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Suzanne Davet

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sitz 245 . Sind die Prozessvoraussetzungen erfüllt, muss ein Gericht seine Zuständigkeit<br />

bejahen und auf eine Klage eintreten.<br />

1.4. Interessenabwägung<br />

Erfahren Polizei- oder Strafverfolgungsorgane von einer illegal anwesenden Person,<br />

dann unterliegen beide einer Meldepflicht an die Ausländerbehörden. Eine Meldung<br />

sollte nur durch diejenige Behörde erfolgen, die den Sachverhalt umfassend abklärt<br />

und das Ausmass des Verschuldens und die sozialen Umstände abschliessend feststellen<br />

kann 246 . Wird ein Verfahren eingestellt, so hat die Strafuntersuchungsbehörde<br />

über eine Meldung zu entscheiden. Findet ein Gerichtsverfahren statt, so sollte dieser<br />

Entscheid dem Strafgericht überlassen werden. Dabei muss berücksichtigt werden,<br />

welche Rechtsgüter verletzt worden sind. Bei Delikten gegen Leib und Leben ist<br />

das Verschulden höher zu bewerten 247 . Betroffene Rechtsgüter beim illegalen Aufenthalt<br />

im Zusammenhang mit Schwarzarbeit sind der Schutz des Arbeitsmarktes<br />

und die Kontrolle der Einwanderung 248 . Sind diese Tatbestände erfüllt, kann eine Interessenabwägung<br />

zu Gunsten der betroffenen Person noch in Frage kommen, nicht<br />

aber bei schweren Delikten gegen Leib und Leben in Kombination mit illegalem Aufenthalt.<br />

Wird eine illegal anwesende Person Opfer einer Straftat, ist der Opferschutz bei einer<br />

Interessenabwägung von Polizei und Gerichten zu berücksichtigen 249 . Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter von Opferberatungsstellen unterliegen einer absoluten Schweigepflicht,<br />

die nur mit dem Einverständnis des Opfers durchbrochen werden kann 250 .<br />

Muss vor Gericht eine Vaterschaftsklage eingereicht werden, überwiegt das Interesse<br />

des Kindes an der Feststellung des Kindsverhältnisses 251 . Eine Meldung ist zu<br />

verweigern.<br />

245 Art. 2 IPRG i.V. mit Art. 9 E-ZPO; Art. 2 LugÜ oder andere Staatsverträge.<br />

246 VPB 62.20, Erw. 3.2.; Spescha, Art. 63 AuG, RN 5.<br />

247 Spescha, Art. 63 AuG, RN 3 und 4; VPB 62.20, Erw. 3.1.<br />

248 Heller, S. 30 und 37.<br />

249 Opfer von Menschenhandel sind durch Art. 30 Abs. 1 lit. e und Art. 35 und 36 VZAE etwas besser<br />

geschützt.<br />

250 Art. 4 OHG, Botschaft OHG, S. 980.<br />

251 Schwenzer, S. 820; Schefer, S. 36; Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 8 EMRK und Art. 7 Abs. 1 UNO-KRK;<br />

Zur Praxis bezüglich Kindsanerkennung, wenn eine Partei illegal anwesend ist: Göksu, S. 1261<br />

und 1262.

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