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Festschrift ,,500 Jahre Felsenkirche Oberstein"

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Eduard Finke: Die Sanierungsmaßnahmen<br />

Dem Chronisten, der über den Ablauf der letzten Sanierungsarbeiten berichten darf, fällt schon bei der Suche nach einem<br />

geeigneten Anfang auf, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist, zumal er weiß, dass kompetente Leute über die Geschichte der<br />

<strong>Felsenkirche</strong> bereits an anderer Stelle dieser <strong>Festschrift</strong> maßgeblich zu Wort gekommen sind. Es bleibt − da es sich bei dem<br />

Chronisten um einen Denkmalpfleger handelt − nicht aus, dass er in die Geschichte der vielfältigen Arbeiten an dieser sehr<br />

spektakulär situierten Kirche einsteigt, um sozusagen die jetzigen Maßnahmen nicht im geschichtslosen Raum schweben zu<br />

lassen.<br />

Wenn man anlässlich der <strong>500</strong>−Jahrfeier der <strong>Felsenkirche</strong> zu Oberstein eine Festwoche veranstaltet und dazu eine <strong>Festschrift</strong><br />

herausgibt, so kann man davon ausgehen, dass sich die Jubilarin nicht in einem desolaten Zustand präsentiert. Dies bedeutet<br />

jedoch nicht unbedingt, dass das zu besprechende Objekt immer gesund gewesen ist, vielmehr muss man annehmen, dass<br />

Renovierungs− bzw. Restaurierungsarbeiten eben ihre Ursache in ,,Krankheiten“ haben, die es zu beseitigen gilt, damit das Objekt<br />

möglichst lange überlebt, zumindest jedoch sich während der Festzeit im allerfeinsten Gewand den Festgeladenen darstellt.<br />

Vergleicht man weiterhin die <strong>Felsenkirche</strong> mit einem Jubilar aus Fleisch und Blut, so kann man nur hoffen, dass derjenige, der die<br />

Therapie aufgrund einer Krankengeschichte verordnet, auch die vorhergehenden Krankheiten analysiert hat. Wie so üblich, geht<br />

man zur Geburtsstunde zurück und entdeckt, vorausgesetzt man nimmt an, dass das Festjahr 1984 nicht willkürlich gewählt ist,<br />

dass die Geburtsstunde im Jahr 1484 geschlagen haben muss. Bei der Untersuchung des Embryonalzustandes ergibt sich, dass<br />

die Geburtshelfer, d.h. die damals für die Erbauung der neuen Kirche Verantwortlichen, bereits 1482 auf Bitten der Bürger, den<br />

Plan eines Erweiterungsbaues der Felsenkapelle in Erwägung gezogen hatten, weil sich in der Enge des Ortes Oberstein kein<br />

geeigneter Bauplatz fand. Am 23. August 1482 traf dann auch die päpstliche Genehmigung ein, und am 10. Januar 1484 konnte<br />

der Neubau eingeweiht werden1). In der Tat bestätigt sich hier die Vermutung, dass was sich 1984 zum <strong>500</strong>. Male jährt, nicht die<br />

Geburt, sondern eigentlich die Taufe des Neugeborenen ist. Die eigentliche Geburtsstunde muss sich demnach folgerichtig im Jahr<br />

1483 vollzogen haben. In diesem Jahr ist Martin Luther geboren worden, dessen <strong>500</strong>. Geburtstag wir im vergangenen Jahr<br />

ebenfalls feiern konnten und dessen Lehren erst im <strong>Jahre</strong> seines Todes, 1546, in Oberstein Eingang gefunden haben. Nach<br />

längeren Streitigkeiten um die konfessionelle Zugehörigkeit der neuerbauten Kirche nach dem Prinzip cuius regio, eius religio“<br />

konnte sich 1641 der Protestantismus endgültig im Obersteiner Gebiet festsetzen. Die katholische Kirchengemeinde erhielt 1684<br />

unter den Franzosen am Marktplatz eine eigene Kirche2).<br />

Es ist sicher, dass die sog. <strong>Felsenkirche</strong> 1484 dieselben Ausmaße hatte, die man heute noch antrifft.<br />

Der Felsen, an dessen Steilhang die Kirche gebaut ist und der für die Geschichte von Oberstein von so eminenter Bedeutung<br />

wurde − nicht zuletzt steht auf ihm das alte Schloss − hat seinen Einfluss auch in negativer Weise auf die Geschicke der von ihm<br />

eigentlich zu beschützenden Kirche wirksam werden lassen. Selbst der benachbarte Felsen − auf dem das sog. Neue Schloss<br />

errichtet ist − versetzte die Bevölkerung mehrfach in Schrecken. Es wird berichtet, dass bereits 1650 die Ostmauer des Neuen<br />

Schlosses gebrochen war und den Berghang hinabrollte bis zu der alten Pfarrwohnung am Marktplatz. Felsstürze bedrohten immer<br />

mehr die Kirche und die Häuser unterhalb der Felsen. 1660 wurde so das Haus eines Wollwebers zerschlagen; zwei seiner Kinder<br />

waren auf der Stelle tot, die Frau und ein weiteres Kind schwer verletzt 3). Das Strohdach der <strong>Felsenkirche</strong> hatte man 1724 durch<br />

Schiefer ersetzt. Achtzehn <strong>Jahre</strong> später hatte der größte Felssturz, den die Kirche bis dahin erlebt hatte, das neu beschieferte<br />

Dach und das gotische Rippengewölbe des Kirchenschiffes zerstört. Die Bevölkerung zeigte sich immer mehr beunruhigt, und zum<br />

Aufbau hatte man keine Lust, denn keiner wollte sich zukünftig beim Gottesdienst einer lebensbedrohenden Gefahr aussetzen. Erst<br />

zwei <strong>Jahre</strong> später, also im <strong>Jahre</strong> 1744, konnte die Kirche wieder eingeweiht werden, nachdem zu dem Wiederaufbau vielerlei<br />

Spenden zur Erneuerung, nicht nur aus Kreisen der Bevölkerung, sondern auch von weither zusammengekommen waren. Da es<br />

jedoch nicht zur Wiederherstellung des gotischen Rippengewölbes ausreichte, überspannte man, als einfachere Lösung, das Schiff<br />

mit einer Tonne, wie dies in der Barockzeit öfters gemacht wurde4).<br />

Nahezu einhundert <strong>Jahre</strong> blieb der Felsen nunmehr ruhig, denn erst 1838 geriet er wieder in Bewegung. Die evangelische<br />

Gemeinde beriet nun in aller Ruhe, ob es nicht zweckmäßiger sei, an anderer Stelle in der Stadt eine neue Kirche zu erbauen, um<br />

dieser nicht zu kontrollierenden Gefahr einfach aus dem Wege zu gehen und auch die Beschwernis des steilen Anstieges zur<br />

Kirche abzuschaffen. Aus Kostengründen konnte dies jedoch nicht bewerkstelligt werden, sodass man sich zunächst mit einer<br />

Reparatur begnügte. Zwanzig <strong>Jahre</strong> später stand man jedoch wieder vor dem gleichen Problem, und kam auch damals nicht<br />

weiter, sondern gab lediglich dem Turm die Gestalt, die er noch bis 1928 /29 beibehalten hat. Die Gedanken um eine Neuplanung<br />

an anderer Stelle kamen jedoch wegen des sich nicht beruhigenden Steinschlages und des beschwerlichen Aufstieges nicht zur<br />

Ruhe, sondern wurden auch durch die Tatsache gefördert, dass die Bevölkerung ständig zunahm und in der Kirche am Felsen kein<br />

rechter Platz mehr war. 1822 gründete man dann einen Kirchenbaufonds, und ein Bauplatz wurde 150 m flussaufwärts − ziemlich<br />

dicht an der Hauptstraße − erworben, auf dem 1916 der Neubau errichtet werden sollte. Der ausgebrochene Krieg verhinderte<br />

zunächst den Neubau, und nach demselben verschlang die Inflation den gesamten Kirchenbaufonds, sodass das Vorhaben<br />

ausgesetzt und zunächst aus den Gedanken der Bevölkerung gewichen war.<br />

Vermutlich als späte Auswirkungen der Romantik rückte die <strong>Felsenkirche</strong> immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses der<br />

Bevölkerung, dies nicht nur als Kirche, sondern viel mehr noch als Wahrzeichen und Attraktion der Stadt.<br />

<strong>Festschrift</strong><br />

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