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P-OE - UniversitätsVerlagWebler

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Personal- und Organisationsentwicklung/-politik<br />

P-<strong>OE</strong><br />

2.3 Rollenchancen und Rollenkonflikte<br />

Kompetenzorientierte Prüfungen bieten Prüferin und Prüfling<br />

die Chance, sich in einem quasi-kollegialen Gespräch<br />

zu begegnen. Das ist durchaus der Wunsch, den gerade<br />

auch jene Lehrende an Prüfungen haben, die der Studienreform<br />

skeptisch gegenüber stehen. Sie übersehen dabei,<br />

dass das klassische Prüfungsformat mit seinen Rollenskripten<br />

gerade diese Erfahrung erschwert. Kompetenzorientierte<br />

Prüfungen wollen diesen Anspruch realisieren. Es ist<br />

deutlich geworden, dass solche Prüfungserfahrungen eine<br />

bestimmte Lehre und die Fähigkeiten voraussetzen, das<br />

damit verbundene Rollenskript auch wirklich ausfüllen zu<br />

können: Die Prüfung kann sich ganz auf die Inhalte konzentrieren,<br />

gerade weil der Umgang mit den Inhalten in der<br />

Lehre professionalisiert wurde. Die Expertenrolle kann zugestanden<br />

werden, weil die<br />

Prüferin sich auf die Fähigkeiten<br />

der Studierenden verlassen<br />

kann. Die Prüfung orientiert<br />

sich an dem, was<br />

Wissenschaft ausmacht: in<br />

einem offenen Prozess mit<br />

standardisierten Methoden<br />

Probleme zu lösen. Das<br />

könnte auch diejenigen motivieren,<br />

für die Prüfungen<br />

aufgrund der Reproduktionstristesse<br />

nur noch Energie<br />

raubend sind. Kompetenzorientierte<br />

Prüfungen<br />

zeichnet die wechselseitige<br />

Bezogenheit von Lehren und<br />

Lernen, die Möglichkeit zur<br />

Präsentation der erworbenen<br />

Fähigkeiten und ihre Überprüfung anhand einer Messtheorie<br />

aus (vgl. Reis/Ruschin Teil 1, Kap. 2). Wenn dies gelingt,<br />

ist ein affirmativer Umgang mit der Beurteilung – im<br />

Sinne einer Beurteilung der Kompetenz – möglich.<br />

Gleichwohl sind drei Probleme offensichtlich: Ohne dies<br />

empirisch genau erhoben zu haben, kann man doch erstens<br />

behaupten, dass die deutschen Hochschulen noch nicht<br />

über eine breite Zahl von Lehrenden mit kompetenzorientierten<br />

Lehrkonzeptionen und den Kompetenzen zur wechselseitigen<br />

Ausrichtung von Lehren und Prüfen verfügen.<br />

Auch die Studierenden würden wohl von kompetenzorientierten<br />

Rollenskripten überfordert sein. Das legen Befunde<br />

zu den studentischen Lernstrategien und den Erwartungen<br />

an Prüfungsleistungen nahe. Bisherige Studien- und Prüfungsstrukturen<br />

und -gewohnheiten haben bislang den Erwerb<br />

komplexer Lernstrategien, die für kompetenzorieneinem<br />

Lernsetting, das nach Stufe V konzipiert ist, die Interaktionsanforderungen<br />

nicht ohne weiteres erfüllen. Vielmehr<br />

zeigt sich, dass die Interaktionen immer wieder von<br />

der eigenen Lehrkonzeption her erfolgen.<br />

Flexibilität der Rollenskripte ist nur von Stufe V aus möglich,<br />

sie erst ermöglicht strukturierte Instruktionen, die zielführend<br />

eingesetzt werden können (vgl. Kember 1997).<br />

Dieses Ergebnis verwundert letztlich nicht, da die Lehrkonzeption<br />

die Grundlage zum Verständnis der Interaktionen<br />

und die Bearbeitung der Lehrkonzeption die Voraussetzung<br />

für andere Interaktionsmöglichkeiten ist. Mit Blick auf das<br />

Prüfen sind zwei Zusammenhänge wichtig:<br />

(1) Kompetenzorientiertes Prüfen verlangt eine kompetenzorientierte<br />

Lehre, die auf die Prüfung vorbereitet.<br />

Kompetenzorientierte Lehre setzt aber ihrerseits eine<br />

Lehrkonzeption mindestens der Stufe IV voraus.<br />

(2) Die Lehrkonzeption muss immer auch ein Konstrukt für<br />

Prüfungen enthalten: Wer die Lehrkonzeption „Strukturiert<br />

Wissen weitergeben“ vertritt, wird in der Regel<br />

auch genau diese Strukturierung im Sinne eines souveränen<br />

Umgangs mit dem Stoff von den Studierenden erwarten<br />

und prüfen, ob der Prüfling Inhalte strukturiert<br />

darstellen kann. Wer sich hingegen als Lernbegleiterin<br />

versteht, wird in der Prüfung Raum dafür schaffen, dass<br />

sich die Studierenden mit ihrem Lernerfolg zeigen können.<br />

M.a.W.: Lehrkonzeptionen, Rollenerwartungen<br />

Abbildung 2: Lehrkonzeption in Relation zum Rollenverhalten und den Bewertungskriterien<br />

und geforderte Tätigkeiten sind untrennbar aufeinander<br />

bezogen.<br />

Trifft diese Verknüpfung zu, dann ist für die Leistungsniveaus,<br />

die in einer kompetenzorientierten Prüfung notwendigerweise<br />

abverlangt werden, ein Prüfungsverhalten erforderlich,<br />

das einer komplexeren Lehrkonzeption entspricht.<br />

Prüfende mit Lehr-/Prüfungskonzeptionen der Stufen I und<br />

II dagegen werden sowohl mit den Rollenskripten als auch<br />

mit den Prüfungstätigkeiten Schwierigkeiten haben, die<br />

von kompetenzorientierten Prüfungsverfahren erzeugt werden.<br />

Sowohl die Rolle als auch die kompetenzorientierten<br />

Prüfungstätigkeiten werden als Überforderung empfunden<br />

– überraschenderweise nicht ihrer selbst, sondern der Studierenden,<br />

denen das nicht zugetraut wird. Wie aber deutlich<br />

wurde, ist diese Einschätzung die Folge von Zuschreibungen<br />

in den klassischen Rollenskripten, die quasi-natür-<br />

lich vorausgesetzt werden – so dass letztlich gerade diese<br />

vermutete Überforderung Ausdruck für eine Lehr-/Prüfungskonzeption<br />

der Stufe I und II ist. Hier herrschen Annahmen<br />

über die Studierenden vor, die die Verantwortung<br />

der Lehrenden für das Lernen auf komplexere Anforderungen<br />

in der Prüfung hin ausblenden. Lehrende der Stufen IV<br />

bis V hingegen schauen darauf, was die Studierenden<br />

tatsächlich tun bzw. tun müssen (vgl. Biggs 2007). Durch<br />

die wechselseitige Ausrichtung von Lehre und Prüfung sind<br />

dann auch die Rollenskripte stimmig.<br />

48 P-<strong>OE</strong> 1+2/2008

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