02.11.2012 Aufrufe

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gender Weise Kenntnisse über spielabhängige 'virtuelle'<br />

Umgebungen, körperliche Fertigkeiten, insbesondere<br />

Geschicklichkeit im Umgang mit den verschiedenen<br />

Spielfiguren sowie Wissen über deren je spezifischen<br />

Werkzeuge, Accessoires und Zusatzfunktionen.<br />

Unter ‚Counter Strike’-Spielern ist es beispielsweise<br />

weithin bekannt, dass die Figuren im Spiel schneller<br />

laufen können, wenn sie anstelle eines Gewehrs ein<br />

Messer in der Hand halten. Muss eine Spielfigur lange<br />

Strecken in kurzer Zeit zurücklegen, wechseln die<br />

Spieler deshalb durch das Betätigen bestimmter<br />

Tastenkombinationen die Waffen. Der so gewonnene<br />

Vorteil ist aufgehoben, wenn sich die Spielsituation<br />

plötzlich ändert, weil eine gegnerische Spielfigur (die<br />

es in der Regel zu eliminieren gilt) den eigenen Weg<br />

kreuzt. Nur mit einem Messer bewaffnet zu sein,<br />

bedeutet dann, dass die eigene Spielfigur zwar schnell,<br />

aber relativ hilflos ist und leicht ’ausgeschaltet’ werden<br />

kann. Während einer Partie ‚Counter Strike’ muss<br />

der Spieler folglich permanent Vor- und Nachteile seiner<br />

Waffenwahl abwägen. Da in diesem Spiel die<br />

Situationen kaum vorhersehbar sind, muss er darüber<br />

hinaus dazu imstande sein, blitzschnell zwischen den<br />

zahlreichen Möglichkeiten hin- und herzuschalten, um<br />

die in der jeweiligen Situation richtigen Entscheidungen<br />

zu treffen.<br />

Ebenso wichtig wie spielerisches Geschick und<br />

Fingerfertigkeit sind strategische und taktische<br />

Erwägungen: Da die virtuellen Gegner auf dem<br />

Bildschirm von ‚echten' menschlichen Personen vor<br />

dem Bildschirm gesteuert werden, ist der Spielablauf<br />

(im Unterschied zu anderen Computerspielen 177 ) prinzipiell<br />

unvorhersehbar. Es gilt, Spielsituationen einzuschätzen,<br />

die eigenen Handlungen mit denen der<br />

Teamkollegen zu koordinieren und gemeinsame<br />

Strategien zu entwickeln. Anführer eines Teams<br />

(‚Clanleader’) müssen zusätzlich die Fähigkeit besitzen,<br />

das Teamspiel zu leiten, ihren Mitspielern im<br />

Spiel klare Anweisungen zu geben und Aufgaben zu<br />

delegieren. Die im Vorfeld ausgearbeiteten Strategien<br />

werden während eines Spiels situationsspezifisch<br />

modifiziert, indem die Teammitglieder über Kopfhörer<br />

und Mikrophone miteinander kommunizieren. Gleichzeitig<br />

gilt es, die spielspezifischen Reglements zu beachten<br />

und einzuhalten. Erst die Koordinierung gemeinsamer<br />

Spielzüge in Kombination mit Teamfähig-<br />

keit führen zum gewünschten Erfolg bei einem<br />

Turnier.<br />

Szenegänger erwerben diese Kompetenzen typischerweise<br />

durch regelmäßiges Trainieren im Zuge regelmäßiger,<br />

nicht selten mehrstündiger täglicher<br />

Spielpraxis am Computer – dies aber keineswegs nur<br />

im autodidaktischen ‚Learning by doing’, sondern<br />

nicht selten durch den Austausch neuer Tricks und<br />

Erfahrungen untereinander.<br />

6.2.2 Szeneintern relevante Kompetenzen<br />

zur Ressourcenschöpfung<br />

Wenngleich erfolgreiche Spieler bei LAN-Events vergleichsweise<br />

viele Ligapunkte und mitunter auch wertvolle<br />

Siegprämien erhalten, weshalb diese Veranstaltungen<br />

für Spitzenspieler zunehmend attraktiv werden,<br />

lässt sich aus einem hohen spielerischen Kompetenzniveau<br />

hierzulande (noch) kein ökonomisches Kapital<br />

schlagen. Da Sachpreise allerdings häufig von<br />

Computerherstellern und EDV-Firmen gestellt werden,<br />

können sehr gute Spieler zumindest ihre keineswegs<br />

geringfügigen Ausgaben für bestimmte Hardware-<br />

Elemente (Monitor, Maus, Tastatur, Netzwerkkarten<br />

etc.) und Software für Spiele und andere kostenpflichtige<br />

Programme reduzieren.<br />

Als szeneintern relevante Kompetenz zur Einsparung<br />

von Ressourcen erweist sich – wenig thematisiert, weil<br />

illegal – jenes technische Know-how, das es erlaubt, so<br />

genannte ’Sicherheitskopien’ von Programmen anstelle<br />

von Originalversionen zu nutzen. Diese Praxis wird<br />

insbesondere mit Blick auf die Altersspanne der typischen<br />

LAN-Partygänger verständlich, deren finanzielles<br />

Budget häufig schon durch die Anschaffung geeigneter<br />

Hardware ausgereizt ist. Die Preise für neue<br />

Spielsoftware liegen derzeit bei 25 bis 60 Euro. Im<br />

Internet werden daher Spiele über spezielle Tauschnetzwerke,<br />

ähnlich den Musiktauschbörsen ‚Napster’,<br />

‚Shareaza’ oder ‚Kazaa’, unter den Jugendlichen<br />

kostenlos verbreitet. Eine weitere Möglichkeit, sich<br />

Spiele zu ‚besorgen’, bieten FTP-Server 178 , die von<br />

Jugendlichen selber betrieben werden. Die Betreiber<br />

solcher Server regeln über spezielle Zugriffsbeschränkungen,<br />

welchen Personen der Zugang erlaubt wird.<br />

Die erforderlichen Passwörter und Adressen zu diesen<br />

177 Andere Computerspiele sind in diesem Fall solche, in denen der Spieler gegen computergesteuerte Gegner spielt. Nach einiger Zeit werden diese Spiele in der<br />

Regel langweilig, da sich Handlungsabläufe und an den Spieler gestellte Aufgaben irgendwann zu wiederholen beginnen.<br />

178 Die Abkürzung FTP steht für ‚file transport protocol’, d.h. für ein technisches Prinzip, das den Austausch von Daten im Netzwerk ermöglicht.<br />

73

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!