2015-02
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Foto: Gudrun und Wolfgang Neuser<br />
nach der Örtlichkeit der Hölle, die die Menschen in früherer<br />
Zeit tief unten in der Erde verorteten. Und heute?<br />
Ich denke, als eine Drohkulisse für einen Ort ewiger Verdammnis<br />
hat die Hölle – auf die ich später noch mal zurückkommen<br />
werde – sicherlich ausgedient. Aber hat sich<br />
mit der Verdunstung der teuflischen Hölle nicht auch der<br />
göttliche Himmel verflüchtigt? Ist von ihm, dem Himmelreich,<br />
nichts anderes übrig geblieben, als der „Sky“, eine<br />
naturwissenschaftliche Betrachtungsweise, die einer gasförmigen,<br />
blau schimmernden,<br />
schützenden Hülle (Atmosphäre),<br />
mit freiem Blick<br />
in die unendlichen Tiefen<br />
und Weiten des Weltalls, sozusagen<br />
ein astronomisch offener Himmel? Ja, aufgrund<br />
der Weltraumforschung und hochmoderner Technologien<br />
kennen wir nicht nur den Blick von der Erde in den<br />
Himmel, also von unten nach oben, sondern auch den<br />
Blick von oben nach unten, sozusagen vom Himmel auf<br />
die Erde. Zeigen uns diese astronomischen Blickwinkel,<br />
bei all ihrer beeindruckenden Faszination und Schönheit,<br />
nicht gleichzeitig auch die Lebensfeindlichkeit und damit<br />
die „Gottlosigkeit“ des Kosmos? Als die Welt sich in eine<br />
Unendlichkeit von Weltkörpern und der Himmel in einen<br />
optischen Schein auflöste, da erst trat an den alten persönlichen<br />
Gott gleichsam die Wohnungsnot heran, so der<br />
deutsche Philosoph und Theologe David-Friedrich Strauß<br />
(1808–1878). Hier wäre zu fragen, ist es nicht eher eine<br />
Orientierungsnot des Menschen bei der Suche nach seiner<br />
wahren Heimat, als eine Wohnungsnot Gottes? Verbirgt<br />
sich hinter all der naturwissenschaftlichen Neugier und<br />
Forschung (nicht nur im Weltall, in Wahrheit eine tief in<br />
uns vorhandene Angst vor einer vollständigen Aussichtslosigkeit<br />
und Nutzlosigkeit unserer menschlichen Existenz,<br />
verbunden mit einer radikalen Heimatlosigkeit? Eine<br />
Ur-Angst, die uns Menschen danach suchen lässt, ob es<br />
in den unendlichen Weiten des Universums nicht doch<br />
irgendwo einen Ort von Geborgenheit und Zugehörigkeit<br />
geben könnte, wie er auf dieser Erde niemals zu finden<br />
sein wird? Steckt hinter dem neugierigen Forschergeist<br />
des Menschen in Wirklichkeit die verborgene Suche und<br />
Sehnsucht nach einer (uranfänglich verloren gegangenen)<br />
Heimat, dem Paradies? Für den dänischen Philosophen<br />
Sören Kierkegaard (1813-1855) bedarf der Mensch einer<br />
Geborgenheit im Unendlichen, um im Endlichen zurechtzukommen.<br />
Der Himmel ist kein Ort,<br />
den man sich verdienen kann<br />
Nicht WIE sondern WARUM<br />
Eine Kernfrage unserer menschlichen Existenz, die uns<br />
tief in unserer Seele beschäftigt und der wir auch nicht<br />
ausweichen können, lautet: Woher kommen wir und wohin<br />
gehen wir? Irgendwann, früher oder später, stellt sich wohl<br />
jeder von uns im Leben einmal diese Frage. Oder reicht uns<br />
aufgeklärten Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts die<br />
Aussage der Astrophysik, dass wir im Grunde genommen<br />
nichts anderes sind als Sternenstaub,<br />
zusammengesetzt<br />
aus vielen verschiedenen chemischen<br />
Elementen, ein nur<br />
kurzlebiges Zufallsprodukt in<br />
Raum und Zeit, hervorgerufen durch gewaltige Supernova-<br />
Explosionen, die sich am Ende eines Sternenlebens ereignen?<br />
Sind wir (nur) Kinder des Weltalls und unsere Heimat<br />
die gottlosen Weiten des Universums? Unser persönliches<br />
Leben auf dem Planeten Erde nicht mehr ist als ein flüchtiges,<br />
völlig bedeutungsloses Intermezzo der Evolution?<br />
Reichen solche und auch andere naturwissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse aus, auf so existenziell wichtige Fragen des<br />
Menschen nach dem Woher und Wohin eine zufriedenstellende<br />
und vor allem beruhigende Antwort zu geben? Ich<br />
denke nein. Mag ja sein, dass wir ohne Sonne, Mond und<br />
Sterne nicht wären, doch sie sind völlig gleichgültig gegenüber<br />
unserer Existenz. Der entgötterte Himmel schweigt<br />
zu unseren Lebensfragen genauso wie die Natur in ihrer<br />
majestätischen Gleichgültigkeit uns Menschen gegenüber.<br />
An dieser Stelle gilt es, einen gravierenden Unterschied<br />
zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften<br />
zu beachten. Die Naturwissenschaften erforschen<br />
und erklären uns wie alles gemäß den festgeschriebenen Naturgesetzen<br />
funktioniert unter Beachtung des Prinzips von<br />
Ursache und Wirkung, während die Geisteswissenschaften,<br />
vorwiegend die Existenzphilosophie und Theologie versuchen,<br />
auf die Frage nach dem Warum eine Antwort zu finden.<br />
Ein gravierender Unterschied, denn mit dem Warum<br />
verbindet sich schließlich die elementare Frage nach dem<br />
Sinn von allem. Warum gibt es überhaupt das Universum<br />
und warum leben wir? Worin liegt der Sinn des Lebens?<br />
Schwerwiegende und vielleicht nicht beantwortbare Fragen.<br />
Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?<br />
Diese berühmt gewordene Frage stellte schon der deutsche<br />
Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716). Dieses<br />
Warum, das nach der Existenz von Allem fragt, kann "<br />
2/<strong>2015</strong> durchblick 59