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Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

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22<br />

Verfremdungen, was ein deutliches Zeichen dafür ist,<br />

dass ein Genre in die Annalen der Popkultur eingegangen<br />

ist, aber auch Chancen für neue Entwicklungen<br />

birgt. Aktuell lassen sich dabei vor allem wieder<br />

Ambitionen registrieren, Techno in Gestalt einer digitalen<br />

Kunstmusik ein intellektuelleres Image und eine<br />

künstlerische Note zu verleihen. 26 Aber auch einer<br />

‚Neu-Auflage‘ des ‚banaleren‘ (Massen-)Spaßes steht<br />

nicht grundsätzlich etwas im Wege: Gemeint sind<br />

damit Techno-Partys mit den ‚guten alten’ Rave-Signalen,<br />

bei denen sich DJs nicht zu schade sind dafür, den<br />

‚track‘ mit dem beson-ders hohen ‚Abgehfaktor' hervorzuholen<br />

und zum überschäumenden Vergnügen der<br />

dann in der Tat wieder ravenden Horde das aufzulegen,<br />

was man in der Branche (bislang allzu verächtlich)<br />

„Schweine-Techno“ nennt. 27 ‚Zwischen Zitat und<br />

Revival‘ scheint uns damit die treffendste Beschreibung<br />

der Situation zu sein, in der ‚Techno‘ bzw. der<br />

Spaß der Technoiden derzeit angekommen ist.<br />

2.1.3 Szenedifferenzierungen<br />

'Techno' hat sich in den frühen 1990er Jahren als<br />

Etikett für eine im Laufe der 1980er Jahre aufgekommene<br />

Musikrichtung durchgesetzt und dient mittlerweile<br />

als Sammelbezeichnung für eine große Anzahl<br />

vielfältiger Substilrichtungen elektronische Tanzmusik.<br />

Jenseits seiner Manifestation in einer ausdifferenzierten<br />

Art von stark repetitiver, elektronisch<br />

erzeugter Musik meint ‚Techno‘ einen bestimmten<br />

kollektiven Lifestyle, der sich signifikant äußert u.a. in<br />

besonderen Tanzformen, in speziellen Konsumgewohnheiten,<br />

in auffälligen Attitüden und habituellen<br />

Eigenarten sowie in signifikanten Arten von Geselligkeiten.<br />

Die im folgenden im Zentrum der Betrachtung stehende<br />

Techno-Party-Szene bildet eine – quantitativ vermutlich<br />

die stärkste – Teilszene der Techno-Szene, die<br />

analytisch von anderen Techno-Teilszenen, etwa der<br />

Avantgarde(-Szene) einerseits, von Musikstil-Subszenen<br />

(z.B. Goa, Gabber, (Tech-) House, Electro)<br />

andererseits abgrenzbar ist: Während zu bzw. in einer<br />

Musikstil-Subszene nur derjenige dazugehört, der<br />

eben diesen – und d.h. in der Regel: nur diesen –<br />

Musikstil präferiert, d.h. produziert und/oder konsumiert<br />

(wobei gerade dieser Musikstil häufig als allen<br />

anderen überlegen, weil als authentisch bzw. als komplex<br />

bzw. als nicht-kommerziell angesehen wird), tritt<br />

in der Avantgarde-Szene zum Echtheits- der Neuheitsanspruch<br />

als Ein- bzw. Ausschlusskriterium hinzu.<br />

Demgegenüber ist die Techno-Party-Szene dadurch<br />

gekennzeichnet, dass in ihr weniger ‚rigide’ Kriterien<br />

der musikstilistischen Präferenz und Auswahl gelten.<br />

Veranstaltungen weisen hier typischerweise eine relativ<br />

große Bandbreite jener Musikstile auf, die dem<br />

Oberbegriff ‚Techno’ subsumiert werden können.<br />

Wesentliches Kennzeichen der Techno-Party-Szene<br />

aber ist, dass hier – stärker als in den beiden anderen<br />

beschriebenen Typen von Teilszenen – eben die Party<br />

bzw. der ‚Rave’ nach wie vor den Kulminationspunkt<br />

des Szenegeschehens bilden.<br />

2.2 Leitfaden zur Erfassung<br />

szenetypischer <strong>Bildungsprogramme</strong><br />

Im weiteren werden wir nun unser Wissen über diese<br />

Szene im Hinblick sozusagen auf Kompetenz-<br />

Markierer restrukturieren – in der Absicht, auf dieser<br />

Basis wiederum einen abstrahierbaren Leitfaden zur<br />

Erfassung von so verstandenen Bildungsprozessen und<br />

Bildungsresultaten in Szenen schlechthin zu entwickeln.<br />

Die Genese dieses Leitfadens ist als ein mehrstufiger<br />

Prozess zu begreifen, der bei einer möglichst umfassenden<br />

Auflistung der für die Techno-Party-Szene<br />

symptomatischen praktischen Interessen unterschiedlicher<br />

Typen von Szenegängern (Partyteilnehmern,<br />

DJs, Eventorganisatoren usw.) ansetzt (1). Diese werden<br />

hinsichtlich der für ihre Realisierung jeweils erforderlichen<br />

Kompetenzen im weiten Sinne, d.h.<br />

Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Vollzugsroutinen,<br />

Befugnisse usw. analysiert (2). Unser Augenmerk<br />

gilt dabei auch der Frage, wie diese Kompetenzen vermittelt,<br />

angeeignet und entwickelt werden. In einem<br />

nächsten Analyseschritt wird diese (zunächst noch<br />

26 So zeichnete sich das Technolectro-Stück ‚Dancing with the rebels’, mit dem das DJ-Team Westbam und Africa Islam beim deutschen Vorentscheid zum<br />

Grand-Prix d’Eurovision 2004 angetreten ist, durch einen ausgeprägten Minimalismus und einen (von der Tagespresse im Nachhinein auch ‚unisono’ attestierten)<br />

hohen, nicht unbedingt massenpublikumswirksamen künstlerischen Anspruch aus.<br />

27 So ist beispielsweise eine Veranstaltung unter dem Motto „Modern Classics“ des in Szenekreisen hochangesehenen Techno-Clubs ‚Tribehouse’ in Neuss mit<br />

folgendem Begleittext den House-, Techno- und Trancesounds aus früheren Zeiten gewidmet: „Selbstverständlich gibt es auch viele ‚alte Hasen’, die immer noch<br />

gerne ins Clublife eintauchen, nur meistens nicht mehr ganz so oft wie früher. House und Techno bleiben durch ihre unendlich vielen Subgenres, die teilweise<br />

selbst für Insider schwer zu definieren sind, auch Jahre nach ihrer Geburt frisch, jung, immer wieder neu und damit mehr als modern. Trotzdem ist es so, dass der<br />

ein oder andere sich wehmütig an die ‚alten Zeiten’ erinnert und die Atmosphäre gerne noch mal erleben möchte“ (Tribehouse-Team im November 2003)

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