02.11.2012 Aufrufe

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

kann es zu schweren Verletzungen kommen. D.h. der<br />

ständige Umgang mit Grenzsituationen fördert sowohl<br />

die Fähigkeit zur Selbstüberwindung als auch zur<br />

Selbsterkenntnis.<br />

Skateboarder lernen überdies, wie sich Konflikte gütlich<br />

beilegen lassen. Bedingt durch den Lärm, den das<br />

Fahren verursacht , und durch die teilweise rasante<br />

Fahrweise einiger Skater kommt es sehr häufig zu<br />

Auseinandersetzungen mit Ordnungskräften, Anwohnern<br />

und Passanten. Skateboarder lernen früh,<br />

dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Konflikte zu<br />

bewältigen, und denken sich häufig selbst kreative<br />

Problemlösungsvorschläge aus. Sie setzen sich mit<br />

Anwohnern oder Behörden auseinander, um für ihre<br />

Belange einzutreten. So ist beispielsweise in Zürich<br />

auf einem öffentlichen Platz eine Regelung getroffen –<br />

und mit entsprechenden Hinweisschildern ausgewiesen<br />

– worden, die besagt, dass nur zu bestimmten<br />

Zeiten geskatet werden darf, während zu anderen<br />

Zeiten dieser Platz von Passanten zur Erholung genutzt<br />

werden kann. Diese ‚Verkehrsproblem’-Lösung war<br />

von Skateboardern erdacht und mit den städtischen<br />

Behörden ausgehandelt worden. Im Zuge solcher Art<br />

Konfliktbewältigung erlangen Skateboarder eine hohe<br />

Kompetenz in Bezug auf diskursive Aushandlungsstrategien,<br />

auf Kompromisslösungen und auf einen<br />

diplomatischeren Umgang mit Mitmenschen.<br />

Skateboarding ist symptomatischerweise mit einem<br />

hohen Verletzungsrisiko verbunden. Schon wenn man<br />

sich auch nur einige Minuten an einem Spot aufhält,<br />

wird deutlich, dass Stürze nahezu ständig passieren.<br />

Prellungen und Schürfwunden stehen ‚auf der<br />

Tagesordnung’ eines jeden aktiven Skaters. Häufig<br />

kommt es zu Bänderrissen und Knochenbrüchen. Die<br />

alltägliche Erfahrung von Schmerz gehört also zum<br />

Alltagsleben von Skateboardern. Hierdurch lernen sie<br />

zum einen einzuschätzen, wie viel sie ihrem – in der<br />

Regel ohnehin geschundenen – Körper noch zumuten<br />

können. Zum anderen lernen sie, adäquate Erste-Hilfe-<br />

Leistungen zu erbringen. Sie wissen, wie Schürf- oder<br />

Platzwunden versorgt werden müssen, sie können einschätzen,<br />

wann eine ernsthafte Verletzung das<br />

Eingreifen eines Arztes notwendig macht, welche<br />

Verletzungen hingegen ‚harmlos’ genug sind, um von<br />

den Skatern selber versorgt werden zu können.<br />

Schließlich erwerben Skateboarder durch die vielfältigen<br />

Reiseaktivitäten zu Contests oder zu attraktiven<br />

Spots schon früh Selbstständigkeit, d.h., sie lernen,<br />

sich in einer fremden Umgebung selbstständig zurechtzufinden<br />

und für sich selber zu sorgen. Da auch<br />

häufig Reisen ins Ausland unternommen werden, erwerben<br />

sie zusätzlich Kompetenzen im Umgang mit<br />

anderen Kulturen und verbessern ihre Fremdsprachenkenntnisse.<br />

5.2.4 Nicht-zertifizierte berufspraktisch<br />

relevante Kompetenzen<br />

Auch in der Skater-Szene werden neben solchen allgemein<br />

alltagspraktischen auch berufspraktisch relevante<br />

Kompetenzen erworben – vorwiegend allerdings<br />

solche, die sich nicht durch ‚Zertifikate’ nachweisen<br />

lassen. Ein Beispiel hierfür ist die Tätigkeit des<br />

‚Teammanagers’.<br />

Ein Teammanager hat die Aufgabe, ein Skateboard-<br />

Team mit mehreren Fahrern zu betreuen. In der Regel<br />

ist er angestellt bei einer Skateboardfirma, welche verschiedene<br />

Fahrer sponsert, die das zu betreuende Team<br />

bilden. Das Aufgabenspektrum des Teammanagers ist<br />

weit gesteckt: Er muss die Fahrer mit Informationen<br />

über relevante Contests versorgen, Demos (d.h.<br />

Vorführauftritte) ausrichten, auf denen Fahrer sich und<br />

ihr Können präsentieren können, den Fahrern das von<br />

der Firma gesponserte Material zukommen lassen,<br />

Skateboard-Touren organisieren, das Team zusammenhalten,<br />

ggf. Streitigkeiten innerhalb des Teams schlichten,<br />

etc. Das bedeutet, dass ein Teammanager vor<br />

allem über ein hohes Maß an organisatorischen und sozialen<br />

Kompetenzen verfügen muss. Dieses Kompetenzbündel<br />

lässt sich exemplarisch an der Durchführung<br />

einer Tour verdeutlichen: Der Teammanager<br />

muss im Vorfeld herausfinden, wo Contests stattfinden<br />

und darauf abgestimmt einen Zeitplan erstellen. Er<br />

muss Reise- und Übernachtungsmöglichkeiten organisieren,<br />

d.h. er muss Fahrzeuge beschaffen und Flüge<br />

und Hotels für die Fahrer buchen. Er muss den Fahrern<br />

die notwendigen Informationen über relevante Zeiten<br />

und Orte und ihre Tickets zukommen lassen.<br />

Außerdem muss er sich mit den Veranstaltern der<br />

Contests in Verbindung setzen, die Fahrer anmelden<br />

und dafür sorgen, dass die Startgelder bezahlt werden.<br />

Vor Ort muss er Kontakt zu den Contest-Organisatoren<br />

halten und die Fahrer bei Verhandlungen mit diesen<br />

unterstützen – keineswegs nur, aber beispielsweise<br />

auch dann, wenn Verständigungsschwierigkeiten durch<br />

Sprachbarrieren auftauchen. Auch für andere<br />

Probleme, die Fahrern entstehen können, ist der Teammanager<br />

zuständig, z.B. dann, wenn diese ihre<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!