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Das deutsche Schulsystem. Entstehung, Struktur ... - Bildungswissen

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2. Die historische Perspektive: Zur <strong>Entstehung</strong> des <strong>deutsche</strong>n<br />

<strong>Schulsystem</strong>s<br />

Im Folgenden soll in groben Zügen die <strong>deutsche</strong> Schulgeschichte skizziert werden. Dabei bezieht<br />

sich die Darstellung (vgl. Herrlitz u.a. 1993) exemplarisch, soweit es die Zeit bis 1918 angeht (vgl.<br />

für eine Übersicht Abb. 1.1, S. 6) , auf die Entwicklung in Preußen; für die Zeit danach (vgl. für eine<br />

Übersicht Abb. 1.2, S. 21) bezieht sich der Text auf Deutschland insgesamt bzw. – für die Jahre zwischen<br />

1945 und 1989 – auf die beiden <strong>deutsche</strong>n Staaten.<br />

2.1 Triebkräfte für den Ausbau des öffentlichen Schulwesens in Preußen<br />

Die Durchsetzung der Schulpflicht und die Etablierung eines staatlich organisierten, finanzierten<br />

und kontrollierten <strong>Schulsystem</strong>s im Verlauf des 19. Jahrhunderts verdankt sich in Preußen (und in<br />

ähnlicher Weise im gesamten deutschsprachigen Raum) drei Faktoren:<br />

- dem etatistischen Interesse, Schulen als Mittel zur Herausbildung eines Staats- und Nationalbewusstseins<br />

zu nutzen (Legitimationsfunktion der Schule),<br />

- dem ökonomischen Interesse, die Entwicklung von Wirtschaft und vor allem staatlicher Verwaltung<br />

durch qualifiziertes Personal (Qualifikationsfunktion und Selektionsfunktion der<br />

Schule) zu fördern sowie<br />

- dem emanzipatorischen Interesse der Einzelnen, durch Bildung die eigenen Lebensmöglichkeiten<br />

zu erweitern (Qualifikationsfunktion der Schule).<br />

Herrlitz, H.-G./Hopf, W./Titze, H. fassen diesen Tatbestand wie folgt zusammen (in: Institutionalisierung<br />

des öffentlichen <strong>Schulsystem</strong>s. In: Lenzen, D.: (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft<br />

Band V, S. 55-71. Stuttgart 1984):<br />

„In der historischen Entwicklung der letzten 200 Jahre hat sich die Schule als öffentliche Einrichtung für<br />

Massenlernprozesse weltweit durchgesetzt. Diese Entwicklung legt den Schluss nahe, dass sie eine erfolgreiche<br />

gesellschaftliche Problemlösung für fundamentale Funktionsbedürfnisse moderner Gesellschaften<br />

darstellt. Die Entwicklung scheint unumkehrbar, da komplexe Gesellschaften die Lernprozesse der heranwachsenden<br />

Generation funktional verselbständigt und durch die Ausdifferenzierung eines in seinen<br />

Grenzen und Funktionen identifizierbaren Bildungssystems auf Dauer gestellt haben“ (S. 56).<br />

Am Beginn der von Herrlitz u.a. angesprochenen Entwicklungsphase formuliert K. A. v. Zedlitz,<br />

preußischer Justizminister unter Friedrich dem Großen, in seiner Schrift „Vorschläge zur Verbesserung<br />

des Schulwesens in den Königlichen Landen“ (1787) die Unzufriedenheit mit den schulischen<br />

Verhältnissen Preußens gegen Ende des 18. Jahrhunderts:<br />

„Wenn der Schulunterricht den Endzweck haben soll, die Menschen besser und für ihr bürgerliches Leben<br />

brauchbar zu machen, so ist es ungerecht, den Bauer wie ein Tier aufwachsen, ihn einige Redensarten,<br />

die ihm nie erklärt werden, auswendig lernen zu lassen; und es ist eine Torheit, den künftigen Schneider,<br />

Tischler, Krämer wie einen künftigen Konsistorialrat oder Schulrektor zu erziehen, sie alle Lateinisch, Griechisch,<br />

Hebräisch zu lehren und den Unterricht in Kenntnissen, die jene nötig haben, ganz zu übergehen<br />

oder diese Kenntnisse für sie unverständlich und unanwendbar vorzutragen. Darauf folgt also, dass der<br />

Bauer anders als der künftige Gewerbe oder mechanische Handwerke treibende Bürger und dieser wiederum<br />

anders als der künftige Gelehrte oder zu höheren Ämtern des Staates bestimmte Jüngling unterrichtet<br />

werden muss. Folglich ergeben sich drei Abteilungen aller Schulen des Staates, nämlich: 1) Bauern-,<br />

2) Bürger- und 3) Gelehrte Schulen“ (S. 74, in: Michael, B./Schepp, H.-H.: Die Schule in Staat und<br />

Gesellschaft. Dokumente zur <strong>deutsche</strong>n Schulgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Göttingen 1993, S.<br />

73-77).<br />

2.2 Die Herausbildung des <strong>Schulsystem</strong>s in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

In Preußen wurde, ähnlich wie in den anderen <strong>deutsche</strong>n Staaten, die allgemeine Schulpflicht im<br />

Verlauf des 18. Jahrhunderts wiederholt proklamiert (1717 „General Edict“, 1763 „Generalschulreglement“<br />

und 1794 „Allgemeines Landrecht“). Durchgesetzt werden konnte die Schulpflicht jedoch<br />

erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts: Während zu Beginn kaum mehr als die Hälfte der Jugendlichen<br />

eine Schule besuchten, taten dies gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahezu alle Jugendlichen.<br />

Innerhalb dieses Prozesses der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht entwickelten sich<br />

– durchaus nach dem durch v. Zedlitz vorgegebenem Muster – das höhere, das mittlere und das<br />

niedere Schulwesen jedoch nach jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten.<br />

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