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Gsungen & G\'spielt 3/2016

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MÅNNSBILD<br />

MUSIKANTENBLUT<br />

In Gustl Retschitzeggers Adern fließt Musik, seit er denken<br />

kann. Für den Vollblutmusikanten aus dem Tiroler Oberland<br />

ist sie Jungbrunnen und Lebenselixier.<br />

Text: Yvonne Kathrein | Fotos: Günther Laimböck, Foto Mathis<br />

rüaß Di Gott, Frau Wirtin“,<br />

„G„Grüße aus dem Tirol“, „Lebenslust“,<br />

„Wenn mi des Hoamweh plågt“,<br />

„Musikantenbluat“ … Wir stehen im<br />

Hausgang und bewundern die unzähligen<br />

so und so ähnlich benannten Kassetten,<br />

Schallplatten und CDs, die einem sofort<br />

ins Auge fallen, wenn man Gustls Haus in<br />

Schönwies betritt. „Des isch mei Lebnswerk,<br />

kånn ma so sågn“, blitzt es aus seinen<br />

blitzblauen Augen, die noch blauer<br />

wirken durch sein blau-weiß kariertes<br />

Hemd, das er zur kurzen Lederhose trägt.<br />

Er zeigt sichtlich stolz auf seine mittlerweile<br />

acht Singles, 16 Langspielplatten<br />

und 15 CDs umfassende Sammlung, auf<br />

der „Die Silberspitzler“, „Die Original<br />

Tiroler Spitzbuam“, „Die Alpenvagabunden“,<br />

die „Tiroler Wirtshausmusi“,<br />

das „Flügelhornduo Retschitzegger“, die<br />

„Gamsbergmusi“, das „Gustl Trio“, der<br />

„Zwoa Länderklang“, die „Almröslbläser“,<br />

das „Bläserduo Alpenklang“ … verewigt<br />

sind – bei all diesen Gruppen war<br />

beziehungsweise ist Gustl im wahrsten<br />

Sinne tonangebend, ob als Gründer, Leiter,<br />

Sänger und Musikant oder als Komponist<br />

und Texter. Eine Stiege führt in<br />

das Untergeschoß. Gustl deutet hinunter:<br />

„Ietz zoag i enk glei mei Musigzimmer.“<br />

Wir folgen ihm. Ich wundere mich über<br />

die vielen Lederhosen, die an der Wand<br />

hängen. Ich zähle zwölf Stück. „Sind das<br />

alles deine?“, frage ich. Er schmunzelt,<br />

bejaht es und öffnet die Tür zum Musikzimmer.<br />

Vor uns steht eine Unzahl an Instrumenten.<br />

Sechs Posaunen, griffbereit<br />

auf Posaunenständern, zwei Tuben, zwei<br />

Tenorhörner, eine Basstrompete, drei<br />

Flügelhörner, eine Harfe, ein Osttiroler<br />

Hackbrett und drei Steirische! Ich bin begeistert<br />

und frage, ob das die Instrumente<br />

seiner Musikanten sind. Gustl lacht: „Die<br />

haben ihre eigenen Instrumente. Die hier<br />

gehören alle mir.“ Unglaublich! Und<br />

schon greift Gustl zur Posaune und lässt<br />

einen Jodler erklingen. Dann aber bittet<br />

er uns in seine getäfelte Stube. Ich kenne<br />

Gustl noch aus jener Zeit, in der ich<br />

mit meinen Geschwistern als „Menas<br />

Hausmusig“ herumkam und des Öfteren<br />

mit der „Tiroler Wirtshausmusi“ zusammentraf,<br />

und ich erinnere mich als erstes<br />

immer daran, mit wie viel Enthusiasmus<br />

Gustl es verstand, das Publikum musizierend<br />

und lustige Geschichtln erzählend zu<br />

unterhalten. Und ich bewunderte damals<br />

schon seine unbändige Energie, die mir<br />

dann so richtig zu Bewusstsein kam, als<br />

ich im Juni 2001 den verhinderten Harfenist<br />

Franz Madreiter bei der Tiroler<br />

Wirtshausmusi in Laterns vertreten durfte:<br />

keine Spur von Müdigkeit bei Gustl,<br />

noch ein Stückl und noch eins, und noch<br />

eins mit dem ebenfalls anwesenden Andi<br />

Pirschner, und eins mit Stefan Tschol<br />

undundund … und am nächsten Morgen<br />

ging’s weiter: Johann Öttl, bei dem<br />

wir übernachtet hatten, wollte mit Gustl<br />

noch unbedingt sein neues Tenorhorn<br />

ausprobieren! Ach, es war ein Erlebnis,<br />

das damit endete, dass ich erst mit etwas<br />

Verspätung zum Geigenunterricht in<br />

Landeck kam. Egal, so viel Energie muss<br />

irgendwo ein Ventil haben, und sei es<br />

das von Gustls Posaune, Tenorhorn oder<br />

Flügelhorn. Oder von seiner Tuba. Und<br />

irgendwo gibt’s sicher auch eins auf dem<br />

Osttiroler Hackbrett, und wenn nicht,<br />

dann vielleicht eins auf dem E-Bass. Ja,<br />

Gustl ist ein Allround-Talent, wovon ich<br />

mich überzeugen kann, als ich nebenbei<br />

im Booklet einer seiner jüngsten CDs<br />

blättere und auf den Fotos den Vollblutmusikanten<br />

mit immer anderen Instrumenten<br />

entdecke. Hat er denn Unterricht<br />

auf all diesen Instrumenten erhalten?<br />

„Nein“, lacht Gustl. Das hat er sich selbst<br />

beigebracht. Er sagt das eher beiläufig,<br />

aber mit einem verschmitzten Lächeln.<br />

Ich bin baff und will nun aber wissen, wie<br />

alles angefangen hat.<br />

Musikalische Wurzeln<br />

Ich erfahre, dass er in Fulpmes seine<br />

Kindheit verbrachte – der Vater war als<br />

Sensenschmied aus Roßleithen bei Windischgarsten<br />

in Oberösterreich dorthin<br />

gekommen. Aber nicht er, sondern die<br />

Mutter war es dann, die ihre Sangesfreude<br />

auf ihre Kinder übertrug: besonders<br />

die Melodien der damals sehr populären<br />

Geschwister Buchberger waren da von<br />

ihrer wunderschönen Sopranstimme zu<br />

hören. Sie lehrte Gustl und seine Schwester<br />

Mely unzählige ihrer Lieder, zuerst<br />

ein-, dann zweistimmig, und schon bald<br />

konnten sich die beiden Geschwister ein<br />

Gustl vor seinem Lebenswerk. In 53 Jahren<br />

als Tanzmusikant kommt einiges zusammen.<br />

G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 41. JAHRGANG | HEFT 03 | SEPTEMBER <strong>2016</strong> 53

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