19.08.2016 Aufrufe

2015-02

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Foto: Gudrun und Wolfgang Neuser<br />

nach der Örtlichkeit der Hölle, die die Menschen in früherer<br />

Zeit tief unten in der Erde verorteten. Und heute?<br />

Ich denke, als eine Drohkulisse für einen Ort ewiger Verdammnis<br />

hat die Hölle – auf die ich später noch mal zurückkommen<br />

werde – sicherlich ausgedient. Aber hat sich<br />

mit der Verdunstung der teuflischen Hölle nicht auch der<br />

göttliche Himmel verflüchtigt? Ist von ihm, dem Himmelreich,<br />

nichts anderes übrig geblieben, als der „Sky“, eine<br />

naturwissenschaftliche Betrachtungsweise, die einer gasförmigen,<br />

blau schimmernden,<br />

schützenden Hülle (Atmosphäre),<br />

mit freiem Blick<br />

in die unendlichen Tiefen<br />

und Weiten des Weltalls, sozusagen<br />

ein astronomisch offener Himmel? Ja, aufgrund<br />

der Weltraumforschung und hochmoderner Technologien<br />

kennen wir nicht nur den Blick von der Erde in den<br />

Himmel, also von unten nach oben, sondern auch den<br />

Blick von oben nach unten, sozusagen vom Himmel auf<br />

die Erde. Zeigen uns diese astronomischen Blickwinkel,<br />

bei all ihrer beeindruckenden Faszination und Schönheit,<br />

nicht gleichzeitig auch die Lebensfeindlichkeit und damit<br />

die „Gottlosigkeit“ des Kosmos? Als die Welt sich in eine<br />

Unendlichkeit von Weltkörpern und der Himmel in einen<br />

optischen Schein auflöste, da erst trat an den alten persönlichen<br />

Gott gleichsam die Wohnungsnot heran, so der<br />

deutsche Philosoph und Theologe David-Friedrich Strauß<br />

(1808–1878). Hier wäre zu fragen, ist es nicht eher eine<br />

Orientierungsnot des Menschen bei der Suche nach seiner<br />

wahren Heimat, als eine Wohnungsnot Gottes? Verbirgt<br />

sich hinter all der naturwissenschaftlichen Neugier und<br />

Forschung (nicht nur im Weltall, in Wahrheit eine tief in<br />

uns vorhandene Angst vor einer vollständigen Aussichtslosigkeit<br />

und Nutzlosigkeit unserer menschlichen Existenz,<br />

verbunden mit einer radikalen Heimatlosigkeit? Eine<br />

Ur-Angst, die uns Menschen danach suchen lässt, ob es<br />

in den unendlichen Weiten des Universums nicht doch<br />

irgendwo einen Ort von Geborgenheit und Zugehörigkeit<br />

geben könnte, wie er auf dieser Erde niemals zu finden<br />

sein wird? Steckt hinter dem neugierigen Forschergeist<br />

des Menschen in Wirklichkeit die verborgene Suche und<br />

Sehnsucht nach einer (uranfänglich verloren gegangenen)<br />

Heimat, dem Paradies? Für den dänischen Philosophen<br />

Sören Kierkegaard (1813-1855) bedarf der Mensch einer<br />

Geborgenheit im Unendlichen, um im Endlichen zurechtzukommen.<br />

Der Himmel ist kein Ort,<br />

den man sich verdienen kann<br />

Nicht WIE sondern WARUM<br />

Eine Kernfrage unserer menschlichen Existenz, die uns<br />

tief in unserer Seele beschäftigt und der wir auch nicht<br />

ausweichen können, lautet: Woher kommen wir und wohin<br />

gehen wir? Irgendwann, früher oder später, stellt sich wohl<br />

jeder von uns im Leben einmal diese Frage. Oder reicht uns<br />

aufgeklärten Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts die<br />

Aussage der Astrophysik, dass wir im Grunde genommen<br />

nichts anderes sind als Sternenstaub,<br />

zusammengesetzt<br />

aus vielen verschiedenen chemischen<br />

Elementen, ein nur<br />

kurzlebiges Zufallsprodukt in<br />

Raum und Zeit, hervorgerufen durch gewaltige Supernova-<br />

Explosionen, die sich am Ende eines Sternenlebens ereignen?<br />

Sind wir (nur) Kinder des Weltalls und unsere Heimat<br />

die gottlosen Weiten des Universums? Unser persönliches<br />

Leben auf dem Planeten Erde nicht mehr ist als ein flüchtiges,<br />

völlig bedeutungsloses Intermezzo der Evolution?<br />

Reichen solche und auch andere naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse aus, auf so existenziell wichtige Fragen des<br />

Menschen nach dem Woher und Wohin eine zufriedenstellende<br />

und vor allem beruhigende Antwort zu geben? Ich<br />

denke nein. Mag ja sein, dass wir ohne Sonne, Mond und<br />

Sterne nicht wären, doch sie sind völlig gleichgültig gegenüber<br />

unserer Existenz. Der entgötterte Himmel schweigt<br />

zu unseren Lebensfragen genauso wie die Natur in ihrer<br />

majestätischen Gleichgültigkeit uns Menschen gegenüber.<br />

An dieser Stelle gilt es, einen gravierenden Unterschied<br />

zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften<br />

zu beachten. Die Naturwissenschaften erforschen<br />

und erklären uns wie alles gemäß den festgeschriebenen Naturgesetzen<br />

funktioniert unter Beachtung des Prinzips von<br />

Ursache und Wirkung, während die Geisteswissenschaften,<br />

vorwiegend die Existenzphilosophie und Theologie versuchen,<br />

auf die Frage nach dem Warum eine Antwort zu finden.<br />

Ein gravierender Unterschied, denn mit dem Warum<br />

verbindet sich schließlich die elementare Frage nach dem<br />

Sinn von allem. Warum gibt es überhaupt das Universum<br />

und warum leben wir? Worin liegt der Sinn des Lebens?<br />

Schwerwiegende und vielleicht nicht beantwortbare Fragen.<br />

Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?<br />

Diese berühmt gewordene Frage stellte schon der deutsche<br />

Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716). Dieses<br />

Warum, das nach der Existenz von Allem fragt, kann "<br />

2/<strong>2015</strong> durchblick 59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!