MANAGEMENTSo ein KäseMISSBRAUCHTE VERKÄSUNGSZULAGE Der Nationalrat will, dass dieVerkäsungszulage künftig mit einem fixen Betrag im Gesetz verankert werden soll.Letztes Jahr ging rund jeder dritte Franken Verkäsungszulage an die industriellenMilchverarbeiter, oft war die Schweizer Milch dadurch sogar billiger als in der EU.Grafik:in CHF je 100 kgEvelineDuddaSie beschäftigt in regelmässigenAbständen die Politik und ist inzwischengut 10 Jahre alt: Die Verkäsungszulage.Sie wurde als Kernelementder «neuen Milchmarktordnung»mit der Agrarpolitik 2002 eingeführt.Damals hiess es, man wolle damit denRohstoff Milch soweit verbilligen, dass«Käse ohne Beihilfe in die EU exportiertwerden kann». Das wurde in den letztenJahren auch gemacht.Der EU-Milchpreis lag letztes Jahr beirund 42 Rp. Zusammen mit der Verkäsungszulage(15Rp.) und der Siloverzichtszulage(3Rp.) hätten die silofreienMilchproduzenten also mindestens 60Rp. für ihre Milch erhalten müssen. InTat und Wahrheit zahlten aber die meistenEmmentaler- und einige andere Käsereienlediglich 55Rp. oder wenigeraus. Noch krasser wird die Rechnung,wenn man von verkäster Industriemilch,zum Beispiel für die Mozzarellaproduktion,ausgeht. Wird diese zum B-Preiseingekauft, bekommt der Verarbeiterdie Schweizer Milch billiger als seineVergleich mit Deutschland und ÖsterreichQuelle: BLW Marktbeobachtung, BMELV Deutschland, AMA Österreich908070605040302010001.06 08.06 03.07 10.07 05.08 12.08 07.09 02.10 09.10 04.11 11.11 06.12Schweiz Deutschland ÖsterreichWechselkursbereinigte Produzentenmilchpreise (von 2006 – 2012).Kollegen in der EU (55Rp. B-Milchpreis,minus 15Rp. Verkäsungszulage = 40Rp.).Zu allem Überfluss finanzieren die Bauernauch noch den anfallenden Rahmüber den Marktentlastungsfonds mit.Kauft der Verarbeiter die Milch alsgestützte C-Milch ein (z.B. für 37Rp.)und kassiert zusätzlich die Beiträge ausdem Fonds Marktentlastung (ca. 12Rp.),dann kann er die Milch sogar für 20Rp.haben. Das erklärt, warum man in derSchweizer Exportstatistik Frischkäse findet,der für Fr. 3.20 pro Kilo exportiertwurde. Ganz schlaue Käser zahlen für dieMilch nur einen C-Preis von 30Rp., stellenMagerkäse daraus her, lassen sich dieanfallende Butter aus dem Marktentlastungsfondsbezahlen und haben so dieMilch praktisch zum Nulltarif. Von dieserMöglichkeit machen die Verarbeiter kräftigGebrauch: Letztes Jahr wurde fünfmalso viel Magerkäse hergestellt wie im Jahr2006, beinahe 5000t.Missbrauchspotenzial Dass dieVerkäsungszulage nicht immer vollumfänglichbei den Bauern landet, hat auchdas Bundesamt für Landwirtschaft(BLW) erkannt. Ein Missbrauch liegt ausdessen Sicht jedoch erst vor, wenn dieBauern weniger für ihre Milch erhalten,als der Bund an Zulagen zahlt, also wenigerals 15 beziehungsweise 18 Rappen.Auch das ist schon vorkommen:Käser Wick aus Benken zahlte seinenMilchlieferanten lange Zeit überhauptkein Milchgeld aus. Wick ist zwar eineAusnahme, der Missbrauch der Zulageist es jedoch nicht. Das Problem liegt inder Umsetzung der Segmentierung. Alsdie Branchenorganisation Milch (BO-Milch) die Segmentierung vor zwei Jahrenein führte, ging man davon aus, dassProdukte mit Grenzschutz und Rohstoffausgleich(Verkäsungszulage, Schoggigesetz)primär aus A-Milch hergestelltwerden. Doch dann gab es Widerstand,wie Daniel Gerber, der Geschäftsführerder BO-Milch, erklärt: «Die Verarbeiterwiesen darauf hin, dass in spezifischenFällen der A-Preis nicht bezahlt werdenkann.» Die Branchenorganisation erlaubtedeshalb, dass auch B-Milch verkästwerden kann, wenn dies zur «Importabwehr»oder für «Exportprojekte»nötig ist. Trotz mehrerer Anläufe ist esBO-Milch nicht gelungen, diese Ausnahmetatbeständegenauer zu definieren.Gerber ist darüber nicht glücklich,denn er weiss: «Insbesondere der Begriff‹Importabwehr› lässt einen zu grossenInterpretationsfreiraum offen.» Er hofftjedoch, dass die BO-Milch an der Delegiertenversammlungvom 12. November2012 griffige Definitionen vorlegenkann. Bis dahin steht nur fest, dass silofreieMilch nicht als B-Milch eingekauftwerden darf und dass C-Milch grundsätzlichnicht zum Verkäsen vorgesehenist. Kontrolliert wird allerdings nicht.Gesamthaft wurden letztes Jahr1.73Mio. t Milch verkäst. 1.08 Mio. tstammten dabei aus silofreier Produktion– vor vier Jahren waren es noch1.14Mio. t. Letztes Jahr ging jeder dritteFranken Verkäsungszulage an die industriellenMilchverarbeiter (Tabelle). Alsindustriell werden Betriebe bezeichnet,die entweder mehr als 10Mio. kg Milchverkäsen oder zu einem grossen Milchverarbeitergehören.Mehr B-Milch verkäst Im November2010 ging die BO-Milch nochvon gut 3 Mio. t Milch im A-Segmentaus. Das entsprach rund 90% der dama-22 11 2012 · <strong>UFA</strong>-REVUE
MANAGEMENTLetztes Jahr wurdeaus 650 000 t Silo-Milch Käse hergestellt.Tabelle: Die grössten Bezügerder Verkäsungszulage2011 Verkäsungszulage +SiloverzichtszulageEmmi41.0 Mio. Fr.Züger Frischkäse 13.7 Mio. Fr.Cremo SA 7.1 Mio. Fr.Imlig Käserei 5.5 Mio. Fr.Strähl Käse AG 4.0 Mio. Fr.Baer AG 2.4 Mio. Fr.ELSA1.6 Mio. Fr.Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft, BLWVerkäsungszulage nur noch für Käse aus MilchIm Paket über die Agrarpolitik 2014 – 17 sind einige Änderungen beider Verkäsungszulage vorgesehen. So soll es Verkäsungszulage künftignur noch für Käse geben, der aus Milch gemacht wird. Das klingtzwar logisch, ist es aber nicht, wie der Bundesrat schreibt: «Damit wirdimplizit ausgeschlossen, dass die Herstellung von Käse aus Magermilchpulver,Vollmilchpulver und Proteinkonzentraten eine Zulage auslöst.»Von der Neuregelung ist auch Mascarpone betroffen, da dieser Käsenicht aus Milch, sondern aus Rahm hergestellt wird.ligen Milchmenge und würde auch heutenoch 85% der Milch umfassen. Dochinzwischen kauft selbst der grössteMilchverarbeiter der Schweiz, Emmi,nur noch 65% A-Milch ein. Rund 30%von den 935Mio. kg Milch, die Emmipro Jahr verarbeitet, wird verkäst.35Mio. kg sind laut Emmi davon silofreieKäsereimilch, die zum A-Milchpreiseingekauft wird. Auch der neulancierte Scheibenkäse soll laut Emmi-Mediensprecherin Sibylle Umiker nuraus A-Milch hergestellt werden. Danebenverkäst Emmi aber auch B-Milch.Umiker: «Emmi beschafft die Milchmengegemäss den Segmentierungsvorgabender BO Milch.» Und die sind, wieoben beschrieben, ziemlich vage. DieIndustriemilch wird bei Emmi mittelsBaktofuge zur Herstellung von Rohmilchkäseaufbereitet. Dass der Grenzwertfür Sporen nur deshalb vor zweiJahren von 2500 auf 1000 reduziertwurde, verneint Umiker: «Damals wurdeauch die Messmethode geändert.Die Anforderungen blieben damit unverändert.»Verkäsungszulage gibt esübrigens auch für Schmelzkäse-Rohware,nicht jedoch für klassischen Schmelzkäse.Den produziert Emmi weiterhin imVeredelungsverkehr. Nur dass die Butterdafür inzwischen aus Deutschland, stattaus Holland importiert wird.Sündenbock Wechselkurs Dasliegt angeblich am Preis und am Wechselkurs.Letzteres widerlegen die Zahlender Marktbeobachtung vom BLWjedoch: Die Differenz bei den Produ -zentenpreisen zwischen Deutschland,Österreich und der Schweiz sind seitzwei Jahren konstant. Der Abstand hatsich seit dem Ausstieg aus der Milchkontingentierungim 2006 um zehnRappen verringert. Wenn man die Verkäsungszulageabzieht, beträgt der Unterschiedzwischen hüben und drübengerade mal fünf Rappen. Wenn es denVerarbeitern nicht gelingt, diese kleinePreisdifferenz als Swissness-Prämie inWert zu setzen, dann kann das eigentlichnur eines bedeuten: Die SchweizerMilchverarbeiter sind nicht wettbewerbsfähig.Autorin EvelineDudda, Agrarjournalistinund Dipl. Ing. Agr.,9452 Hinterforst,www.dudda.chINFOBOXwww.ufarevue.ch 11 · 12<strong>UFA</strong>-REVUE · 11 2012 23