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Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

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chen, überzeugenden, glaubwürdigen, öffentlichkeitswirksamen<br />

(vielleicht auch provokativen), knappen<br />

oder ausführlichen, ästhetischen usw. Präsentation von<br />

Inhalten voraus. Daneben bildet das technische Wissen<br />

über Möglichkeiten der Veröffentlichung bzw. der<br />

preisgünstigen Vervielfältigung von Informationsmaterialien<br />

ein notwendiges ‚Know How’. Vermittlungsprozesse<br />

in Fanzineredaktionen verlaufen vorwiegend<br />

gleichberechtigt – das meint, dass ‚Vermittler‘<br />

und ‚Empfänger‘ sozusagen je nach ‚Lernbedarf‘<br />

die Positionen wechseln.<br />

4.2.3 Allgemein alltagspraktisch relevante<br />

Kompetenzen<br />

Der Kontakt zu Organisatoren, Bands und Plattenlabels<br />

im internationalen Rahmen befördert die Verfestigung<br />

fremdsprachlicher Kenntnisse (zumeist:<br />

Englisch), die sich als unmittelbar alltagstauglich erweisen.<br />

Die in der Hardcore-Szene erweiterte fremdsprachliche<br />

Ausdrucksfähigkeit ist, abhängig vom je<br />

präferierten Tätigkeitsfeld der Szenezugehörigen, in<br />

der Regel weniger als ‚berufstauglich‘ zu bewerten.<br />

Wer beispielsweise hauptsächlich in der Organisation<br />

von Konzerten tätig ist, wird kaum nennenswerte<br />

Fortschritte im schriftlichen Gebrauch einer Sprache<br />

machen und demgegenüber eher einen Zugewinn an<br />

umgangssprachlichem Vokabular verzeichnen können.<br />

Über Kontakte zu bzw. Begegnungen mit Organisatoren<br />

und Produzenten aus dem europäischen und<br />

außereuropäischen Ausland lernen Szenezugehörige<br />

zudem beiläufig einige kulturelle Besonderheiten kennen,<br />

die möglicherweise ein hilfreiches Zusatzwissen<br />

für einen Auslandsaufenthalt darstellen könnten. 78<br />

Hardcoreler in der BRD sind darüber hinaus (aktuell<br />

noch) überaus häufig ‚Gastgeber‘ für Bands aus dem<br />

Ausland, die sich auf Europa-Tournee befinden. 79 In<br />

diesem Zusammenhang werden Verhaltensweisen ausgeprägt,<br />

die durchaus allgemein verbreiteten Vorstellungen<br />

von ‚Gastfreundlichkeit‘ entsprechen mögen –<br />

wie beispielsweise ein zuvorkommendes Auftreten<br />

oder respektvolle <strong>Zur</strong>ückhaltung gegenüber einem<br />

Gast – und daher aus dem Szenekontext in den außerszenischen<br />

Alltag übertragbar sein können.<br />

Ferner zeigen sich sowohl ‚unmittelbar’ (1), als auch<br />

‚nur bedingt’ (2) alltagstaugliche Kompetenzausprägungen,<br />

die aus dem szenetypischen Tätigkeitsfeld<br />

‚Meinungskundgabe und persönliches Engagement’<br />

resultieren.<br />

(1) Das Interesse, sich eingehend mit einem konkreten<br />

Themenbereich zu befassen bzw. sich für (oder gegen)<br />

‚etwas‘ zu engagieren oder andere Szenegänger über<br />

‚Dinge‘ zu informieren, kann in der HC-Szene durch<br />

verschiedenste Vermittlungsformen, z.B. ein Gespräch<br />

mit anderen Szenegängern, einen Fanzineartikel, eine<br />

Internetseite, eine Broschüre oder einen Songtext,<br />

geweckt werden. Neben der Darstellung szenespezifischer<br />

(Streit-)Themen enthalten Szenemedien Beiträge<br />

zu Themenbereichen, die sozusagen außerhalb des<br />

‚Tellerrandes‘ der HC-Szene liegen und somit auch für<br />

szeneexterne Gruppierungen von Belang sein können<br />

– wie Antifaschismus, Antisexismus, Menschen- und<br />

Tierrechte und andere politische oder ethische Grundfragen<br />

oder Teilaspekte. Für Hardcoreler, die der zweiten<br />

und dritten Hardcoregeneration angehören bzw.<br />

nach der Prämisse leben, dass ‚Hardcore‘ mehr zu sein<br />

habe als ‚nur‘ Musik, bilden Wissensbestände zu solchen<br />

Themen (häufiger) die Basis für ein persönlich<br />

als sinnvoll erachtetes, aktives Engagement.<br />

Aneignungs- und Vermittlungsprozess gehen dabei<br />

häufiger fließend ineinander über. Eine (tiefergehende)<br />

Auseinandersetzung, das Verstehen und die Einordnung<br />

in bereits vorhandene Informationen und die<br />

Reflexion bzw. Meinungsbildung stellen zunächst eher<br />

‚einsame Denkprozesse‘ dar, die einen Zugewinn an<br />

sachbezogenem (also fachlichem) Wissen nach sich<br />

ziehen. Diese ‚neu erarbeiteten’ Kenntnisstände können<br />

gegebenenfalls ausschließlich Auswirkungen auf<br />

das individuelle Alltagshandeln des jeweiligen Szenegängers<br />

zeigen (d.h. sie müssen nicht zwangläufig ein<br />

‚aufklärerisch motiviertes’ Anliegen der Meinungsbzw.<br />

Informationsweitergabe nach sich ziehen). Ein<br />

Beispiel für solche eher individuellen Auswirkungen<br />

besteht in der Umstellung von Konsumgewohnheiten,<br />

die sich bei ‚Straight-Edge-Hardcorelern‘ in der Ausbildung<br />

besonderer Wissensbestände in den Bereichen<br />

Ernährung und Gesundheit 80 zeigen kann; Szenezugehörige,<br />

deren Motivation des Konsumverzichts die<br />

78 Diese auf Sprachen und Kulturen bezogenen Lerneffekte stellen sich eher ‚unbeabsichtigt‘ ein – sie resultieren vorwiegend aus informellen Lernprozessen.<br />

Gleichwohl werden die ‚Lernergebnisse‘ durchaus von den Szenegängern wahrgenommen und thematisiert.<br />

79 Deutsche Bands haben sich bislang in der europäischen und außereuropäischen (z.B. in der US-amerikanischen) Szenelandschaft kaum durchsetzen können, so<br />

dass USA-Tourneen deutscher Bands eher unüblich, Europa-Tourneen zumeist nur als ‚Supportact‘ einer bekannteren US-amerikanischen Band (überhaupt) möglich<br />

sind.<br />

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