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Das deutsche Schulsystem. Entstehung, Struktur ... - Bildungswissen

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hin starken Zuwanderung in das Bundesgebiet wird es einen stetigen ‚Strom’ junger Menschen<br />

geben, die im <strong>deutsche</strong>n Qualifikationssystem jeweils ‚ganz unten’ einsteigen müssen. Daher wird<br />

es auf Jahrzehnte hinaus notwendig bleiben, immer wieder neu junge ausländische Menschen an<br />

Bildungsabschlüsse heranzuführen, die ihnen in Deutschland erst allgemeine und berufliche Lebenschancen<br />

erschließen werden.<br />

- Die Folgen: Bildungsbeteiligung und Lebenschancen<br />

Eine bilanzierende Durchmusterung der hier vorgestellten zentralen Daten zur Öffnung der Bildungswege<br />

und zu den damit einhergehenden Expansionsprozessen sowie zur Chancenverteilung<br />

im Bildungssystem ergibt für das endende 20. und das beginnende 21. Jahrhundert ein vergleichsweise<br />

eindeutiges Bild: Der Zulauf zu den allgemein bildenden Schulen, die dort erreichten<br />

Schulabschlüsse und die Beteiligung an beruflicher Ausbildung haben in den Jahren seit 1945 ein<br />

beachtliches Niveau erreicht. Mit der Öffnungspolitik hat es die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht,<br />

dass eine abgeschlossene Schulbildung mit einer anschließenden Berufsausbildung in<br />

Betrieben, Schulen und Hochschulen zur Normalbiographie der Heranwachsenden werden konnte.<br />

Ein Abweichen von dieser Norm, wie es sich seit den neunziger Jahren in Folge des Mangels an<br />

Ausbildungsplätzen im Rahmen der dualen Berufsausbildung wieder verstärkt abzeichnet, wird zu<br />

Beginn des 21. Jahrhunderts als Versagen auch der Gesellschaft wahrgenommen.<br />

Innerhalb dieser so beachtlichen Expansion der Bildungsbeteiligung – auch dies gehört zu einer<br />

Bilanz – ist es aber nur teilweise gelungen, dem im Grundgesetz verankerten Chancengleichheitsgebot<br />

(vgl. dazu Jarass/Pieroth 1992) nachzukommen. Immer noch stellen das Geschlecht (bei der<br />

Berufsausbildung), die Migrationsgeschichte, die regionale und insbesondere die soziale Herkunft<br />

entscheidende Einflussfaktoren dar, wenn es um die Bildungschancen der Heranwachsenden geht.<br />

Die so offensichtlich ungleiche Verteilung von Bildungschancen trägt – dies belegt eine Durchsicht<br />

der einschlägigen Untersuchungen beeindruckend – in einem erheblichen Umfang zu einer ungleichen<br />

Verteilung von Lebenschancen bei und bestimmt somit den weiteren Lebensweg (vgl. dazu<br />

insgesamt Block/Klemm 1997, S.91-S.102). Dies soll – exemplarisch – für die Bereiche<br />

- ‚Bildungsteilhabe und Erwerbsarbeit’ sowie<br />

- ‚Bildungsteilhabe und Orientierungsvermögen’ abschließend gezeigt werden.<br />

Die Auswirkungen eines ‚hohen’ Schulabschlusses für die Teilhabe am Erwerbsleben sind unverkennbar:<br />

Sie zeigen sich beim Eintritt in eine Berufsausbildung, bei der Teilhabe an Erwerbsarbeit<br />

und beim erzielbaren Einkommen. Gerade in Phasen des Ausbildungsplatzmangels wird deutlich,<br />

wie stark die Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, mit dem erworbenen Schulabschluss<br />

zusammenhängen. So erhielt Ende der 1990er Jahre von den Schulabsolventen ohne Schulabschluss<br />

lediglich ein Sechstel einen Ausbildungsplatz (vgl. Bellenberg/Klemm 2000, S. 69). Die<br />

darin zum Ausdruck kommende Verbindung zwischen Schulbildung und Ausbildungschancen setzt<br />

sich in dem ebenso beachtlichen Zusammenhang zwischen Ausbildungsabschluss und Arbeitslosigkeit<br />

fort: 1998 betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland insgesamt 11%. In der Gruppe der<br />

Erwerbstätigen ohne formalen Berufsbildungsabschluss lag sie dagegen bei 26%, bei den Erwerbstätigen<br />

mit Hochschulabschluss dagegen bei ‚nur’ 3% (bmbf 2001, S.415). Schließlich schlagen<br />

sich Schul- und Berufsausbildung im erzielbaren Einkommen nieder: Wenn das Einkommen<br />

der Absolventen der dualen Ausbildung für 2000 mit 100% angesetzt wird, so beläuft sich das entsprechende<br />

Einkommen der Erwerbstätigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung auf 75%; Erwerbstätige<br />

mit einer Ausbildung an Fachschulen oder an Berufsakademien erreichen 115%, solche<br />

mit einem Hochschulabschluss dagegen 163%. Eindringlich belegt dies die ökonomischen<br />

Folgen der unterschiedlichen Teilhabe an Bildung und Ausbildung (vgl. OECD 2002, S.148).<br />

Der individuelle Nutzen von Bildung und damit die Folgen ungleicher Bildungsbeteiligung bleiben<br />

aber keineswegs auf den im engeren Sinne ökonomischen Bereich beschränkt. Die Teilhabe an<br />

Bildung stellt den Einzelnen kognitive Kompetenzen zur Verfügung, die – neben ihrer Bedeutung<br />

für den Zugang zum Erwerbsleben – als Orientierungswissen in einem komplexer werdenden Alltag<br />

von hoher Bedeutung sind. Dies soll mit drei Beispielen belegt werden:<br />

Im Verlauf der Bildungsexpansion konnte die Bildungsbeteiligung der Mädchen und jungen Frauen<br />

drastisch gesteigert werden. Inzwischen haben sie – wie gezeigt wurde - in allen Bereichen der<br />

Schulen die Jungen und jungen Männer überholt. Ende der 1990er Jahre stellen sie auch bei den<br />

Erstsemestern der Universitäten die Mehrheit. Dies hat – trotz aller Einbrüche, die die Frauen beim<br />

Übergang aus Schul- und Berufsausbildung in das Erwerbsleben erfahren – zu einer Stärkung ihrer<br />

individuellen Orientierungsmöglichkeiten beigetragen. Die Belege dafür sind unübersehbar: Die<br />

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