Forschungsbericht 2010 - 2011 - Hochschule Bremen
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Möglichkeiten und Grenzen dauerhaft erfolgreicher Wirtschaftspolitik in kleinen europäischen<br />
Volkswirtschaften im Kontext der Globalisierung<br />
Laufzeit Projektbeteiligter<br />
11/2008 - 10/<strong>2011</strong> Pfannkuche, Alexander, Dipl.-Volkswirt<br />
Projektleiter<br />
Bass, Hans Heinrich, Prof. Dr.<br />
Kurzfassung<br />
Untersucht werden in diesem Vorhaben wirtschaftspolitische<br />
Optionen und Strategien "kleiner" europäischer<br />
Volkswirtschaften.<br />
Als "klein" werden im Allgemeinen Staaten bezeichnet,<br />
deren Bevölkerungszahl unter einem Schwellenwert<br />
liegt (häufig: weniger als 5 Mio. Einwohner).<br />
In volkswirtschaftlicher Hinsicht teilen Kleinstaaten<br />
verschiedene Charakteristika: Einerseits können sie<br />
kaum Massenproduktionsvorteile ausnutzen und haben<br />
wegen des kleinen Binnenmarktes eine nur wenig<br />
diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Daher sind sie besonders<br />
offen für den Weltmarkt, und ihre Wirtschaft<br />
ist für exogene Schocks besonders anfällig, reagiert<br />
also mit stärkeren Schwankungen als in größeren<br />
Volkswirtschaften. Auf der anderen Seite können sie<br />
bestimmte Nischen besetzen (oft im Finanzsektor<br />
und in anderen, nicht von Skalenerträgen geprägten<br />
Dienstleistungsbranchen), und durch einen relativ kleinen<br />
Regierungs- und Verwaltungsapparat können sie<br />
auf die Veränderungen der Weltwirtschaft ohne größere<br />
interne Blockaden reagieren.<br />
In der Vorglobalisierungszeit betonte die wirtschaftswissenschaftliche<br />
Kleinstaatenforschung meist die<br />
volkswirtschaftlichen Nachteile der Kleinheit, während<br />
sich die neuere Forschung optimistisch zeigt und<br />
Bedingungen untersucht, unter denen Kleinstaaten<br />
die Nachteile ihres begrenzten Binnenmarktes und<br />
der hohen Verletzlichkeit durch weltwirtschaftliche<br />
Schocks ausgleichen konnten und sich teilweise sogar<br />
als besonders erfolgreiche Modelle empfehlen ("Singapur-Paradox").<br />
Die genauen Bedingungen sollen an<br />
Hand von Fallstudien untersucht werden. Dabei sind<br />
die jeweils unterschiedlichen Ausgangsbedingungen<br />
und Entwicklungspfade zu berücksichtigen.<br />
Als Ergebnis wird eine umfassende Darstellung und<br />
Bewertung der wirtschaftspolitischen Strategien erwartet,<br />
aus der sich Prognosen und Handlungsempfehlungen<br />
ableiten lassen: Welche wirtschaftliche Bedeutung<br />
der Kleinstaaten ist in der Zukunft möglich,<br />
welche ist wahrscheinlich? Und welche Lehren lassen<br />
sich daraus ziehen für die wirtschaftspolitischen Akteure<br />
in der Europäischen Union insgesamt, insbesondere<br />
auch im Hinblick darauf, dass globalisierungsbedingt<br />
alle Volkswirtschaften im weltwirtschaftlichen<br />
Sinne zunehmend "kleiner" werden, d.h. den Weltmarkt<br />
nicht beeinflussen können und seine Standards<br />
zunehmend akzeptieren müssen.<br />
Das Forschungsprojekt ist mit einem Dissertationsvorhaben<br />
verknüpft, das die drei baltischen Staaten und<br />
die drei transkaukasischen Kleinstaaten miteinander<br />
vergleicht.<br />
Fragestellung<br />
Der "Vater" der ökonomischen Kleinstaatenforschung,<br />
Kuznets (1960), argumentierte, dass wirtschaftliches<br />
Wachstum in kleinen Staaten – definiert durch Unterschreitung<br />
von Schwellenwerten bei den Kriterien der<br />
Fläche, der Bevölkerungszahl oder der Wirtschaftsleistung<br />
einer Volkswirtschaft – wegen der Begrenztheit<br />
der natürlichen Ressourcen und der größeren<br />
wirtschaftlichen Unsicherheit besonders schwierig sei.<br />
Die bisherige Forschung (zusammenfassend: Simon<br />
2006) zeigte, dass im "objektiven" Sinne kleine<br />
Volkswirtschaften keine Miniaturausgaben von großen<br />
Volkswirtschaften sind, da ihnen für viele Produktionsbereiche<br />
die erforderliche Größe fehlt, um überhaupt<br />
Skalenerträge zu realisieren bzw. Skalenerträge in<br />
einer größeren Anzahl von Branchen zu realisieren.<br />
Die damit einhergehende Spezialisierung bedingt<br />
eine hohe außenwirtschaftliche Offenheit und zudem<br />
oft auch eine Spezialisierung auf nur wenige Handelspartner.<br />
Dadurch entsteht eine hohe ökonomische<br />
Verletzlichkeit durch exogene Ereignisse – der<br />
"Mokkatasseneffekt" (eine leichte Erschütterung einer<br />
vollen Mokkatasse lässt den Inhalt stark überschwappen).<br />
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Kleinstaaten<br />
werde zudem vom mangelnden nationalen<br />
Wettbewerb negativ beeinflusst, da der kleine Binnenmarkt<br />
die Monopolbildung begünstige (Briguglio/<br />
Buttigieg 2003); die Konzentration infolge der geringen<br />
Diversifikation gelte auch in regionaler Hinsicht:<br />
die meisten Kleinstaaten weisen eine hohe räumliche<br />
Konzentration von Wirtschaft und Verwaltung in der<br />
Hauptstadt auf (Felsenstein/Portnov 2005).<br />
Schon Kuznets hatte argumentiert, dass der Nachteil<br />
der Kleinheit durch große Anstrengungen in der Ausbildung<br />
der Arbeitskräfte und bei der Entwicklung flexibler<br />
sozialer Institutionen überwunden werden könne.<br />
Ein anderer "Klassiker" der ökonomischen Kleinstaatenforschung,<br />
Katzenstein, argumentierte, dass sich<br />
durch interne soziale und kulturelle Homogenität in<br />
kleinen Staatswesen und entsprechend schnellere<br />
Mechanismen wirtschaftspolitischer Entscheidungen<br />
der Nachteil der Kleinheit auch in einen Vorteil verwandeln<br />
könne – gesetzt den Fall, es gibt sozialpolitische,<br />
häufig aber auch: "korporatistische" – Ausgleichssysteme<br />
zum Nutzen der potenziellen Verlierer<br />
des Strukturwandels und/oder der Weltmarktöffnung<br />
(Katzenstein 1985).<br />
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