05.12.2012 Aufrufe

Mitteilungen 1/2004 - Deutsche Gesellschaft für Sprechwissenschaft ...

Mitteilungen 1/2004 - Deutsche Gesellschaft für Sprechwissenschaft ...

Mitteilungen 1/2004 - Deutsche Gesellschaft für Sprechwissenschaft ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1/<strong>2004</strong> DGSS-<strong>Mitteilungen</strong> � Berichte 37<br />

richtig verstanden habe, primär in der Weitergabe von fachlicher SPRECHKOMMUNI-<br />

KATIONS-KOMPETENZ an derzeitige und künftige Lehrer und nicht so sehr in dem<br />

nebenschulischen Veranstalten von Rhetorikkursen, an denen sicherlich oft mehr<br />

oberschlaue, oder sich so vorkommende, Schüler teilnehmen. Für das Fach sicher eine<br />

schwierige Arbeit, weil hierzu die pädagogische und fachliche Vermittlung der ohnehin<br />

gefordert und oftmals überforderten Lehrer gehört.<br />

Also vermehrte Akquisitions- und gezielte Öffentlichkeitsarbeit der DGSS, in dieser Hinsicht?<br />

Und das gerade bei dem chronischem Geldmangel der öffentlichen Hand!<br />

Die nachfolgenden Zitate beleuchten nach meiner Ansicht treffend die thematisch angesprochene<br />

gegenwärtig verschärfte gesellschaftliche Situation. Es sind Auszüge aus:<br />

Konrad Adam: Die deutsche Bildungsmisere � Pisa und die Folgen. Econ Ullstein List<br />

Verlag, Berlin-München. Propyläen Verlag 2002.<br />

Konrad Lorenz: Der Abbau des Menschlichen. Pieper & Co Verlag, München, 1983.<br />

August von Cieszkowski: Prolegemena zur Historiosophie. Felix Meiner Verl., Hamburg,<br />

1981.<br />

"Bis in die 60-ziger Jahre hat das Wort Kanon in den Schulen einen guten Klang gehabt. Es<br />

bezeichnete nicht nur den Stoff, der gelernt werden sollte, die Autoren, die man kennen<br />

musste, und die Werke, die zu lesen waren, sondern auch die Fächer, die dazu geeignet<br />

schienen. Die Repräsentanten der Schulen und Hochschulen hatten es nicht allzu schwer,<br />

sich auf die kanonischen Anforderungen zu verständigen, die von einem Abiturienten<br />

erwartet werden durften, und eine kluge, weil noch nicht allzu selbstbewusste<br />

Kultusbürokratie ließ sie auch gewähren. Das letzte Zeugnis dieses Nachkriegskonsenses<br />

in Bildungsdingen war der Tutzinger Maturitätskatalog von 1959. Unter der Überschrift<br />

'Begriff der Hochschulreife � Inhaltliches Minimum' hieß es dort:<br />

1) Einwandfreies Deutsch; Fähigkeit einen eigenen Gedankengang zu formulieren und<br />

einen fremden richtig wiederzugeben, sowohl mündlich wie auch schriftlich, mit einem<br />

Wortschatz, der auch feinere Unterschiede ermöglicht. usf.<br />

Was auffällt, ist nicht nur der selbstgewisse Ton, in dem der gymnasiale Bildungskanon nur<br />

wenige Jahre, bevor er endgültig liquidiert werden sollte, hier noch einmal beschworen wird.<br />

Viel auffälliger ist die Selbstverständlichkeit, mit der Begriffe wie Meisterwerk, klassische<br />

Literatur und wertvolle Prosa, flüssige Lektüre und einwandfreies Gespräch gebraucht<br />

werden. Dass alles was da noch einmal festgeschrieben werden sollte, längst nicht so fest<br />

stand, wie es sich gab, weiß man inzwischen.<br />

Den Willen, der Bildung eine bestimmte, der Tradition und Herkommen ebenso stark wie<br />

durch die Anforderungen der Gegenwart bestimmte Richtung zu geben, hat das aber nicht<br />

beeinträchtigt. Man wollte erziehen und sagte auch, mit was <strong>für</strong> Werken, in welchen<br />

Fächern und zu welchem Zweck. (Nicht um willfährige 'brauchbare Idioten' herzustellen!)<br />

Wilhelm von Humboldt, der dem deutschen Bildungsgedanken sein eigentümliches, nach<br />

innen gekehrtes Aussehen gegeben hatte, war immer noch erkennbar. Entscheidend war<br />

<strong>für</strong> die Matura, das Zeugnis der Reife, war nicht die Fähigkeit einen Katalog von Fragen<br />

und Aufgaben nach Art des PISA-Tests möglichst fehlerfrei abzuhaken, sondern die<br />

Konzentration auf das Wesentliche, auf Klassisches und Exemplarisches. Möglichst viel an<br />

möglichst wenig zu erkennen und zu lernen, blieb das Ziel, wenn es um Lehrpläne und<br />

Stundentafeln ging. Die Schüler sollten nicht nur richtig, sondern auch gut formulieren, ihre<br />

Ansichten klar begründen und Sinn <strong>für</strong> künstlerische Qualität entwickeln. Bildungswille und<br />

Bildungsgegenstand mussten zusammen passen, der 'reine Gedanke' brauchte einen Stoff,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!