Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt
Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt
Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur ... - Nordrhein-Westfalen direkt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
56<br />
über Treppengeländer, ‚grinden’ 134 Mauern entlang<br />
oder springen eine Reihe von Stufen hinunter. Dadurch<br />
wird das Skateboardfahren zu einer immer wieder<br />
neuen und spannenden Herausforderung. Dieser<br />
Erlebnischarakter des Skateboardings wird zusätzlich<br />
dadurch verstärkt, dass Skaten an vielen Orten verboten<br />
ist. Derartige Vorschriften werden von Skatern in<br />
der Regel (bewusst) ignoriert, denn das ‚Katz und<br />
Maus spielen’ mit den ‚Ordnungshütern’ – zumeist repräsentiert<br />
durch die Polizei oder private Wachdienste<br />
– verschafft ihnen einen besonderen ‚Kick’.<br />
Zum Skater-Leben gehört es außerdem, (exzessive)<br />
Party's zu feiern. So kommt es beispielsweise im<br />
Anschluss an eine ‚Skate-Session’ nicht selten zu gemeinsamen<br />
Kneipen-, Konzert-, Privatparty- oder<br />
Diskotheken-Besuchen, die bis in die frühen Morgenstunden<br />
dauern können. Auch ist es nicht unüblich,<br />
dass die Skater <strong>direkt</strong> am ‚Spot’ bleiben, um dort miteinander<br />
zu reden, zu trinken, zu ‚kiffen’ und Musik zu<br />
hören. Durch die Verbindung von gemeinsamen Sportaktivitäten<br />
und gemeinsamem Party- und Nachtleben,<br />
wozu auch der Besuch von Konzerten 135 gehört, entsteht<br />
das spezielle Zusammengehörigkeitsgefühl, das<br />
Skater in der Szene suchen und finden.<br />
Die Zugehörigkeit zur Szene bildet für Skater ein<br />
wesentliches sinn- und identitätsstiftendes Element,<br />
d.h. sie definieren sich in hohem Maße über die<br />
Szenezugehörigkeit. Dementsprechend versuchen sie,<br />
soviel Zeit wie möglich mit Skateboardfahren zu verbringen,<br />
und auch die meisten Freundschaften von<br />
Skatern bestehen innerhalb der Szene. Selbst Partner<br />
werden in der Regel in der Szene gesucht, idealerweise<br />
sollten sie also entweder selbst Skateboard fahren<br />
können oder sich auf andere Art und Weise mit der<br />
Szene verbunden fühlen. Zumindest müssen sie das<br />
Skateboardfahren des Partners und das damit verbundene<br />
hohe zeitliche Engagement nicht nur tolerieren,<br />
sondern akzeptieren. Skater inszenieren sich nicht nur<br />
beim Skateboardfahren, im Kontakt mit anderen<br />
Skatern, in Skateshops und bei Skateevents als Skater,<br />
vielmehr ist sozusagen ‚ihr ganzes Leben’ auf die<br />
Darstellung von Szene-Zugehörigkeit abgestimmt.<br />
Anders als beispielsweise in der Techno-Party-Szene,<br />
in der die Möglichkeit besteht, während der Woche für<br />
niemanden als Szenegänger erkennbar seine Zeit<br />
außerhalb der Erlebniswelt ‚Techno’ zu verbringen und<br />
zu gestalten und nur am Wochenende äußerlich sichtbar<br />
zum Raver zu ‚werden’, inszenieren sich Skater zu<br />
jedem Zeitpunkt ihres Lebens auch als solche, indem<br />
sie sich auch außerhalb des Szenekontexts der in der<br />
Szene üblichen Zeichen und Symbole, insbesondere<br />
Kleidungsstücke und Accessoires, bedienen. Die in der<br />
Skater-Szene bevorzugte Kleidung wird auch als<br />
‚Skate-Wear’ oder ‚Street-Wear’ bezeichnet. Die Kleidungsstücke<br />
werden vorwiegend im ‚XXL-Look’<br />
getragen, wodurch der Eindruck entsteht, dass sie<br />
mindestens zwei Nummern zu groß sind. Ein wichtiges<br />
Auswahlkriterium bildet hierbei die Marke des<br />
Bekleidungsherstellers – z.B. ‚Dickies’, ‚Vans’,<br />
‚Carhartt’ und ‚I-Pass’ –, wobei entscheidend ist, dass<br />
es sich um die Marke handelt, die in der jeweiligen<br />
lokalen Szene ‚angesagt’ ist. Hier kann es also durchaus<br />
von lokaler Szene zu lokaler Szene große Unterschiede<br />
geben.<br />
Auch der Konsum von Drogen gehört durchaus zum<br />
Lebensstil der Skater. Konsumiert werden vorwiegend<br />
die so genannten ‚weichen’ Drogen wie Alkohol,<br />
Nikotin und Marihuana. Auf der einen Seite wollen<br />
Skater durch den Drogenkonsum Spaß haben, indem<br />
sie die Wirkung von Alkohol und Marihuana genießen.<br />
Auf der anderen Seiten unterstreichen sie durch den<br />
öffentlichen Konsum von Marihuana, dass sie sich von<br />
anderen nichts vorschreiben lassen, denn Marihuanakonsum<br />
ist in Deutschland nach wie vor nicht legal.<br />
Somit wenden sie sich auch in diesem Punkt gegen<br />
Vorschriften und Regeln als Ausdruck eines selbstbestimmten<br />
Lebensstils.<br />
Das Szeneleben der Skateboarder findet an verschiedenen<br />
Orten statt. Die wichtigsten Treffpunkte der<br />
Skater sind die so genannten ‚Skate-Spots’. Hierbei<br />
handelt es sich um Orte, an denen Skater ihren Sport<br />
ausüben können. Bei den Spots der Street-Skater handelt<br />
es sich in der Regel um Orte im öffentlichen<br />
Raum, an denen die Gegebenheiten sich besonders gut<br />
zum Skaten eignen. D.h. Street-Skater wählen ihre<br />
Spots im Hinblick auf die Möglichkeiten aus, die<br />
ihnen der Spot zum Ausüben ihrer Aktivitäten bietet.<br />
Idealerweise befinden sich an diesen Orten z.B. einige<br />
Steinmauern in verschiedenen Höhen, Treppen mit<br />
Geländer, aus Stahlrohren bestehende Abgrenzungen<br />
134<br />
Im Gegensatz zum ‚Sliden’ rutscht der Skater beim ‚Grinden’ nicht mit einem Teil des Boards über ein ‚Curb’ oder ein ‚Rail’, sondern mit einer oder beiden<br />
Achsen des Skateboards.<br />
135 Den szenetypischen Musikvorlieben entsprechend werden hauptsächlich Punk- und Hip-Hop-Konzerte besucht.