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Das deutsche Schulsystem. Entstehung, Struktur ... - Bildungswissen

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ei denen der Fachhochschulen angestiegen sind: In der Gruppe der 30- bis unter 35-Jährigen<br />

entspricht der Anteil der universitär Qualifizierten mit 9% dem entsprechenden Anteil bei den 45bis<br />

unter 50-Jährigen; bei den Fachhochschulabsolventen liegen die Quoten dieser beiden Altersgruppen<br />

bei 6% bzw. bei 5%. Die Hochschulabsolventenquoten beider Hochschultypen zusammen<br />

verharrt demnach bei den 30- bis unter 35-Jährigen bei 15% – gegenüber 14% bei den 45- bis unter<br />

50-Jährigen. Die Steigerung der Quote der Studienberechtigten konnte also in Westdeutschland<br />

– infolge von Studienverzicht und -abbruch – nicht in eine Steigerung der Akademikerquoten umgesetzt<br />

werden.<br />

Der Vergleich der universitären Abschlussquoten und der Abschlussquoten der Ausbildungsstätten,<br />

die in der DDR den Fachhochschulen in etwa entsprachen, zwischen dem früheren Bundesgebiet<br />

und der ehemaligen DDR, den die Mikrozensusauswertung gestattet, wirft noch einmal ein<br />

besonderes Schlaglicht auf den west<strong>deutsche</strong>n Ertrag der Expansion der abiturführenden Bildungswege.<br />

In allen Jahrgangsgruppen der 1998 über Dreißigjährigen liegt die universitäre Abschlussquote<br />

im Gebiet der früheren DDR höher als in dem der damaligen Bundesrepublik – und<br />

dies, obwohl die Quote der an Universitäten Studienberechtigten zu Zeiten der DDR zwischen nur<br />

12% bis 14% pendelte.<br />

Dieser Befund, der des ‚Verpuffens‘ der west<strong>deutsche</strong>n Bildungsexpansion und der des damit verbundenen<br />

Gleichziehens bei der Ausbildung akademisch Qualifizierter mit der ost<strong>deutsche</strong>n Entwicklung<br />

zu Zeiten der DDR, eröffnet eine schul- und hochschultheoretischen Perspektive: Interpretieren<br />

lässt sich diese Entwicklung als eine Verlagerung schulischer Selektivität in den voruniversitären<br />

und in den universitären Bereich. Zeitlich versetzt zur Öffnung der Gymnasien sowie<br />

zum Ausbau alternativer Wege zum Abitur und zum Abbau schulinterner Selektivität erhöhte sich<br />

faktisch – auf dem Weg der Selbsteleminierung eines Teils der Studienberechtigten – die Eingangsselektivität<br />

der Hochschulen. Dies war verbunden mit einem Ausbau der universitären internen<br />

Selektivität. In einem Zusammenspiel von reduzierter Verwertung der Studienberechtigungen<br />

und hochschulinterner Selektivität wurde so die schulische Bildungsexpansion konterkariert und im<br />

Ertrag nahezu aufgehoben. Da die Verlagerung der Selektionsfunktion vom Eingang in die Gymnasien<br />

und vom Durchgang durch sie hin zum Übergang zu den Universitäten und zum Durchlauf<br />

durch diese mit einer massiven Steigerung der Verweilzeit junger Menschen im Bildungssystem<br />

verbunden war und weiter ist, verstärkt das ‚höhere‘ Bildungssystem (abiturführende Bildungswege<br />

und Universitäten) seine Absorptionsfunktion. Damit erbringt es insbesondere zwei Leistungen: Es<br />

entlastet den Arbeitsmarkt und es bedient nicht mehr ausschließlich das akademische, sondern<br />

das mittlere Qualifikations- und Beschäftigungssegment. Zu Zeiten einer Überfüllung des akademischen<br />

Arbeitsmarktes mag dies funktional gewesen sein, angesichts eines aufziehenden Mangels<br />

an akademisch Qualifizierten kann sich dies als problematisch erweisen.<br />

- Chancenverteilung in der Bildungsexpansion<br />

Die bisherige Analyse konnte darstellen, dass die Bildungsexpansion Gewinner und Verlierer<br />

kennt. Auf der einen Seite stehen all die, die auf ihrem Weg durch das Bildungs- und Ausbildungssystem<br />

Hochschulabschlüsse erwerben konnten und die damit über die vergleichbar besten Arbeitsmarktperspektiven<br />

verfügen. Diese Gruppe hat in der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen im<br />

Westen des Landes einen Anteil von 15% und im Osten einen Anteil von 14%. Ihr steht die Gruppe<br />

der ‚Verlierer‘ des Expansionsprozesses gegenüber, die Gruppe der jungen Erwachsenen, die keinen<br />

Berufsbildungsabschluss erwerben konnte: Sie hält bei den 20- bis 24-Jährigen im Westen des<br />

Landes 14% und im Osten Deutschlands 9%. Diese Gruppe hat im Vergleich zu den anderen Qualifikationsgruppen<br />

die geringsten Chancen zur Teilhabe an Erwerbsarbeit.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, zu einer dieser beiden hier gegenübergestellten bzw. zu den dazwischen<br />

rangierenden Gruppen zu gehören, ist nun keineswegs für alle Teilgruppen der Gesellschaft gleich.<br />

Auch nach den Jahren der Bildungsexpansion wirkt das <strong>deutsche</strong> Bildungs- und Ausbildungssystem<br />

in einem hohen Maße daran mit, dass die Kinder unterschiedlicher Gruppen mit unterschiedlicher<br />

Wahrscheinlichkeit zu unterschiedlichen Qualifikationen gelangen (vgl. Klemm 2003). <strong>Das</strong><br />

damit angesprochene Ausmaß von Gleichheit und Ungleichheit, so wie es sich im <strong>deutsche</strong>n Bildungssystem<br />

an der Wende zum 21. Jahrhundert darstellt, lässt sich unter Bezug auf eine ‚Kunstfigur’,<br />

die in den bildungspolitischen Debatten der sechziger Jahre eine große Rolle spielte, beschreiben.<br />

Damals galt das ‚katholische Arbeitermädchen vom Lande’ gleichsam als Inkarnation<br />

aller denkbaren Ungleichheiten im Bildungssystem. Diese Kunstfigur sollte auf vier Ungleichheiten<br />

aufmerksam machen, die das west<strong>deutsche</strong> <strong>Schulsystem</strong> dieser Jahre charakterisierten, nämlich<br />

auf<br />

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