Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"
Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"
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In den beiden Fassungen b) und c) haben Scherz bzw. Eifersucht jeweils zur Folge, dass ein Bruder den anderen aus dem Fenster<br />
der alten Burg wirft, und dieser dann zerschmettert an der Stelle liegen bleibt, wo heute die <strong>Felsenkirche</strong> steht. Der Bau des<br />
Gotteshauses ist in allen drei Versionen die von der Kirche (einem Abt oder einem Bischof) auferlegte Sühne für die ruchlose Tat,<br />
wobei der Mörder immer zuvor ruhelos in der Gegend umhergezogen ist bzw. sogar an einem Kreuzzug nach Palästina<br />
teilgenommen hat. Der Missetäter soll an der Stelle, an der das unschuldige Opfer gefunden wurde, mit Hammer und Meißel eine<br />
Höhlung in den Fels geschlagen, eine Kirche darin errichtet haben und tot zusammengebrochen sein. Angeblich hat man Täter und<br />
Opfer danach gemeinsam in dieser Kirche bestattet.<br />
Die Wirklichkeit<br />
Bild 2: Oberstein um 1955<br />
<strong>Festschrift</strong><br />
Nun enthalten alle drei Fassungen nur sehr wenig konkrete Fakten, wobei selbstverständlich die überlieferten Namen (Wirich,<br />
Emich, Eberhard, Werner) nicht allzu viel besagen, da diese häufig in Obersteiner Herrengeschlechtern vorkommen. Die Ursache<br />
für den Streit im Falle b) − der Scherz mit der Katze im Stiefel − wird z.B. auch von der Schmidtburg bei Bundenbach oder Burg<br />
Manderscheid in der Eifel erzählt, weshalb diese Überlieferung als Wandersage anzusehen ist, der kein besonderer Wert zukommt.<br />
Die Liebe zu einem Burgfräulein bietet Stoff für die bekannteste und romantischste Fassung, doch lässt sich ebenso wenig ein<br />
Brudermord in der Familie auf Schloss Oberstein wie eine Bertha von Lichtenberg nachweisen. Die nahe gelegene Burg<br />
Lichtenberg im Westrich war übrigens keineswegs − wie in der Sage − ein Trierer Mannlehen, sondern wurde 1214 oder kurz zuvor<br />
durch Graf Gerlach von Veldenz auf dem Grund und Boden der Remigiusabtei zu Reims errichtet.<br />
Die Fassung a) der Sage, welche von einem Mord an einem Vetter berichtet, könnte der Wirklichkeit noch am nächsten kommen,<br />
wenn auch die daraus abgeleitete Folge, das Ausmeißeln einer so riesigen Höhle in dem harten Fels, damals technisch fast<br />
unmöglich war und in keiner Weise mit dem Baubefund in Übereinstimmung zu bringen ist (vgl. Bild Nr. 8 und Grundriss Bild Nr.<br />
12). In früherer Zeit glaubte man − infolge einer falschen Übersetzung der Umschrift − das sog. ,,Ritterstandbild“ in der<br />
<strong>Felsenkirche</strong> stelle das Opfer der Sage dar, was jedoch mit Sicherheit nicht zutrifft.<br />
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