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P-OE - UniversitätsVerlagWebler

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Personal- und Organisationsentwicklung/-politik<br />

P-<strong>OE</strong><br />

format „kompetenzorientierte Prüfung“ zu entwickeln, das<br />

sowohl die didaktische Funktion als integraler Baustein des<br />

Lernprozesses als auch die Funktionen der Linearisierung<br />

und der Systemreproduktion abbildet (Reis/Ruschin 2008,<br />

Kap. 2.1). Als „Prüfungsformat“ bezeichnen wir in Anlehnung<br />

an Wildt (2006, S. 16f.) zielorientierte, institutionell<br />

gesicherte Handlungsverkettungen für Prüfungen, die Rollenmuster<br />

und Rollenbeziehungen in die Interaktionen einschreiben,<br />

die ein Format realisieren werden. Das Format<br />

als Erwartungsstruktur liegt deshalb der konkreten Prüfung<br />

voraus und macht das Prüfungsverhalten erwartbar und<br />

standardisierbar. Mit dem Prüfungsformat der „kompetenzorientierten<br />

Prüfung“ bezeichnen wir im engen Sinne formative<br />

Prüfungen, die – prüfungsrechtlich im Studiengang<br />

verankert – einen Kompetenzerwerb abschließen, dem ein<br />

Kompetenzmodell zugrunde liegt (vgl. Reis/Ruschin 2008,<br />

Kap. 2.2). Dabei müssen weder alle Kompetenzmessungen<br />

Prüfungen im formal-rechtlichen Sinne noch alle Prüfungen<br />

kompetenzorientiert sein. Entscheidend für den Kompetenzerwerb<br />

ist die systematische Planung und Platzierung<br />

aller Prüfungen mit Blick auf den jeweiligen Beitrag zum<br />

Kompetenzerwerb im gesamten Studiengang. Wenn aber<br />

von kompetenzorientierten Prüfungen gesprochen wird,<br />

dann im obigen Sinne, so dass wirklich das Urteilen als Prüfungsziel<br />

bestehen bleibt (vgl. Reis/Ruschin 2008, Kap. 3).<br />

Unser Konstrukt der Kompetenzorientierung basiert dabei<br />

auf einem handlungstheoretischen Kompetenzbegriff in<br />

Anlehnung an Weinert (2001), der eine dynamische Verbindung<br />

von Wissen, Verständnis und Bereitschaft, Fertigkeiten<br />

und Fähigkeiten bezeichnet, die ein Individuum<br />

dazu befähigt, Problemstellungen in gesellschaftlicher Verantwortung<br />

sinnvoll zu lösen. 3 Der Erwerb von Kompetenzen<br />

an Hochschulen vollzieht sich auf den drei Ebenen Wissenserwerb,<br />

methodisch-gesteuerte Wissenstransformation<br />

und Urteilsbildung (vgl. Abb. 1).<br />

In diesem Makromodell des Kompetenzerwerbs (vgl. ausführlich<br />

Reis/Ruschin 2008, Kap. 2.2) sind im Kontext einer<br />

modularisierten Studienstruktur die Ebenen lernzielorientiert<br />

aufeinander zu beziehen. Für die Konstruktion von<br />

Prüfungen bedeutet dies, Prüfungsziele und Prüfungsform<br />

auf den Kompetenzerwerb in den Modulen zu beziehen<br />

(ausführlich Reis/Ruschin 2007) und so zu gestalten, dass<br />

das Können i.S. einer Anwendung des theoretischen Wissens<br />

der Studierenden sichtbar wird. Jede Prüfung kann,<br />

muss aber nicht alle Ebenen des Makromodells abbilden.<br />

Das Prüfungsformat „kompetenzorientierte Prüfung“ würde<br />

das inhaltliche Reformanliegen – das im Begriff des ‚Shift<br />

from Teaching to Learning’ seine Formulierung gefunden<br />

hat – sichtbar machen, gerade weil es zwei scheinbar widerstreitenden<br />

Logiken entsprechen würde.<br />

Aus hochschuldidaktischer Sicht schließt es den in (Selbst-)<br />

Studium, Lehre und Prüfung angebahnten Lernprozess<br />

sinnvoll ab und überprüft ihn. Zugleich genügt es den Geboten<br />

der Validität, Reliabilität, Fairness und Sachlichkeit<br />

(vgl. Metzger/Nüesch 2004, S. 6ff.; Wex 2002, S. 12f.).<br />

Hochschuldidaktische Anliegen können damit erreicht werden<br />

und trotzdem bleibt die Anforderung an die Prüfung als<br />

quasi-wissenschaftliches Experiment erkennbar, damit die<br />

Linearisierung und Reproduktion für die Umwelt erfolgen<br />

kann. Das Gelingen der Reform der Studiengänge wird wesentlich<br />

auch davon abhängen, ob die Implementierung<br />

Abbildung 1: Makromodell des Kompetenzerwerbs<br />

solcher Prüfungen gelingt (vgl. dazu auch Reis/Ruschin<br />

2008; Reis/Ruschin 2007).<br />

Welche Anforderungen sich aus dem Prüfungsformat für<br />

die Prüfungsformen ergeben, wollen wir im Folgenden entfalten<br />

und die Bedingungen für die Möglichkeit kompetenzorientierter<br />

Prüfungen untersuchen.<br />

2. Das Konstrukt kompetenzorientierter<br />

Prüfungen<br />

Um das oben bestimmte Prüfungsformat zu realisieren,<br />

sind Prüfungsformen notwendig, die sowohl ein Prüfungsverfahren<br />

als auch eine Prüfungsmethode implizieren, die<br />

zum Format passen. Die Anforderungen für das Verfahren<br />

und die Methodik müssen dabei zwei Logiken genügen. Im<br />

ersten Schritt sind die Anforderungen aus den beiden heterogenen<br />

Formatzielen abzuleiten (2.1 und 2.2).<br />

Im zweiten Schritt stellen wir ein Konstrukt vor, das Kompetenzmodell,<br />

Kompetenzerwerb, Kompetenzmessung und<br />

Prüfungslogik miteinander verwebt (2.3). Im dritten Schritt<br />

untersuchen wir Prüfungsformen darauf hin, ob sie sowohl<br />

den zweifachen Anforderungen genügen als auch im Konstrukt<br />

abzubilden sind (2.4).<br />

Abschließend werden Synergien und Kriterien aufgezeigt,<br />

die sich aus der Koppelung der beiden Logiken im Prüfungsformat<br />

der kompetenzorientierten Prüfung ergeben<br />

(2.5).<br />

2.1 Anforderungen aus kompetenztheoretischer Sicht (Didaktische<br />

Funktion)<br />

Aus dem Konstrukt der Kompetenzorientierung (vgl.<br />

Reis/Ruschin 2008, Kap. 2.2) lassen sich folgende Konstruktionsbedingungen<br />

für Prüfungen ableiten:<br />

Anforderungen an die Aufgabenstellung<br />

• ... enthält fachlichen Feldbezug,<br />

• ... macht genutztes Wissen sichtbar,<br />

• ... ist problemlösungsorientiert,<br />

• ... ermöglicht methodisch gesteuerte eigene Schritte in<br />

einem unbekannten Feld,<br />

• ... verlangt intentionales Handeln des Prüflings,<br />

3 Weinert (2001, S. 27f.) definiert Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren<br />

oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />

um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen,<br />

volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die<br />

Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll<br />

nutzen zu können“ (vgl. auch Tuning-Projekt 2006, Kap. 3).<br />

18 P-<strong>OE</strong> 1+2/2008

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