17.11.2012 Aufrufe

Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"

Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"

Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Bild 19: Grabplatte Philipp Friedrichs von Daun−Oberstein (gest. 1615)<br />

Die Zeit um 1686 war auch in anderer Hinsicht für die Obersteiner Kirchengeschichte von besonderer Bedeutung. Um die<br />

<strong>Felsenkirche</strong> der lutherischen Gemeinde zu erhalten, kam der Obersteiner Amtmann − vermutlich der reformierte Rat und<br />

Oberamtmann Christian Wilhelm Müller von Weiskirch − auf eine ungewöhnliche Idee: Die Protestanten sollten den Katholiken eine<br />

eigene Kirche bauen. Er wusste seinen Landesherrn − es war dies Joh. Carl August Graf zu Leiningen−Heidesheim, ein Enkel des<br />

1682 verstorbenen Wilhelm Wirich von Daun−Oberstein − für diesen Vorschlag zu gewinnen.<br />

Bei der Durchführung dieses Planes ergaben sich jedoch eine Reihe von Schwierigkeiten, da die Protestanten nur das<br />

Allernotwendigste zum Bau eines kleinen, recht primitiven Gotteshauses beitrugen. So entstand eine neue Walpurgiskirche am<br />

Marktplatz in Oberstein (1858 abgerissen; mitten auf der Straße neben der heutigen Drogerie Pullig). Es handelte sich − und das<br />

war für Gotteshäuser in unserer Gegend völlig ungewöhnlich − um einen Fachwerkbau mit rechteckigem Grundriss, dreiseitiger<br />

Apsis und einem Dachreiter−Glockenturm. Die kleine Pfarrkirche hatte auch nur einen Altar, verfügte über einen Kelch mit silberner<br />

Kappe sowie zwei Glöckchen. Ein allgemeines Läuterecht besaß die katholische Kirche jedoch nicht. Bei Beerdigungen auf dem<br />

Simultanfriedhof ,,am Kirchhofshübel“ durften nur die Glocken der <strong>Felsenkirche</strong> läuten.<br />

Das Zusammenleben beider Konfessionen scheint sich immerhin in den ersten <strong>Jahre</strong>n noch einigermaßen erträglich gestaltet zu<br />

haben, was sicher zum Teil am geringen Eifer der evangelischen Pfarrer Heinz und Molter bzw. des Pastors Orphelin lag.<br />

In jenen <strong>Jahre</strong>n, in denen die Herrschaft Oberstein unter französischer Oberherrschaft stand, und der Ort von fremder Besatzung<br />

belegt war, fallen schwere religiöse Bedrückungen und hässliche Streitigkeiten zwischen den Pfarrern und den Konfessionen, die<br />

erst nach dem Frieden von Ryswik 1697, in dem die Franzosen auf Oberstein und viele andere Reunionen verzichten mussten,<br />

wieder langsam abflauen. Wir hören von lutherischen Bürgern, die lieber Haus, Hof und alle Güter in Oberstein verlassen wollen,<br />

um nicht zum Glaubenswechsel gezwungen zu werden, von Wächtern vor der Tür eines Neugeborenen, damit ,,der Pfaff" nicht<br />

herein könne, und von Taufen ,,unter französischem Joch“ sowie vieles andere mehr. Erst 1698 − so steht im lutherischen<br />

Kirchenbuch − ,,hat uns Gott von den Franzosen erlöst“.<br />

Bild 20: Oberstein um 1840<br />

Stich von Scheuren<br />

Nach einer Periode häufigen Pfarrerwechsels bei beiden Konfessionen trafen in Oberstein ab 1695 bzw. 96 zwei starke<br />

Persönlichkeiten aufeinander, die beide ihre religiöse Überzeugung entschieden verteidigten. Es war dies auf evangelischer Seite<br />

der ,,energische, fleißige und ohne Zweifel begabte Pfarrer Johannes Scriba“, der 53 <strong>Jahre</strong> lang als ,,exemplarischer, treufleißiger<br />

und eifriger Seelsorger“ in Oberstein und ab 1717 in Idar wirkte und zum Stammvater vieler alteingesessener Familien der Stadt<br />

wurde. Ihm stand in Oberstein der berühmte Praemonstratenserpater Leonard Goffiné gegenüber. Er ist der Verfasser zahlreicher<br />

christlicher Erbauungsschriften, darunter die 1690 in Mainz erstmals erschienene ,, Christkatholische Handpostill“, die in viele<br />

Sprachen der Weltliteratur übersetzt wurde und bis in unser Jahrhundert zahllose Auflagen erlebt hat.<br />

Goffiné machte seinem Vorgänger heftige Vorwürfe, dass er sich seinerzeit auf den kuriosen Vorschlag des Amtmannes<br />

eingelassen und auf derart ,, glimpfliche Art nun und in Zukunft der Zeiten (. . .) auf das katholische Religionsexercitium“ in der<br />

<strong>Felsenkirche</strong> verzichtet habe. Die Katholiken könnten ,,nimmermehr zur Prozession ihres von altersher zuständigen Gotteshauses<br />

gelangen".<br />

Tatsächlich ist seit 1686 kein katholischer Gottesdienst mehr in der <strong>Felsenkirche</strong> gehalten worden. In der berühmten Chamoschen<br />

Liste, die zur Erläuterung der Vorbehaltsklausel IV des Ryswiker Friedens diente, wird der Alleinbesitz der <strong>Felsenkirche</strong> für die<br />

Protestanten ausdrücklich bestätigt. Sie behielten sogar das Läuterecht für ganz Oberstein; lediglich der Friedhof am<br />

Kirchhofshübel blieb simultan.<br />

Von der <strong>Felsenkirche</strong> selbst hören wir in den nächsten 50 <strong>Jahre</strong>n wenig. Selbstverständlich wurden nach wie vor vornehme<br />

Personen in ihrem Inneren beerdigt.<br />

Es waren dies:<br />

<strong>Festschrift</strong><br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!