders gelagert ist diese Motivation bei Bookern, TMs, lokalen Promotern oder Labelmitarbeitern: hier ist die abwechslungsreiche Tätigkeit (zwar<br />

immer noch selten) ein deutlicher Anreiz, Karriereentscheidungen auch unabhängig von der Szene zu treffen und den Versuch zu unternehmen, bei professionellen<br />

Agenturen, Majorlabels (o.ä.) unterzukommen.<br />

110 Zumeist ist bei Labelgründungen kaum oder kein Startkapital vorhanden, so dass die Bands zur Deckung der Kosten für die Anmietung eines Studios und die<br />

Herstellung von Schallplatten oder CDs in Vorkasse treten.<br />

111 Insbesondere kleine bzw. eher unbekannte Labels verkaufen ihre Veröffentlichungen zunächst häufig ausschließlich im Rahmen von Konzerten und verzichten<br />

in der Zeit unmittelbar nach ihrer Gründung auf die Herstellung von Werbematerialien, welche über den Aufwand und die Kosten von getippten und kopierten<br />

A4-Listen hinausgehen. Ein szeneübliches Mittel zur Erweiterung des eigenen Bekanntheitsgrades bei relativ geringem Aufwand stellt der <strong>direkt</strong>e ‚1:1-Tausch‘<br />

von Tonträgern mit anderen (kleinen) Labels dar.<br />

112 Wie auch aus der HipHop-Szene bekannt, gilt hier, dass Labelbetreiber (zumindest) die Inszenie-rung einer szenespezifischen Form von Glaubwürdigkeit<br />

(‚Credibility‘) kultivieren müssen. Weder bei den supporteten Bands noch bei lokalen Promotern oder potentiellen Abnehmern von Labelveröffentlichungen darf<br />

der Eindruck entstehen, dass Labels hauptsächlich auf das Ziel eigener materieller Vorteile gerichtet wirtschaften und demgegenüber die Bands zu kurz kommen.<br />

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