Wirtschaftsbericht_2016
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Wirtschaftspolitisches Programm<br />
<strong>Wirtschaftsbericht</strong> Österreich <strong>2016</strong><br />
werbsbehörden. Die Geschäftsmodelle dieser Plattformen sehen in der Regel vor, dass eine Pro-<br />
vision im Fall einer erfolgreichen Geschäftsvermittlung zu leisten ist. Daneben werden aber noch<br />
weitere Bedingungen an Unterkunftanbieter gestellt. Dabei sind die verlangten Bestpreisklauseln<br />
von besonderem wettbewerbsrechtlichem Interesse. Wettbewerbsbehörden in Frankreich, Italien<br />
und Schweden haben im Jahr 2015 akzeptiert, dass eine Buchungsplattform die Geschäftsbedin-<br />
gungen derart ändert, dass sie den Unterkunftgebern gestattet, dass auf anderen Plattformen<br />
ebenso günstige Preise angeboten werden (weite Bestpreisklausel). Auf den eigenen Webseiten<br />
des Unterkunftgebers dürften nach dieser Verpflichtungserklärung gegenüber den Wettbewerbs-<br />
behörden aber keine günstigeren Preise verlangt werden (enge Bestpreisklausel). Diese Ansicht<br />
teilt die österreichische Wettbewerbsbehörde. In Frankreich wurde nach dieser Entscheidung der<br />
Wettbewerbsbehörde per Gesetz auch die kleine Bestpreisklausel in Verträgen zwischen Plattform-<br />
betreibern und Unterkunftgebern verboten. In Deutschland hat das Bundeskartellamt eine wett-<br />
bewerbsrechtliche Entscheidung getroffen, die HRS und Booking.com verbietet, sowohl die weite<br />
als auch die enge Bestpreisklausel anzuwenden. In der Schweiz hat sich die Wettbewerbsbehörde<br />
ausdrücklich vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt über die enge Klausel zu entscheiden. Die<br />
unterschiedlichen Ergebnisse zeigen, dass insbesondere im Bereich von vertikalen Verträgen der<br />
Beurteilungsspielraum sehr groß ist und die Rolle der Marktmacht eine besondere Bedeutung ein-<br />
nehmen kann. In Österreich wird eine gesetzliche Klarstellung im Gesetz gegen den Unlauteren<br />
Wettbewerb (UWG) und Preisauszeichnungsgesetz betreffend Buchungsplattformen vorbereitet,<br />
um Hotelbetreibern zu ermöglichen, dass sie auf ihrer eigenen Homepage günstigere Preise anbie-<br />
ten können.<br />
Klassische Distributionsformen vermischen sich - vertikale Integration<br />
Distributionswege im klassischen Sinne (Produzent - Händler - Abnehmer) verwischen im digitalen<br />
Zeitalter. Einerseits können Produzenten direkt an ihre Abnehmer herantreten und durch Inter-<br />
netshops oder Flagshipstores ihre Güter direkt dem Endabnehmer anbieten. Andererseits können<br />
Händler aufgrund der Marktnähe die Funktion des Produktinnovators selbst übernehmen und Pro-<br />
dukte in Eigenregie produzieren lassen oder sogar Produktionsbetriebe errichten oder aufkaufen<br />
(vertikale Integration). Damit ist aber der Händler sowohl Abnehmer der Produzenten, als auch im<br />
direkten Wettbewerb zu diesen Produzenten. In Märkten, die von Abnehmermacht gekennzeichnet<br />
sind, bringt dies die Produzenten in ein Abhängigkeitsverhältnis, das näher zu untersuchen ist.<br />
Preisdifferenzierungen und Geoblocking<br />
Technische Möglichkeiten erlauben es, das Marketing zu individualisieren, Kunden auf Basis von<br />
über sie gespeicherten Daten konkrete Angebote zu machen, aber auch Preise dynamisch anzu-<br />
passen. Berufssparten, wie z.B. Yield Manager oder Price Intelligence Solution-Anbieter, haben<br />
sich mit diesen neuen Möglichkeiten entwickelt. Hinsichtlich der Preisdifferenzierungen in zeitlicher<br />
Hinsicht und in Abhängigkeit von der nachfragenden Person wird die Transparenz für die Konsu-<br />
menten und Konsumentinnen, welche Kundendaten bei der Preisdifferenzierung relevant sind, eine<br />
große Rolle spielen. Die wettbewerbspolitische Relevanz dieser Praktiken ist Gegenstand einer um-<br />
fassenden Untersuchung der Europäischen Kommission. Im Zwischenbericht von März <strong>2016</strong> wird<br />
aus wettbewerbsrechtlicher Sicht darauf verwiesen, dass in den Fällen, wo Geoblocking auf Verein-<br />
barungen zwischen Lieferanten und Vertreibern zurückzuführen ist, im Einzelfall beurteilt werden<br />
muss, ob diese Vereinbarungen Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt darstellen<br />
und gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen. Beruht Geoblocking hingegen auf der einseitigen<br />
Geschäftsentscheidung eines Unternehmens, dann fällt dieses Verhalten, sofern das betreffende<br />
Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung innehat, eindeutig nicht in den Anwendungsbe-<br />
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