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Arbeiten mit alkoholbelasteten Familien im Handlungsfeld der ...

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nachfragen, ob es ein Interesse bzw. einen Auftrag gibt, jetzt über das Thema zu<br />

sprechen. Wird dies bejaht, mag man dies begrüßen, wird das Ansinnen dagegen<br />

abgelehnt, kann man - anstatt zu drängen - darüber sprechen, warum es dem<br />

Trinkenden lieber ist, heute nicht darüber zu reden. Auch so lässt sich das Thema<br />

sehr wirkungsvoll bewegen (z.B. werden da<strong>mit</strong> die Hintergründe des Tabus dadurch<br />

angesprochen, Schamgefühle, drohende Auseinan<strong>der</strong>setzungen etc.).<br />

Fallbeispiel:<br />

Ein <strong>Familien</strong>vater (aus dem in Kap. 3.1.1. bereits angesprochenen Fallbeispiel) hat<br />

gleich <strong>im</strong> ersten Kontakt <strong>mit</strong> dem <strong>Familien</strong>helfer demonstrativ eine Dose Bier auf den<br />

Tisch gestellt und dazu gesagt: „Das ist mein Bier, und ich lasse mir das nicht<br />

verbieten.“ Der Helfer hat dies respektiert, und für sich die Entscheidung getroffen,<br />

das Thema nicht von sich aus anzusprechen, son<strong>der</strong>n auf Zeichen des Vaters zu<br />

warten. Als <strong>der</strong> Vater an einem Termin betrunken war, ist er wie<strong>der</strong> gegangen und<br />

hat anschließend ein klärendes Gespräch <strong>mit</strong> ihm geführt und eine entsprechende<br />

Vereinbarung getroffen.<br />

Zu einem späteren Zeitpunkt sagt <strong>der</strong> Vater: „Ich habe ein Alkoholproblem, wir wollen<br />

aber nicht drüber reden.“ bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Video-Sequenz <strong>im</strong> Rahmen des<br />

Video-Home-Trainings sagte er einmal von sich aus: „ Ich weiß, dass ich ganz schön<br />

viel trinke.“ Helfer: „Wollen Sie etwas verän<strong>der</strong>n?“ Vater: „Kann ich <strong>im</strong> Moment nicht.“<br />

Das Thema wurde so<strong>mit</strong> in verschiedenen Sequenzen aufgegriffen, <strong>der</strong> Wunsch,<br />

nicht weiter darüber zu sprechen, jedoch akzeptiert.<br />

Nach kurzer Zeit sprach <strong>der</strong> Vater selbst aus die Idee aus, evtl. eine<br />

Alkoholentwöhnungsbehandlung durchzuführen. Bevor es jedoch zu einer<br />

Umsetzung kam, brach die Hilfe ab (Siehe Hypothesen in 3.1.1.).<br />

Es ist ratsam, nicht zuviel Aufhebens um das Thema Alkohol zu machen, son<strong>der</strong>n<br />

ihm möglichst neutral gegenüber zu stehen (- nicht neutral ist man dagegen<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Auswirkungen auf die Kin<strong>der</strong>). Wirkt es auf die Klienten so, als sei<br />

man froh, endlich auf diesen Punkt zu sprechen zu kommen, gewinnen sie leicht den<br />

Eindruck, dass man ein beson<strong>der</strong>es Interesse daran hat, dass sie <strong>mit</strong> dem Trinken<br />

aufhören - was ja durchaus sein kann. In <strong>der</strong> Folge verlieren sie aber manchmal ihr<br />

eigenes Interesse daran (sozusagen zum Ausgleich...). Es ist ein typisch coabhängiges<br />

Muster, dass An<strong>der</strong>e den Trinkenden zum Aufhören bewegen wollen<br />

und er dann in den Wi<strong>der</strong>stand geht, was sich darin äußern kann, dass er<br />

weitertrinkt. 12<br />

Wichtig ist es hier, das „Nein“ des Klienten ernst zunehmen. Ein klares Nein ist<br />

übrigens für einen Süchtigen eine Leistung, die nicht als selbstverständlich<br />

übergangen werden sollte. Indem man dem Klienten gegenüber Anerkennung für<br />

seine Klarheit äußert, wird man möglicherweise eine Irritation auslösen, die <strong>im</strong><br />

weiteren Gespräch wie<strong>der</strong>um nutzbar ist. So kann z.B. das Thema Autonomie und<br />

Grenzsetzung eingeführt werden: Wie wichtig es ist, klar seinen eigenen Standpunkt<br />

zu vertreten, auch wenn das manchmal für an<strong>der</strong>e unbequem ist... Eine solche<br />

Rückmeldung bedarf natürlich einigen Fingerspitzengefühls, um nicht als „Freibrief“<br />

12 Eine interessante Interpretation ist es, „Wi<strong>der</strong>stand“ in “Würde“ umzudeuten: Das Verhalten, das als<br />

Wi<strong>der</strong>stand gedeutet wird, kann auch so verstanden werden, dass es <strong>der</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong><br />

eigenen Würde und Autonomie dienen soll. Wenn ein Klient sich z.B. überredet o<strong>der</strong> bevormundet<br />

fühlt, kann er seine Autonomie durch die eigene Entscheidung (doch weiter zu trinken) beweisen.<br />

Zugegeben sind die Folgen des Trinkens selbst dann oft nicht sehr würdevoll...<br />

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